Interview: „Noch nie dagewesene Effekte“

Die Entwicklung der Palettenpreise hängt an komplexen Rahmenbedingungen, die über den aktuellen Kurs für Schnittholz weit hinausgehen. Markus Kirschner, Geschäftsführer des Bundesverbands Holzpackmittel Paletten Exportverpackung (HPE), erklärt die aktuellen Herausforderungen für die Holzpackmittelbranche und gibt einen Ausblick auf die künftige Preisentwicklung Wie haben sich die Produktionszahlen von Paletten zuletzt entwickelt? In den ersten drei Quartalen 2021 wurden in Deutschland knapp 92 Millionen Paletten aus Holz produziert, was eine Steigerung um 10,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ausmacht. Der Wert stieg dabei um 55,7 Prozent auf 973 Millionen Euro, was auf die stark gestiegenen Schnittholzpreise in den vergangenen Monaten zurückzuführen ist. Die Stimmung in der Paletten- und Holzpackmittelbranche ist also gut? Bedingt. Die wirtschaftliche Lage der Holzpackmittelbranche ist schließlich eins zu eins mit der des produzierenden Gewerbes in Deutschland gekoppelt. Dies liegt an der engen Verflechtung mit allen Industrien in Deutschland, wie zum Beispiel Automotive, Chemie, Pharma, Elektro, Papier, Brauereien und Getränke oder Lebensmittel. Ein hergestelltes Produkt muss fast immer auch transportiert werden. Wie gut es der deutschen Wirtschaft geht, lässt sich deshalb zuallererst an der Palettenproduktion ablesen. Derzeit sieht sich die Paletten- und Holzpackmittelbranche aber neben den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie weiterhin mit hohen Materialpreisen und unsicheren Rahmenbedingungen konfrontiert. Können Sie das konkretisieren? Für reibungslose Produktionsprozesse sind zuverlässige Lieferzeiten von enormer Bedeutung. Die Lage auf dem Holzmarkt und die Preisentwicklungen wichtiger Sortimente waren eine echte Belastungsprobe für die Betriebe und stellten eine bedrohliche Versorgungs- und Absatzkrise dar. Das schlug sofort auf die Liquidität sowie die Produktions- und Lieferfähigkeit durch. Das betraf die Versorgung mit Schnittholz, Holzwerkstoffe, wie auch mit Stahlträgern und -bändern sowie Nägeln und Schrauben gleichermaßen. Durch die stockende Chipproduktion stehen nicht nur die Bänder in der Automobilindustrie und deren Zulieferern still. Die Halbleiter-Krise hat schwere Auswirkungen auf alle Hersteller von Maschinen und Anlagen. Faktisch bedeutet sie daher auch einen deutlichen Dämpfer für die Hersteller von Paletten, Exportverpackungen und Kabeltrommeln. Einen weiteren Beitrag leistet derzeit die Containerknappheit und die mangelnden Abfertigungskapazitäten in den Häfen. Die Palettenpreise bewegten sich im letzten Jahr auf Rekordniveau. Was ist da passiert? Über alle Materialien, Sortimente und Produktgruppen hinweg herrschte eine mehr als angespannte Versorgungslage. Das betraf die zur Aufrechterhaltung der Produktion drei essenziellen Bereiche: Verfügbarkeit, Lieferzeit, Preis. Ausfuhren nach China und in die USA haben die Holzverfügbarkeit in den vergangenen Monaten drastisch verschärft. Bestimmte Schnittholzsortimente und Holzwerkstoffe, wie Sperrholz und OSB-Platten, waren kaum verfügbar. Getrieben durch die Preisspirale in den USA zogen hierzulande die Preise für Schnittholz, Holzwerkstoffe und Palettenklötze rasant und in ungeahnte Höhen an. Von den Aussichten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten angespornt, suchten viele Lieferanten auch aus dem übrigen Europa ihr Glück in den USA. Das führte trotz weiter gesteigerten Sägewerksleistungen zu deutlich gestiegenen Exporten, weiteren Preissteigerungen, Hamstereffekten und letztlich in eine Preisspirale. Parallel brachen Lieferketten aus Osteuropa durch Corona und die Reisebeschränkungen zusammen. Wirtschaftlich als auch politisch war und ist eine Orientierung in Richtung China feststellbar. Die Effekte waren noch nie dagewesene. Einige Betriebe der Paletten- und Holzpackmittelindustrie mussten für ihre Kunden Obergrenzen einführen und konnten nur noch feste Kontingente liefern. Die meisten konnten keine neuen Kunden mehr annehmen. Haben auch politische Faktoren Einfluss auf die Verfügbarkeit des Rohstoffs? Die geplanten Flächen-/Nutzungsstillegungen der neuen Regierung mit der einhergehenden Diskussion, ob Holznutzung eine Ökosystemleistung ist oder nicht, bringen Unsicherheiten mit sich. Für die gesamte Holzbranche sowie den Wissenschaftlichen Beirat für Waldpolitik ist das so, für die neue Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Silvia Bender, nicht. Unser Standpunkt lautet: Nur durch Holznutzung bleibt CO2 langfristig gebunden. Durch Kaskadennutzung, d.h. Paletten werden am Ende ihres Lebens zu Spanplatten für den Haus- und Innenausbau sowie für Möbel, wird diese Speicherwirkung nochmals verlängert, um dann nach mehreren Nutzungskaskaden fossile Energieträger zu ersetzen. Wir werden weiterhin gemeinsam mit den jeweiligen Verbänden bei der Politik auf die Bedeutung der Holzpackmittelindustrie für die Sicherung der Grundversorgung der Bevölkerung, der Kritis-Sektoren sowie der inländischen als auch der Exportindustrie hinweisen und auf ein wirtschaftlich sinnvolles Gleichgewicht zwischen Ökologie, Ökonomie und soziokulturellen Aspekten hinwirken müssen. Der Holzmarkt ist aber mittlerweile ein globaler - auf dem der Bedarf weltweit steigt. Von wo aus wird die globale Nachfrage gesteuert? Auswirkungen wird das seit Januar geltende Rundholzexportverbot aus Russland haben, von wo China bisher große Mengen bezogen hat und sich nun auf dem Weltmarkt umsehen muss. Das wiederum beeinflusst Mengen und Preise zusätzlich, auch wenn die EU bei der WTO gegen die russischen Beschränkungen vorgeht. In den USA steigt der Bedarf nach Bauholz wieder spürbar. Gleichwohl haben die US-Sägewerke ihre Kapazitäten nur geringfügig ausgebaut. Für die Lieferanten der Holzpackmittelindustrie bedeutet dies wahrscheinlich steigende Volatilitäten. Andererseits wird auch die Forcierung des Holzbaus an seine Grenzen stoßen, wie im letzten Jahr schon geschehen: die Baukosten sowohl für private Bauherren als auch für Investoren sind nicht mehr zu stemmen, Stein und Beton trotz negativer Klimamerkmale einfach kostengünstiger. Das wird für Entspannung am Holzmarkt sorgen. Es sei denn, die Politik stockt die Holzbauförderungen massiv auf. Wie lautet Ihre Prognose für die Holzpreise in diesem Jahr? Der vom HPE in Zusammenarbeit mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ermittelte Holzpreis-Index hat sich im Januar erstmals wieder nach oben bewegt, nachdem es im Oktober/November 2021 einen sichtbaren Rückgang gegeben hat, gleichwohl auf sehr hohem Niveau. Wie sich das weiterentwickeln wird, lässt sich schwer abschätzen. Aktuell scheint sich ein gewisses Gleichgewicht eingependelt zu haben, mit gemäßigter Tendenz nach oben. Auch wenn sich der Index im Februar weiter nach oben bewegt, sehen wir derzeit keine hohen zweistelligen Zuwächse wie letzten Sommer. Wir rechnen also weder damit, dass sich die Preise wieder nach unten bewegen, noch erwarten wir neue Rekordpreise. (mh)

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