Rückkehrrecht in Vollzeit

Bundeskabinett und Bundesrat haben noch vor der Urlaubspause den Gesetzentwurf durchgewinkt. Nun stehen die Beratungen im Bundestag an. Voraussichtlich zum 1. Januar 2019 kommt die neue Brückenteilzeit. Zwar sind Kleinbetriebe von der Neuregelung ausgenommen, doch viele Mittelständler müssen sich darauf einstellen, dass deutlich mehr Mitarbeiter als bisher Teilzeit arbeiten möchten. Der gesetzliche Anspruch auf Rückkehr in den Vollzeitjob zwingt Betriebe, ihren Personaleinsatz vorausschauend zu planen. Juristen rechnen zudem mit vielen arbeitsgerichtlichen Prozessen, weil rechtliche Fragen im Entwurf ungeklärt bleiben. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu den geplanten Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz. 1 Gibt es ein Recht auf Teilzeit? Schon heute haben Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch darauf, die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit dauerhaft zu reduzieren. Dies gilt auch für befristet Beschäftigte und Minijobber. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens sechs Monaten besteht und das Unternehmen mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt. Wer seine Arbeitszeit später wieder aufstocken oder Vollzeit arbeiten möchte, hat es nach derzeitiger Rechtslage jedoch schwer. Ein Rückkehrrecht in eine Vollzeitstelle gibt es bisher nicht. Mitarbeiter sind auf die Kulanz ihres Arbeitgebers angewiesen. Zwar muss der Chef Teilzeitbeschäftigte bei der Besetzung einer freien Stelle bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigen. In der Praxis kehren jedoch viele Mitarbeiter, meist Frauen, nicht in einen Vollzeitjob zurück. Politiker sprechen von der "Teilzeitfalle". 2 Was ändert sich künftig? Die Bundesregierung möchte das Teilzeit- und Befristungsgesetz ändern und darin ein Recht auf "befristete Teilzeit" verankern. Damit bekommen Beschäftigte den Anspruch, nach einer Teilzeitphase von einem bis maximal fünf Jahren wieder in eine Vollzeitstelle zurückkehren zu können. Mitarbeiter müssen die Brückenteilzeit mindestens drei Monate vorher schriftlich bei ihrem Arbeitgeber beantragen. Gründe müssen sie nicht angeben. Widerspricht der Arbeitgeber diesem Antrag nicht schriftlich bis spätestens einen Monat vor dem Wunschtermin, gilt der Antrag als genehmigt. Während der vereinbarten Teilzeitphase können Mitarbeiter keine weiteren Änderungen der Arbeitszeiten verlangen. Sie haben keinen Anspruch darauf, ihre Arbeitszeiten zu verringern, zu verlängern oder wieder in Vollzeit zu arbeiten. Kehren Beschäftigte nach der Brückenteilzeit wieder in den Vollzeitjob zurück, dürfen sie frühestens nach einem Jahr eine erneute Reduzierung ihrer Arbeitszeit beantragen. 3 Wer hat grundsätzlich Anspruch auf befristete Teilzeit? Das hängt von der Betriebsgröße ab. "Uneingeschränkt gilt der Anspruch auf Brückenteilzeit nur, wenn regelmäßig mehr als 200 Mitarbeiter im Betrieb beschäftigt werden", erklärt der Fachanwalt für Arbeitsrecht Tobias Mayer. Kleinbetriebe mit bis zu 45 Beschäftigten sind von der Regelung ausgenommen. Für Unternehmen, die zwischen 46 und 200 Mitarbeiter beschäftigen, gibt es eine Zumutbarkeitsgrenze: "Sie müssen pro angefangenen 15 Arbeitnehmern lediglich einem Mitarbeiter Brückenteilzeit gewähren", sagt Mayer. "In einem Unternehmen mit 90 Mitarbeitern können also höchstens sechs Arbeitnehmer diesen Anspruch durchsetzen", erklärt der Partner der Kanzlei Baumann Mayer Seidel & Partner. 4 Wie funktioniert das in der Praxis? Arbeitgeber bewegen sich auf rechtlich unsicherem Terrain, wenn sie zwischen mehreren Anträgen auf Brückenteilzeit eine Auswahl treffen oder Anträge ablehnen müssen. "Dies ist der Fall, wenn entgegenstehende betriebliche Gründe die Gewährung sämtlicher Anträge nicht zulassen oder in Unternehmen mittlerer Größe die Zumutbarkeitsgrenze überschritten würde", sagt Rechtsanwalt Mayer. In der Begründung des Gesetzentwurfes ist von einer Auswahlentscheidung nach "billigem Ermessen" die Rede. Diese müsse sämtliche Umstände abwägen und die Interessen angemessen berücksichtigen. Was das im Einzelfall konkret heißt, darüber werden Gerichte entscheiden. Mayer rechnet mit vielen arbeitsrechtlichen Prozessen. Ungeklärt sei zudem, ob Leiharbeitnehmer und wie Teilzeitbeschäftigte bei der Berechnung der Schwellenwerte zu berücksichtigen sind. 5 In welchen Fällen dürfen Arbeitgeber Teilzeitwünsche ablehnen? Soll die Teilzeitphase weniger als ein Jahr oder länger als fünf Jahre dauern, dürfen Arbeitgeber diese immer ablehnen. Darüber hinaus müssen sie dem Wunsch von Mitarbeitern nicht stattgeben, wenn dringende betriebliche Gründe dagegensprechen - beispielsweise, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Haben bereits mehrere Mitarbeiter ihre Arbeitszeit reduziert, kann auch dies ein Grund sein, weitere Teilzeitwünsche abzulehnen. Chefs sollten dies notfalls vor Gericht begründen können, denn die Beweispflicht liegt beim Arbeitgeber. 7 Was ist mit Mitarbeitern, die bereits in Teilzeit arbeiten? Der Gesetzentwurf bringt auch für diese Beschäftigten Erleichterungen, wenn sie ihre Arbeitszeit wieder aufstocken möchten. Weist eine Teilzeitkraft, die gerne mehr arbeiten möchte, auf einen aus ihrer Sicht für sie geeigneten Arbeitsplatz im Betrieb hin, können Chefs diesen Wunsch nicht so einfach abweisen. Arbeitgeber müssen es begründen und im Streitfall auch vor Gericht beweisen können, wenn sie eine - angeblich freie - Stelle nicht mit dem Mitarbeiter besetzen, der wieder Vollzeit arbeiten möchte. Die Beweislast verlagert sich auf den Chef. Er muss nachweisen, dass es sich nicht um einen freien Arbeitsplatz handelt oder ein anderer Bewerber besser geeignet ist. 8 Was bedeutet die Brückenteilzeit für die Personalplanung der Betriebe? Sie wird mit Sicherheit schwieriger. "Wenn das Gesetz kommt, müssen Arbeitgeber künftig weit mehr Rückkehrer berücksichtigen, als dies bislang durch Eltern- und Pflegezeit der Fall war", ist Arbeitsrechtler Mayer überzeugt. Das funktioniert nur, wenn Mittelständler ihren Personalbedarf vorausschauend planen. Mitarbeiter beantragen die Brückenteilzeit drei Monate vor deren Beginn - wenig Vorlaufzeit für die Betriebe: "Sie müssen relativ kurzfristig nach Überbrückungsmöglichkeiten suchen und haben nicht viel Zeit, sich auf die veränderte Personalsituation einzustellen", sagt Mayer. 9 Müssen Chefs für Rückkehrer aus der Brückenteilzeit neue Stellen schaffen? Im Idealfall haben Arbeitgeber vorausschauend geplant, sodass Beschäftigte nach Ablauf ihrer Teilzeitphase wieder in ihren Vollzeitjob zurückkehren können. Hat der Chef keine passende Stelle zu vergeben, muss er jedoch keinen neuen Arbeitsplatz für den Rückkehrer schaffen. Ursprünglich war vorgesehen, dass der Arbeitgeber genau begründen und nachweisen muss, weshalb er dem Mitarbeiter keine volle Stelle anbieten kann. "Der Gesetzesentwurf wurde in diesem Punkt entschärft", erklärt Rechtsanwalt Mayer. "Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt demnach ausdrücklich nur vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen." Es liegt also in der unternehmerischen Freiheit, ob Chefs eine freie Stelle besetzen oder nicht. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Arbeitsrecht" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Gesetzgebungsverfahren Wie geht es weiter mit der Brückenteilzeit?Der Bundesrat hat am 6. Juli den Gesetzentwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil ohne Änderungswünsche akzeptiert und an den Bundestag weitergeleitet. Nach der Sommerpause wird das Parlament erstmals darüber beraten. Nach der dritten Lesung und Verabschiedung im Bundestag befasst sich der Bundesrat nochmals abschließend mit dem Entwurf. Es ist wahrscheinlich, dass das gesetz diesen Herbst die parlamentarischen Hürden nimmt und mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen wird. Es soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten und gilt damit für Teilzeit-Arbeitsverträge, die ab diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden. sah

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