Rundum-Service rund um die Uhr

Der Paketbote bringt nur die Sendung und fährt wieder - das ist bald passé. Denn der Kurier-, Express- und Paketdienstleister (KEP) von morgen bietet seinen Kunden viel mehr. So könnte der Paketshop des Jahres 2020 beispielsweise mit einer Umkleidekabine ausgestattet sein, in der bestellte Modeartikel sofort anprobiert werden: Passt etwas nicht, führt die angeschlossene Schneiderei sofort die nötigen Änderungen durch. Einen ähnlichen Rundum-Service könnten in Zukunft Besteller von Elektronikartikeln geboten bekommen: Der Paketbote stellt den neuen Computer nicht nur zu, sondern führt gleich die nötigen Installationen durch, damit sich das Gerät ins Heimnetzwerk einklinkt und mit der neuesten Sicherheitssoftware ausgestattet ist. "In Zukunft wird es neben den Standardangeboten auf dem KEP-Markt eine Vielzahl von Dienstleistern geben, die sich an den Anforderungen des Endkunden ausrichten", fasst Horst Manner-Romberg, Unternehmensberater aus Hamburg, die möglichen Service-Entwicklungen zusammen. Verschiebung der Warengruppen Grundsätzlich kann sich der elektronische Handel darüber hinaus auf weiterhin gutes Wachstum freuen. Bis zum Jahr 2020 werden die Umsätze jährlich um acht Prozent zulegen, heißt es in einer Prognose der Hochschule Niederrhein. Allerdings wird es laut der Studie bei den Warengruppen eine Verschiebung geben: Die Segmente, in denen der Onlinehandel bisher stark war - wie Bücher und Unterhaltungselektronik - werden zwar weiter zulegen, aber große Sprünge finden woanders statt. "Stärker nachgefragt sind künftig zum Beispiel Bau- und Heimwerkerprodukte oder Möbel. Außerdem sehen wir große Zuwächse bei den Konsumgütern des täglichen Bedarfs - Nahrungsmittel, Körperpflege- und Reinigungsprodukte", sagt Oliver Schmitz, Experte für das Thema E-Commerce, von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. Empfänger wird zum Paket-Dirigent In ihren Prognosen gehen die Marktforscher davon aus, dass in einigen Jahren bis auf wenige Ausnahmen alle Produkte auch via Internet vertrieben werden. "Alles online - das ist durchaus ein realistisches Szenario, es wird immer weniger Grenzen geben", fasst Schmitz zusammen. Dabei gewinne das Verkaufsargument "Convenience" (Kundenkomfort) weiter an Bedeutung. "Früher ging es beim Onlinekauf oft nur um das Schnäppchen oder die günstige Markenware, künftig wird es den Kunden wichtiger, dass diese Art des Shoppens auch bequem ist." Der Empfänger wird zum Dirigent seiner Sendung - so lautet die Vision für die kommenden Jahre - und schon heute arbeiten die Dienstleister mit Hochdruck daran, sie Wirklichkeit werden zu lassen: Die Paketshop-Netze wachsen bei allen Anbietern weiter, eine einheitliche Paketbox nimmt Gestalt an, die Zustellung zum Wunschtermin wird immer präziser. Allerdings ist längst nicht jede Innovation auch schon am Markt angekommen. "All diese Dinge sind fertig entwickelt - jetzt müssen die Händler sie nur noch anbieten", sagt Thomas Horst, Geschäftsführer Sales bei Hermes Europe, Hamburg. Tatsächlich rufen nur wenige Onlinehändler die von den KEP-Diensten angebotenen Services derzeit ab. Das hat einen einfachen Grund: Zusätzliche Optionen am Ende des digitalen Einkaufsbummels (Checkout) verschrecken die Kunden und das führt zu mehr Kaufabbrüchen. Also spielen viele Versender auf Sicherheit und räumen den Kunden nur ein Minimum an Zustelloptionen ein - auch wenn viel mehr möglich wären. Paketboten kommen auch sonntags Bald der Vergangenheit angehören werden aber wohl die in Deutschland traditionell sehr schmalen Zustellfenster. In Zukunft kommt der Paketbote nahezu rund um die Uhr, auch am Wochenende, und sogar die Sonntagsbelieferung könnte bald auf die Agenda kommen. "Diesem Thema werden wir uns stellen müssen", sagt Horst. Abgesehen von den gesetzlichen Hürden kämen auf die Dienstleister hier echte Herausforderungen zu, schätzt der Hermes-Manager, schließlich hätten viele Anbieter schon Probleme, die neu eingeführten Samstagstouren auszulasten. 90-Minuten-Auslieferung wird Standard Die wohl größten Chancen für neues Geschäft bieten die anfangs erwähnten Zusatzdienstleistungen. In Zukunft könnten sich Paketzusteller zu Rundum-Dienstleistern entwickeln, gerade im Versand von Elektronikprodukten. Hier steigt die Komplexität weiter rapide an. Selbst ein einfacher Fernseher ist heute ein internetfähiger Alleskönner, der aufwendig installiert werden muss. Gerade ältere Kunden können oder wollen sich damit nicht mehr herumschlagen und werden künftig Dienstleistern diese Aufgaben übertragen. Insgesamt könnte sich für diese Kundengruppe der Paketbote zu einer Art Schnittstelle zur Welt entwickeln. In Ansätzen lässt sich das schon beobachten, so schauen Briefzusteller der Deutschen Post in Gelsenkirchen auf Wunsch bei älteren Menschen nach dem Rechten (Projektname: Post Persönlich). Dieser Ansatz lässt sich weiter denken: Mitarbeiter der KEP-Dienste könnten künftig Rezepte in die Apotheke bringen und das gewünschte Medikament dem Kunden zustellen. Auch andere kleine Botengänge wären denkbar. "Wir werden den Touchpoint Haustür genauer untersuchen. Hier braucht man viel Fantasie - aber die Angebote müssen auch betriebswirtschaftlich Sinn ergeben", so Hermes-Vertriebschef Horst. Nicht nur für ältere Kunden, sondern auch für andere wachsende Bevölkerungsgruppen wird es in Zukunft Sonderdienste geben. Denkbar sind zum Beispiel Paketshops, die sich auf türkische Kunden konzentrieren (oder Migranten anderer Herkunft). Sie sind auf die Paketbeförderung in das jeweilige Heimatland spezialisiert und bieten günstige Tarife an. Vorbild für solche Geschäftsmodelle ist der Mobilfunk, wo es schon länger eigene Provider für Migranten gibt, zum Beispiel "Ay Yildiz" von E-Plus. Ebenfalls absehbar ist, dass die Geschwindigkeit der Zustellung weiter steigt bis hin zur viel diskutierten Same-Day-Delivery. "Es wird eine relevante Gruppe von Menschen geben, die ihre Bestellung sofort haben will", ist Konsumforscher Schmitz überzeugt. Experten gehen davon aus, dass die Versender diesen Kunden mit neuen Preiskonzepten entgegenkommen werden. Möglich wäre zum Beispiel folgendes Modell: Besonders eifrige Besteller zahlen einen einmaligen Fixbetrag und bekommen ihre Bestellungen im Gegenzug ein Jahr lang am gleichen Tag geliefert; eine ähnliche Flatrate bietet Amazon seinen Kunden schon an ("Prime"). Eine interessante Vision zum Fulfillment der Zukunft hat das US-Magazin "Wired" entworfen. Der Kern: In Zukunft erledigen die Menschen nahezu alle Einkäufe online, Bestellungen werden standardmäßig in 90 Minuten ausgeliefert. Um das möglich zu machen, haben große Internethändler wie Amazon ihre Warenhäuser auf die Straße verlegt: Tausende von Lieferfahrzeugen zirkulieren in den Städten rund um die Uhr auf genau geplanten Routen; an Bord haben sie alle Produkte, die die Kunden vermutlich bestellen werden (ein Computerprogramm prognostiziert die Nachfrage). Das ermöglicht die Blitzlieferung. Völlig aus der Luft gegriffen ist die Vision nicht, schließlich bauen Amazon und Google in den USA bereits Ausliefersysteme auf, die auf die sofortige Zustellung ausgelegt sind. Dass KEP-Dienstleister wirklich das rollende Warenlager des Handels werden, erscheint allerdings unwahrscheinlich. Dagegen spricht, dass der Verkehrsraum in den Städten immer knapper wird. "Zudem müssten die Händler ihren Warenbestand regionalisieren, das ist nicht einfach", gibt Hermes-Experte Horst zu bedenken. In Deutschland ist ein anderes Szenario wahrscheinlicher: Die Kurierdienste werden sich zusammenschließen, um das weiter steigende Sendungsaufkommen aus dem E-Commerce gemeinsam zu bewältigen. "Eine Kopplung der Systeme wäre wünschenswert", meint Unternehmensberater Manner-Romberg. Das würde bedeuten: Eine übergreifende Software verwaltet die Touren der Kuriere und speist Online-Bestellungen überall da ein, wo noch Kapazitäten frei sind. "Auch die Dienstleister haben daran ein Interesse", beobachtet Manner-Romberg. Die Serie E-Commerce: Der Privatkunde im VisierDer neue Onlinehype verändert die Logistikwelt, vor allem die Geschäftsmodelle der KEP-Branche:- VR 41: Welche Services KEP-Dienste im Onlinehandel bieten- VR 42: Funktioniert das Uber-Modell auch im KEP- Segment?- VR 43: Welche Geschäftsmodelle im E-Commerce Zukunft haben Was die Zukunft bringt Auf welche Trends sich die KEP-Branche in 2025 einstellen muss - Die taggleiche Belieferung wird Standard - zumindest in den westlichen Industriestaaten (auch auf dem Land!). In Schwellenländern wie China bleibt es vorerst bei der Auslieferung am nächsten Tag.- Die Zahl der Retouren steigt. Grund: Versender nutzen zunehmend Software, um Bestellungen vorherzusagen. Die entsprechende Ware wird dann in ein Distributionszentrum in der Nähe des Kunden transportiert - noch bevor der auf "Kaufen" geklickt hat! Durch dieses Verfahren (Fachwort: Predictive Purchasing) steigt allerdings auch die Zahl der Retouren.- Die meisten Logistiker gehören Kooperationen an und betreiben gemeinsame Distributionszentren. Grund: Viele Kommunen regulieren den Verkehr stark, insbesondere in Innenstädten und Ballungsräumen.Dadurch sind die Logistiker gezwungen, Redundanzen in der Logistikinfrastruktur zu vermeiden. Leerfahrten oder die Mehrfachbedienung von gleichen Strecken durch verschiedene Logistiker sind 2025 nicht mehr denkbar.- Auch kleine KEP-Dienste haben weiter Chancen. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist ihre Produktexpertise, sie können dem Kunden eine besonders gute Beratungsleistung bieten.- Sicherheit wird zum wichtigen Wettbewerbsfaktor. Pakete sind mit Sensoren ausgestattet, Packstationen und Paketkästen teilen dem Empfänger mit, wenn ein Paket hineingelegt wurde, überwachen dessen Zustand und die Echtheit der Ware oder schlagen Alarm, sobald Unbefugte versuchen, auf die Ware zuzugreifen.- Logistiker bieten besonders gesicherte Lieferketten an (High Secure Delivery), die für den Kunden mit Zusatzkosten verbunden sind. Die Logistikroute wird dann zum Beispiel an den großen Umschlagplätzen vorbeigeführt. Das dient auch dem Schutz vor Kriminellen, die versuchen, die Prozesskette der etablierten Wettbewerber zu hacken. cg

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