Schwaben lockt die Logistiker

Vor wenigen Jahren noch war das Lechfeld nur geschichtskundigen Logistikern ein Begriff. Hier brachten die Heere von Kaiser Otto I. im Jahre 955 den Ungarn eine vernichtende Niederlage bei. Heute gilt die Ebene 30 Kilometer südlich von Augsburg als Top-Standort für großflächige Logistikanlagen. Seit 2005 machten in den Lechfeld-Gemeinden Graben und Kleinaitingen Aldi, DHL und Lidl Logistikzentren auf. Das größte Objekt realisierte Amazon. 2011 eröffnete der Internet-Riese in Graben ein 110.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum mit über 1000 Mitarbeitern. Jetzt bereitet BMW den Bau eines vermutlich 70.000 Quadratmeter großen Ersatzteillagers vor. Ab 2016 sollen in Kleinaitingen über 200 Mitarbeiter Händler in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz versorgen. Ein "Hidden Champion" in Deutschland Für das Logistik Cluster Schwaben (LCS) ist der BMW-Coup ein weiterer Beweis, dass die Region rund um Augsburg und Ulm sich zum "Hidden Champion" unter den deutschen Logistikstandorten gemausert hat. Denn um dieses lukrative Projekt hatten sich auch zwei weitere Standorte in der Region beworben. Die Kurstadt Bad Wörishofen und der frühere Fliegerhorst Leipheim kamen jedoch wegen zu kleiner Flächen beziehungsweise hoher Konversionskosten nicht zum Zuge. "Viele Kommunen haben die wirtschaftliche Bedeutung der Logistikbranche für unsere Region erkannt", freut sich LCS - Vorsitzender René Mick (Luible Logistik). "An diesem Ziel arbeitet der LCS seit seiner Gründung." Als das Cluster 2011 von 33 Unternehmen unter dem Dach der örtlichen Industrie- und Handelskammern ins Leben gerufen wurde, hatte sich die Attraktivität von Schwaben als Logistikstandort bereits herumgesprochen. Große Verlader wie Amazon, Drogeriemarkt Müller und Tricor zogen riesige Neuobjekte hoch, die Immobilienexperten von Fraunhofer Supply Chain Services (SCS) listeten die Region, der außer dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben drei württembergische Landkreise rund um Ulm angehören, längst in der Liste der Top 20 Logistikregionen in Deutschland. Für die LCS-Mitglieder ging es vor allem darum, das Eisen zu schmieden, so lange es heiß war. "Wir zeigen auf allen wichtigen Branchenmessen wie Logimat und Transport Logistic mit Gemeinschaftsständen Flagge", erklärt Mick. Hinzu kommen zahlreiche Veranstaltungen in der Region, auf denen Kontakte mit Kommunalpolitikern und anderen öffentlichen Entscheidern geknüpft werden. Jüngstes Beispiel ist das Forum "Logistik ist Infrastruktur" im April auf dem Flughafen Memmingen. 60 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft diskutierten Strategien und Konzepte, wie die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit neuer Infrastrukturprojekte und Logistikstandorte überzeugt werden kann. Breit gestreuter Unterstützerkreis Solche Querschnittsveranstaltungen stoßen nicht zuletzt deshalb auf Resonanz, weil der LCS mittlerweile über eine recht breit gestreute Teilnehmerstruktur verfügt. Knapp die Hälfte der 85 Mitglieder sind Speditionen und Logistikunternehmen. Außer bekannten Unternehmen der Region wie Andreas Schmid, Dachser, Finsterwalder, Honold, Nuber und Seifert, die alle an der Gründung beteiligt waren, haben sich zahlreiche Niederlassungen von nicht-schwäbischen Branchenunternehmen angeschlossen. Auch bekannte Verlader wie Fujitsu, SGL Carbon, UPM und die Verlagsgruppe Weltbild gehören dem Cluster an. Die öffentliche Hand ist mit Stadtwerken, Hochschulen und Wirtschaftsförderungsgesellschaften vertreten. Ansonsten haben sich Unternehmensberater, Immobilienentwickler, Weiterbildungsanbieter und sonstige Dienstleister dem LCS angeschlossen. Relativ spärlich sind hingegen mittelständische Industrieunternehmen vertreten, die gerade in Augsburg und im Allgäu sehr zahlreich sind. Zu den wenigen Ausnahmen zählt der Memminger Wellpappenhersteller Hans Kolb. Logistikumsatz klettert um 38 Prozent Vier Jahre nach der Gründung kann der LCS, der nach einer Anschubfinanzierung durch die IHKn Augsburg und Ulm ausschließlich von Mitgliedsbeiträgen lebt, eine beachtliche Zahl an Aktivitäten vorweisen. Über 50 Veranstaltungen hat das Cluster von 2011 bis 2014 organisiert. "Auf jedem Termin stellen wir die Attraktivität Schwabens als Logistikregion heraus", betont Mick. Zum wichtigsten Kommunikationsinstrument entwickelte sich hierbei ein Logistikatlas, der wesentliche Fakten auf wenigen Seiten zusammenfasst und mit beeindruckenden Zahlen wirbt. Zwischen 2009 und 2013 hat demnach die Logistik die Zahl der Arbeitsplätze in Schwaben um über 17 Prozent auf 85.000 gesteigert und eine Umsatzsteigerung von 38 Prozent auf über vier Milliarden Euro erzielt, ermittelte Fraunhofer SCS. Logistik entwickelt sich deutlich dynamischer als andere Branchen und erzielt in Schwaben höheres Wachstum als in anderen deutschen Regionen. Mit dieser Botschaft fand der LCS offenbar in vielen Gemeinden Gehör. Zwischen 2011 und 2013 wurden nach einem starken Wachstum in den Vorjahren nochmals fast 130.000 Quadratmeter neue Lagerflächen ausgewiesen. Für 2014 und 2015 ist mit noch höheren Zahlen zu rechnen. Grund genug für den LCS, Schwaben als "Supply Chain Region" zu positionieren. "Jeder zehnte Arbeitnehmer ist in einer Lieferkette beschäftigt", betont Karl Heinz Czauderna, Fujitsu-Manager und stellvertretender LCS-Vorsitzender, "ohne Logistik sind weder Handel noch Produktion möglich." Wie in anderen Regionen übernimmt der LCS Aufgaben, welche weder IHK noch Verbände stemmen können. Die Kammern müssen laut Gesetz das "Gesamtinteresse der Wirtschaft" vertreten und können sich nicht auf die Logistik fokussieren, die Verbände vertreten nur Partikularinteressen von Verladern, Dienstleistern und anderen Marktteilnehmern. "Das LCS hat sich hervorragend von einer Idee zur echten Institution entwickelt", spielt Ralf Schmidtmann, Geschäftsführer des GVZ Augsburg, auf diesen Zusammenhang an. Ansonsten kann auf LCS-Terminen auch jede Menge neuer Geschäftskontakte geknüpft werden. Dies macht das Cluster auch für sehr kleine Unternehmen attraktiv. "Ich nehme deshalb wenigstens alle drei Monate an einem Termin teil", begründet Cluster-Mitglied Nicole Barnard, Inhaberin eines Büros für Außenhandelslogistik in Friedberg, ihr Engagement. Von Ulm bis Füssen: Das Logistikland Schwaben Womit das ländliche Allgäu Investoren überzeugt Logistik spielt sich in Schwaben vor allem im Viereck zwischen den Autobahnen A 7 (Ulm - Füssen), A 8 (Ulm-Augsburg), A 96 (Bad Wörishofen-Memmingen) und B 17 südlich von Augsburg ab. Hier sind laut Fraunhofer SCS überdurchschnittlich viele Flächen frei. Große zusammenhängende Areale existieren außer im Lechfeld im GVZ (Güterverkehrszentrum) Augsburg selbst, das mittelfristig mit einem Terminal für den Kombinierten Verkehr (KV) an den Schienenverkehr angeschlossen werden soll. Außerdem bieten im Nordosten in Aichach das Gewerbegebiet "Acht 300" und im Osten Lechhausen Platz für die Ansiedlung von Logistikunternehmen.Zweiter großer Logistikstandort ist Ulm: Hier sind im GVZ ebenfalls noch Flächen frei. Gleiches gilt für die autobahnnahen Standorte Dornstadt, Langenau und Günzburg. Als Branchen-Standorte haben sich auch Memmingen und Kempten einen Namen gemacht. Memmingen plant eine Erweiterung des Gewerbegebiets Nord, das mit 300 Hektar das zweitgrößte der Region ist. Als Geheimtipp werden Standorte an der A 96 mitten im ländlichen Allgäu gehandelt, die nicht zuletzt wegen äußerst niedriger Gewerbesteuersätze attraktiv sind. In Bad Wörishofen hat der Verpackungshersteller Tricor ein 65.000 Quadratmeter großes Logistikzentrum hochgezogen, in der Gemeinde Kammlach baut die Bettenkette Dänisches Bettenlager eine ähnlich große Anlage. bot

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