Hamburg. Riesige Containerschiffe gehören zur Faszination, die der Hamburger Hafen auf viele Menschen ausübt. Zu Hunderten versammeln sie sich am Elbufer, wenn wieder einmal ein Mega-Carrier von zuvor ungekannter Größe sich den Strom heraufbewegt. Die „MSC Zoe”, die am Wochenende zu ihrer Taufzeremonie den Hamburger Hafen anlief, ist das jüngste Beispiel. Sie kann 19.224 Container (TEU) tragen, so viel wie sonst nur ihre beiden Schwesterschiffe. Im Januar erst war die „CSCL Globe” als größtes Containerschiff begrüßt worden, die diesen Titel schnell wieder verloren hat.
Auch die „MSC Zoe” und die anderen Schiffe der Olympic-Klasse der Reederei MSC werden nicht lange an der Spitze der Größenentwicklung stehen. Die japanische Werft Imabari baut für einen unbekannten Auftraggeber elf Frachter, die 20.000 TEU transportieren können. Das erste Schiff soll Anfang 2018 fertig sein. Die französische Reederei CMA CGM hat bei Hanjin in Korea drei Schiffe mit 20.600 Containern Tragfähigkeit geordert, von denen das erste schon 2017 kommen soll. Den Vogel abschießen wird aber die Reederei OOCL aus Hongkong: Sie hat bei Samsung sechs Schiffe bestellt, die 21.100 TEU tragen können, plus sechs Optionen. Technisch möglich wären nach Ansicht der Prüfgesellschaft DNV GL schon heute 24.000 TEU.
Größere Schiffe durch wirtschaftlichen Druck
Getrieben wird die Entwicklung zu immer größeren Schiffen durch wirtschaftlichen Druck und den harten Konkurrenzkampf zwischen den global agierenden Schifffahrtskonzernen. Seit Jahren drücken Überkapazitäten und niedrige Frachtraten auf die Erträge. Große Schiffe ermöglichen günstige Preise; eine Reederei mit einer alten Flotte wäre nicht konkurrenzfähig. Das ist in den Häfen deutlich zu spüren. An jedem Tag kommen statistisch zwei sehr große Frachtschiffe mit mehr als 10.000 TEU in den Hamburger Hafen. Das ist eine Herausforderung für Nautiker und Logistiker, Umschlagbetriebe und alle Glieder der Transportkette.
Kritik an dieser Entwicklung gab es schon länger, aber sie wird zunehmend lauter und vielstimmiger. „Das Risiko wächst mit den Schiffen mit”, heißt es vom „Aktionsbündnis lebendige Tideelbe”, in dem mehrere Umweltverbände zusammengeschlossen sind. Sie verweisen auf die Gefahr einer Havarie, wenn die riesigen Schiffe auf der engen Elbe manövrieren. Die Schiffe sind länger als die Fahrrinne breit ist und könnten sie komplett blockieren. Sollte einmal ein großes Containerschiff samt seiner Ladung auf See verloren gehen, wären die Verluste gigantisch. Die Versicherungsgesellschaft Allianz schrieb in einer Studie, die Branche müsste sich auf Risiken von einer Milliarde Dollar einrichten. Damit werden auch die Prämien sehr hoch.
Die Linken in der Hamburger Bürgerschaft gehen noch einen Schritt weiter: „Immer größere Schiffe erfordern immer tiefere Häfen und Flüsse, größere Terminals und Brücken”, sagt ihr Hafenpolitiker Norbert Hackbusch. „Gegen diese Spirale des Wahnsinns sollte Hamburg eine Initiative der Hafenstädte in Europa setzen.” Für ein paar Euro eigener Ersparnis verursachten die Reeder riesige Kosten für die Häfen und damit die öffentlichen Kassen.
400 Millionen Dollar jährliche Kosten für zusätzliche Infrastruktur
Rückendeckung bekommt der Linke von der OECD, der Organisation der Industrieländer. Sie schätzt die Kosten für zusätzliche Infrastruktur durch die Mega-Carrier auf 400 Millionen Dollar jährlich. Die Zweifel gehen tief. „Wir sind dicht an dem Punkt, an dem größere Schiffe keinen Sinn mehr ergeben”, sagt Olaf Merk von der OECD, der bei der Welthafenkonferenz in Hamburg im Juni eine Studie zu dem Thema vorstellte. „Oder wir haben ihn bereits überschritten.” Rund 60 Prozent der Kosteneinsparungen der Großschiffe würden durch modernere Motoren erreicht, nicht durch die Größe. Zudem zementierten die vielen neuen Riesenschiffe die Überkapazitäten auf den Weltmärkten, so dass die Kostenvorteile durch geringere Erlöse zum Teil zunichte gemacht würden. (dpa)