Hamburg. Der Schiffbau hat weltweit die besten Jahre hinter sich und muss sich auf neue Herausforderungen einstellen. Nachdem die Werften im vergangenen Jahr mit mehr als 100 Millionen Bruttotonnen noch einmal einen absoluten Produktionsrekord erreichten, seien nun in den nächsten Jahren Überkapazitäten und fallende Schiffspreise zu erwarten, sagte Martin Stopford, Geschäftsführer der Beratungsfirma Clarkson Research, am Mittwoch in Hamburg. Gleichzeitig hätten sich die Rahmenbedingungen für die Schifffahrt durch die hohen Preise für Treibstoff dramatisch verändert, ebenso wie die Umweltvorschriften.
„Die Werften können das gegenwärtige Produktionsniveau nicht über 2012 hinaus aufrechterhalten“, sagte Stopford. „Wir haben die Spitze eines lang laufenden Zyklus erreicht.“ Im laufenden Jahr werde die Produktion auf 94 Millionen Tonnen fallen, im nächsten auf 70 Millionen Tonnen. Das wäre ein Einbruch um ein Drittel gegenüber 2011.
Hintergrund sind stark rückläufige Bestellungen der Reeder, die gegenwärtig über relativ moderne Flotten verfügen und unter niedrigen Frachtraten leiden. Auf dem Höhepunkt des Booms betrugen die Auftragsbestände mehr als 50 Prozent der weltweit fahrenden Flotte, gegenwärtig sind es kaum mehr als 20 Prozent. Das zeigt sich bereits in den Preisen für Schiffe: Ein großes Containerschiff kostete in Spitzenzeiten 160 Millionen US-Dollar, heute sind es noch 97 Millionen Dollar.
Reaktionsbedarf bei Schiffbaunationen
Die beiden führenden Schiffbaunationen China und Korea stünden nun vor unterschiedlichen Problemen, sagte Stopford. Die chinesische Schiffbaubranche sei zwar immer noch sehr wettbewerbsfähig, die Produktion allerdings stark auf Massengutfrachter ausgerichtet. Deshalb müssten die chinesischen Werften ihre Produktpalette erweitern und ebenso wie die Koreaner in den sehr gefragten Spezialschiffbau vordringen. Auf dieses Feld konzentrieren sich auch die deutschen Werften, nachdem die Ära des Containerschiffbaus zu Ende gegangen ist.
Stopford will seine Forschungsergebnisse und Prognosen jedoch keineswegs als Abgesang auf die Schiffbauindustrie verstanden wissen. „Die Globalisierung geht weiter, auch künftig gibt es jede Menge Ladung, die bewegt werden muss“, sagte er. Innovationen, umweltfreundliche Produkte und Kostenmanagement seien nun notwendig für die Werften. Der Forscher und Berater sprach im Vorfeld der internationalen Schiffbaumesse (SMM), die vom 4. bis 7. September in Hamburg stattfinden wird. Dort zeigen mehr als 2000 Aussteller aus mehr als 60 Ländern ihre Produkte. (dpa)