Saubere Saubermänner

Gerade im Kommunalbereich brachte Euro 6 so seine Tücken mit sich: Beim Econic kam Daimler wegen der aufwendigeren Abgastechnik beispielsweise nicht umhin, in den einst komplett topfebenen Boden eine kleine "Stufe" einzuziehen. Noch schwieriger war der Seitenlader am Econic unterzubringen, doch auch dieses Problem hat Daimler jetzt im Griff, wenngleich es nicht ganz einfach war, Platz für zusätzliche Anbauten am Rahmen zu schaffen. Euro 6 fordert seinen Tribut MAN konstruierte derweil einen aufwendigen Dieseltank, der am Heck seinen Platz findet, um seitlich am Rahmen Platz für einen Kehrmaschinenaufbau zu schaffen. Immerhin könne man die aufwendige Abgasbox am Rahmen verschieben, erklären beide Hersteller unisono. Auch bei Renaults Ausstellungsstück, einem 18-Tonner-D mit Kran, spürt man den Druck, den Euro 6 den Konstrukteuren macht: Die Franzosen ziehen die Abgasbox im hinteren Bereich ein, um Platz für die Stützfüße des Krans zu schaffen. Zusammen mit Volvo hatte die Tochter aus Lyon diesmal einen größeren Ifat-Auftritt und schickte den "schweren" 7,5-Tonner "D" alias Nissan NT 500 zur Deutschlandpremiere. Volvo zeigte dagegen erstmals den FE Low Entry in Euro 6 und liefert den jetzt neben der Allison-Wandlerautomatik auch mit I-Shift aus. Auch bei Daimler denkt man laut Michael Dietz, Leiter Marketing und Vertrieb Mercedes-Benz Sonderfahrzeuge, darüber nach, den Econic künftig optional mit Powershift auszustatten. Außerdem liebäugeln die Stuttgarter mit weiteren Achskonfigurationen und Radständen. Den geplanten Markteintritt von Volvo sieht er positiv: "Damit tun wir uns leichter, das Low-Entry-Konzept zu vermarkten". Wo Erdgas definitiv Zukunft hat Komplett neu ist auch der Erdgasmotor, den Daimler demnächst nachreichen wird, auch wenn der Anteil der dieselbetriebenen Econics momentan immer noch zwischen 85 und 90 Prozent beträgt. Doch Hans-Joachim Bayer, Direktor Behörden- und Sonderfahrzeuge beim Mercedes-Benz-Vertrieb Deutschland, sieht auch künftig Potenzial für Erdgas: "Die Gesetzgeber denken bereits über eine Verschärfung der CO2- und Geräusch-Emissionen nach - beides Themen, die den Gasmotoren in die Hände spielen." Erweitert hat Daimler auch das Charter-Way-Programm, das neben Hecklade-Müllwagen, Absetzern und -rollern jetzt auch Unimog-Varianten umfasst. Den 216/218 als U20-Nachfolger auf das Geräteträger-Layout weg vom Frontlenker umzustellen, kam bei den Kunden laut Bayer "sehr gut" an. MAN hat den hydraulischen Hybridantrieb, jetzt "HydroHybrid" genannt, ins Rampenlicht gestellt. Das Fahrzeug mit dem Konzept eines hydrostatisch regenerativen Bremssystems ist ab sofort bestellbar. Durch die Energierückgewinnung beim Bremsen und dem Schubbetrieb und die Nutzung dieser Energie beim Anfahrvorgang ermittelten Betreiber im Feldversuch laut MAN in Frankreich eine Effizienzsteigerung von rund 12 Prozent. Bei einem geschulten Fahrer in einem optimalen Sammelrevier sollen bis zu 15 Prozent Kraftstoffersparnis möglich sein. Über den Aufpreis des rund 500 Kilo schweren Systems gibt MAN keine exakte Auskunft. Dominique Nadelhofer, Leiter Media Relations, geht auf Nachfrage davon aus, das "bei einer üblichen Lebensdauer eines Müllsammelfahrzeugs von acht bis neun Jahren nach aktueller Abschätzung die Amortisation nach etwa zwei Dritteln der Laufzeit erreicht ist." Der Hydro-Hybrid wandelt die im Schubbetrieb und beim Bremsen normalerweise als Bremswärme verloren gehende Bewegungsenergie in hydraulische Energie um und speichert sie. Eine Axialkolbeneinheit wirkt als Pumpe und lädt einen hydraulischen Blasenspeicher mit Hydrauliköl. Das in die Druckflasche einströmende Öl wird dadurch unter Druck gesetzt, sodass es eine mit Stickstoff gefüllt Gasblase verdrängt. Das System wirkt in der Bremsphase wie eine verschleißfreie Dauerbremse (Retarder). Beim Anfahren fließt das unter Druck stehende Öl aus dem Speicher zurück und treibt die Axialkolbeneinheit an. Die wirkt als zusätzlicher Antrieb und gibt ihre Leistung an den Triebstrang ab. Der Hydro-Hybrid arbeitet im Geschwindigkeitsbereich von 0 bis 40 km/h und kann per Kippschalter im Armaturenbrett aktiviert werden. Da MAN die Axialkolbeneinheit in die Kardanwelle des Antriebsstrangs einband, steht der schwungradseitige Nebenabtrieb weiter zur Verfügung. Die "Geschwister" wider Willen Wie wenig Synergien es weiterhin mit Scania gibt, zeigt die Tatsache, dass das Thema "Hybridisierung" dort bis auf Weiteres keines ist: Stattdessen widmet man sich wie Daimler dem Thema Low Entry und Gasantrieb und ist weiter stolz auf die in Koblenz entwickelte Hydrostatlösung, die alle Geschwindigkeiten zwischen 0,1 und 80 km/h ermöglicht. Gerade im Kommunalbereich könnten die uneinigen unter VW "zwangsverheirateten Partner" einen riesigen, gemeinsamen Sonderlösungsbaukasten erstellen. Ähnlich distanziert bleibt bis auf Weiteres auch das Verhältnis zwischen Volvo und Renault Trucks: Die Schweden liefern Triebstrang und Basis für den britischen Low-Entry-Pionier Dennis Eagle, der mittlerweile unter das Ros-Roca-Dach geschlüpft ist. Renault Trucks nutzt just die Dennis-Eagle-Kabine für den eigenentwickelten Low-Entry-Abfallsammler "Acess", den Ros Roca ohne Wissen der Renault-Trucks-Truppe auf die Messe stellte. Trotzdem bevorzugt Volvo selbst stattdessen, die FE-Kabine für einen eigenen Low Entry zu adaptieren, deren Basis wiederum von Renault aus dem Werk Blainville stammt. Auch hier schlummert also theoretisch noch Potenzial. Glatter, leichter, schöner und stabiler Das schöpfen die Aufbauhersteller verstärkt aus: In Deutschland hat die Kirchhoff-Gruppe mit Faun, Zöller und Haller das komplette Müllsammelthema unter einem Dach vereint. Komplett neu war der Seitenlader "Sidepress", mit dem Faun in diesem zuletzt eher vernachlässigten Segment wieder stärker punkten möchte. Dafür entwickelte man einen komplett neuen Behälter, Wannenverdichter und Lifter mit Nahaufnahme. Dank Letzterem gibt Faun an, auch den Platzbedarf zur Seite und die benötigte Hüllkurve verringert zu haben. Dafür verdoppelte man den Einschüttraum zum Wannenverdichter und erhöhte das Wannenvolumen, sodass sogar Großgefäße mit 2,2 bis 3,2 Kubik geleert werden können. Überarbeitet wurde dagegen der "Variopress"-Hecklader. Der kann optisch mit einem neuen, gerundeten und leichteren Behälter punkten, der auch Drecknester besser verhindern soll. Fahrer und Unternehmer dürften sich über die optionale Achslastkontrolle Acti-Fit-Air freuen, die die zulässigen Achslasten überwacht und die Fracht bei Erreichen der Hinterachslast weiter nach vorn schiebt. Erreicht die Nutzlast ihre Grenze, schaltet das Ladewerk ab. Bescheiden: Keine "Kick-Outs" mehr Das ist im Falle des "Levator" ebenfalls neu und braucht hier keinen extra Platz mehr nach hinten: Faun ist es gelungen, bei der Bewegung den "Kick-Out" zu eliminieren. Abgerundet werden die Neuheiten von der neuen "My Faun" genannten Telematik, einer gelifteten "Rotopress"-Drehtrommel und neuen "Viajet-Streamline" genannten Kehrmaschinen, wobei die Viajet 8 Streamline mit bis zu 3400 Liter Wasservorrat (Serie sind 2200 Liter) speziell auf autonomes Arbeiten nach langen Anfahrten konzipiert wurde. Den überarbeiteten "Variopressen"stellt Geesink-Norba den neuen, "GPM IV" genannten Hecklader entgegen, der wegen der schwereren Euro-6-Fahrgestelle abgespeckt haben soll. Sein Sammelbehälter besteht jetzt aus einer einzigen Stahlblechtafel, was ihn laut der regionalen Verkaufsmanagerin Claudia Gross stabiler macht; dazu überarbeitete man die Steuerung. Besonders stolz ist Gross auf die neue Dichtung zwischen Sammelbehälter und Heckteil, die einen leckagefreien Betrieb sichern soll. Wie Faun bietet auch Geesink-Norba Hybridsysteme für die Abfallsammler an. Meiller zeigte die endgültige Version des gründlich überarbeiteten AK 12-Absetzers (siehe auch VR 13/2014, Seite 54) und die detailoptimierte Abroller-Familie. Hier verbesserten die Münchner die Ladungssicherung. Die Container werden jetzt an den Behälterschienen hydraulisch verriegelt und bekommen dabei eine zusätzliche Auflagefläche. Dazu kommt ein Schutzanschlag, der Schäden an der Verriegelung unterbindet, die gern durch zu tief sitzende Querträger im Behälterboden verursacht werden. Dazu kommen optional erhältliche Folgesteuerungen, die die Arbeitszyklen um bis zu 30 Sekunden verkürzen und je nach Einsatz bis zu 800 Liter Sprit jährlich sparen sollen. Optional bieten die Münchner auch einen Absetzkipper auf einem Abrollfahrzeug an - dass dafür trotz Euro 6 Platz am Rahmen ist, haben die LKW-Hersteller ja gesorgt!