Brüssel/Straßburg. Was wird Ursula von der Leyen tun, wenn sie am 1. November als erste Frau an die Spitze der Brüsseler EU-Kommission rückt? Zu ihrer Wahl im Europaparlament hat die CDU-Politikerin konkrete politische Leitlinien veröffentlicht. Ein Überblick:
„Ein europäischer Grüner Deal”
Ursula von der Leyen will Europa zum „ersten klimaneutralen Kontinent” machen. Dazu will sie bis 2021 einen Plan vorlegen, der bis 2030 eine Reduzierung der Treibhausgase um 55 Prozent ermöglicht. Derzeit sind im Vergleich zu 1990 lediglich 40 Prozent geplant. Zudem will sie vorschlagen, die Europäische Investitionsbank in die „Klimabank Europas” umzuwandeln. Ein „Investitionsplan für ein zukunftsfähiges Europa” soll in den nächsten zehn Jahren Investitionen in Höhe von 1 Billion Euro unterstützen.
Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu verwirklichen, will von der Leyen zudem das Emissionshandelssystem auf den Seeverkehr ausweiten und auch den Straßenverkehr und den Bausektor einbeziehen. Eine CO2-Grenzsteuer könnte verhindern, dass Unternehmen mit Produktionsstandorten in weniger ambitionierten Staaten bevorzugt werden.
„Eine Wirtschaft, deren Rechnung für die Menschen aufgeht”
Von der Leyen will innerhalb der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit die Grundlage dafür legen, dass jeder Arbeitnehmer in der EU künftig einen gerechten Mindestlohn erhält. Zudem kündigt sie einen Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung sowie die Unterstützung einer EU-Garantie gegen Kinderarmut an. Ein europäischen Plan zur Krebsbekämpfung soll die Mitgliedstaaten bei der Verbesserung der Krebsbekämpfung und -behandlung unterstützen.
Für kleine und mittelständische Unternehmen will von der Leyen mit einer KMU-Strategie den Verwaltungsaufwand verringern und ihnen den Zugang zu neuen Märkten erleichtern. Zudem verspricht sie, für eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion zu stehen und die Vollendung der Kapitalmarkt- und Bankenunion voranzutreiben.
Der Steuervermeidung von großen Technologiekonzernen sagt die CDU-Politikerin den Kampf an. Wenn bis Ende 2020 noch keine globale Lösung für eine gerechte digitale Steuer gefunden, solle die EU alleine handeln, schreibt sie. Zudem werde sie werde sie Vorschläge zur Verbesserung der Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt vorlegen.
Um eine „Union der Gleichheit” zu verwirklichen, will sich von der Leyen für eine neue Gleichstellungsstrategie und verbindliche Lohntransparenz einsetzen. „Frauen verdienen im Durchschnitt 16 Prozent weniger als Männer, obwohl sie höhere Qualifikationen vorweisen können”, schreibt sie. Auch für Quoten für eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern in Leitungsorganen wolle sie sich einsetzen.
„Ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist”
Ursula von der Leyen will zügig ein Konzept für den Umgang mit künstlicher Intelligenz vorschlagen. Um sich besser gegen Gefahren der Netzwelt zu wappnen, soll nach Vorstellungen der Deutschen eine „gemeinsame Cyber-Unit” geschaffen werden. Zudem will sie sich für gemeinsame Normen für neue Technologien einsetzen.
„Schützen, was Europa ausmacht”
Von der Leyen will einen ergänzenden Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit in der EU unterstützen, der unionsweit greift und eine jährliche objektive Berichterstattung durch die Europäische Kommission vorsieht. Zudem unterstützt sie den Vorschlag, die Vergabe von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung von Rechtsstaatsstandards zu knüpfen. In der Flüchtlingspolitik wirbt sie für „starke Grenzen und ein Neuanfang in der Migrationspolitik”.
Von der Leyen will die aktuelle Blockade mit einem neuen Migrations- und Asylpakt lösen. Die geplante Aufstockung der EU-Grenzschutztruppe auf 10.000 Grenzschützer muss ihrer Meinung nach bis 2024 erfolgen und nicht wie derzeit geplant erst 2027 abgeschlossen werden.
„Ein stärkeres Europa in der Welt”
Von der Leyen will eine globale Führungsrolle für EU und dazu energisch auf eine echte europäische Verteidigungsunion hinarbeiten. Sie unterstützt den Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Zum Brexit schreibt sie: „Ich bin bereit, das Austrittsdatum erneut zu verschieben, sollte aus einem berechtigten Grund mehr Zeit erforderlich sein.”
„Neuer Schwung für die Demokratie in Europa”
Um die Mitwirkung und Demokratie zu stärken, will von der Leyen, dass die Bürgerinnen und Bürger bei einer Konferenz zur Zukunft Europas zu Wort kommen. Sie soll 2020 beginnen und zwei Jahre laufen. Zudem sichert sie dem Europaparlament eine stärkere Mitwirkung zu. Es soll künftig mit Entschließungsanträgen Gesetzesinitiativen anstoßen können. Im Rat der Mitgliedstaaten möchte von der Leyen weg von der Einstimmigkeit in der Klima-, Energie-, Sozial- und Steuerpolitik. Darüber hinaus stellt sie sich hinter das Spitzenkandidatensystem für die Europawahl. (dpa)