Traktion auf allen Wegen

Traktion ist nicht alles, aber ohne Traktion ist alles nichts. Für Mercedes genug Begründung, um den im letzten Jahr erneuerten Vito nach den Front- und Heckantriebsmodellen auch als Allradvariante anzubieten. Weiterer - und wahrscheinlich wichtigerer Grund: Zehn Prozent aller Vito-Kunden werden künftig zum 4x4 greifen, so die Daimler-Erwartung. Und die Kundschaft lege in diesem Segment eben mehr Wert auf Traktion bei jeder "Pistenbeschaffenheit" als auf eine höhere Bodenfreiheit. Deshalb macht der neue 4x4-Vito (wie auch der Hauptkonkurrent VW T5 4-Motion) optisch mehr auf Understatement als noch der um neun Zentimeter höher gelegte Vorgänger. Soll heißen: Der Allradler liegt auf dem gleichen Höhenniveau wie die 4x2-Modelle. Vorteil: Die Gesamthöhe bleibt so unter zwei Metern und damit tiefgaragentauglich. Nachteil: Auf schlechten Wegen ist es schnell vorbei mit der Freiheit zwischen Bodenplatte und Boden. Während den ersten Testfahrten in Nordschweden setzte der 4x4 im Gelände mehrmals auf, was mit einem hässlichen, allerdings ungefährlichen Rumpeln quittiert wurde. Harmonische Siebengang-Automatik Ansonsten fällt auf, dass eben wenig auffällt. Dank des siebenstufigen Wandlerautomatikgetriebes, das beim 4x4 ebenso gesetzt ist wie zunächst die stärkste Leistungseinstellung des euro-6-sauberen 2,2-l-CDI-Vierzylinder-Diesels mit strammen 190 PS taugt der Allradler ohne Weiteres auch als komfortabler Langstreckler. Bei 100 km/h werkelt der Motor im siebten Gang bei entspannten 1600 Touren. Das reduziert den Verbrauch und schont die Gehörgänge der Insassen. Ebenfalls keinen Laut gibt auch bei höherem Tempo das zusätzliche Verteilergetriebe an der Vorderachse von sich. So könnte man fast vergessen, dass die Antriebskraft permanent im Verhältnis von 45 zu 55 Prozent auf Vorder- und Hinterachse übertragen wird. Sobald der Vito in Traktionsnot gerät, verteilt der Allrad aber sofort um. Und nutzt dafür wie so oft die Elektronik. Genauer gesagt, das von den Mercedes-Pkw bekannte System "4ETS", das die ansonsten obligatorischen Differenzialsperren ersetzt. Per ESP und ASR werden durchdrehende Räder innerhalb von Millisekunden individuell abgebremst und die Antriebskraft an die Räder mit guter Traktion weitergeleitet. So beschleunigt der 4x4 selbst auf einer festgefahrenen Schneedecke bei Vollgas fast ohne Schlupf. Wobei die Elektronik gewissen Schlupf bewusst zulässt, was bei problematischen Straßenverhältnissen hilfreich sein kann. Ebenso wie das per Knopfdruck abschaltbare ESP, wodurch unterhalb von 40 km/h ein Freiwühlen mit durchdrehenden Rädern möglich ist. Wobei der Schleuderschutz im Hintergrund trotzdem aktiv bleibt und sich gegebenenfalls Not-Eingriffe vorbehält. Neu hinzugelernt hat das ESP auch, dass es über den gemessenen Schlupf am Rad elektronisch erkennt, auf welchem Untergrund sich der 4x4 gerade befindet und entsprechend reagiert. Mehr dem Komfort dient die ebenfalls neue und serienmäßige Bergabfahrkontrolle DSR (Downhill Speed Regulation). Diese lässt sich vor Gefällen per Knopfdruck zuschalten. Über Bremspedal oder den Tempomaten (Serie) kann der Fahrer eine passende Bergabgeschwindigkeit im Bereich zwischen 4 und 18 km/h festlegen, die DSR über das Motorschleppmoment und gezielte Bremseingriffe dann zuverlässig hält. Der Allrad kostet 3300 Euro Aufpreis Ansonsten steht der 4x4 seinen 4x2-Brüdern weder bei den serienmäßigen noch in der Auswahl an optionalen Assistenzsystemen in nichts nach. Deutlich übertrumpft er sie aber bei der Anschaffung. Wer vier statt zwei angetriebene Räder will, muss mindestens 3300 Euro Aufpreis gegenüber einem vergleichbaren Hecktriebler investieren. Hinzu kommen laut Angabe ein um 0,6 l/100 km erhöhter Verbrauch - trotz serienmäßiger Motor-Start-Stopp-Anlage sowie 50 Kilo weniger Nutzlast. Dafür gibt's aber eben auch einen komfortablen unauffälligen Allrad-Transporter. Für Situationen, in denen Traktion eben alles ist.

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