Die Deutsche Bahn könnte nach der Bundestagswahl aufgespalten werden. Die Union plant, den bundeseigenen Konzern unter einem möglichen Kanzler Friedrich Merz komplett umzukrempeln und den Betrieb und die Infrastruktur voneinander zu trennen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ging deswegen Anfang der Woche in Berlin auf die Straße und warnte von einem „fundamentalen Angriff auf unsere Arbeitsplätze“. Die Pläne würden bedeuten, dass sich „auf Kosten der Beschäftigten die Interessen der neoliberalen Wettbewerbslobby“ durchsetzen würden, kritisierte EVG-Chef Martin Burkert bei der Kundgebung, die vom Kanzleramt vorbei am Hauptbahnhof bis zum Bahntower am Potsdamer Platz führte.
Infrastruktur- und Transportbereich trennen
Die Union will den DB-Konzern mittelfristig anders aufstellen. „Klar ist für uns, dass die Bahn vom Kopf auf die Füße gestellt werden muss, wenn sich Verbesserungen ergeben sollen“, teilt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Verkehr, Ulrich Lange (CSU), der „Deutschen Presse-Agentur“ mit.
Die Bahn und „ihre unzähligen Beteiligungen und Tochtergesellschaften“ sollten aufgelöst werden, Infrastruktur- und Transportbereich sollten voneinander getrennt und das Schienennetz solle analog zur Autobahn in eine bundeseigene, weisungsgebundene GmbH überführt werden. „Der Bund bekommt dadurch einen stärkeren Zugriff auf den Aus-, Neu- und Umbau der Schieneninfrastruktur“, argumentierte Lange. Die Vorgaben des Bundes müssten umgesetzt werden.
„Die Tatsache, dass die DB sich mit dem Zugverkehr nur noch auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und sich gegenüber anderen Anbietern behaupten muss, wird insgesamt die Performance auf der Schiene verbessern“, betont Lange.
Nach Ansicht von Verkehrsminister Volker Wissing (parteilos) würde eine Aufspaltung des Bahn-Konzerns die Probleme des Unternehmens jedoch nicht lösen. Wissing sagte der „Deutschen Presse-Agentur“: „Statt auf das Organigramm, sollten sich daher alle darauf konzentrieren, das Sanierungsprogramm weiter konsequent durchzuziehen. Denn der Kern des Problems liegt in der über die letzten Jahrzehnte kaputtgesparten Infrastruktur.“
Reformen: DB InfraGo und Generalsanierung
„Wir stehen vor den Scherben von 20 Jahren Eisenbahnpolitik“, sagte Bahnexperte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin. „Die Eisenbahn ist in dieser Struktur nicht mehr zukunftsfähig.“ Irgendwas muss sich also ändern. Nur was? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Bereits unter der alten Bundesregierung gab es eine kleine Reform. Die Netzsparte wurde umbenannt und soll sich nun stärker am Gemeinwohl ausrichten. Sie verbleibt aber als DB InfraGo unter dem Dach des Gesamtkonzerns. Mit einer umfassenden Generalsanierung Dutzender vielbefahrener Strecken will die neue Gesellschaft die Pünktlichkeit in den nächsten Jahren allmählich in den Griff bekommen. Vielen Fachleuten geht das nicht weit genug.
Bahnexperte Böttger sagt, grundsätzlich sei er für eine „Organisationsreform“ des Unternehmens. „Aber die Eisenbahn wird dadurch nicht automatisch besser. Die Probleme, die sich über Jahre aufgestaut haben, gehen dadurch nicht automatisch weg.“
Ähnlich sieht es die EVG. „Was es wirklich braucht, sind dauerhaft mehr Investitionen in die Schieneninfrastruktur, um den Verschleiß, der sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, wieder abzubauen“, sagte Gewerkschaftschef Burkert. Mit einer grundlegenden Umstrukturierung werde das Problem der Unterfinanzierung nicht gelöst.
Eine Organisationsänderung verursacht Unruhe
Bahnexperte Böttger sagt allerdings auch: „Die DB ist als großer, monolithischer Klotz politisch so mächtig, dass sie ihrem Eigentümer auf der Nase herumtanzt.“ Deshalb habe der Eigentümer auch keinen Zugriff auf die Infrastrukturgesellschaften. „Die Bahn wäre möglicherweise besser steuerbar, wenn man getrennte Gesellschaften hätte.“
Dennoch sieht Böttger in einer Trennung von Netz und Betrieb kurzfristig nicht zwingend die Lösung. Er warnt, dass jede Organisationsänderung erhebliche Unruhe verursache. „Wenn man sich anguckt, in welchem schlechten Zustand die Bahn heute ist, muss man zumindest die Frage stellen, ob eine komplette Trennung derzeit umsetzbar ist.“
Stattdessen plädiert er zunächst dafür, mit zwei kleineren Schritten in die Trennung einzusteigen: die Aushebung der Beherrschungsverträge und mehr Transparenz bei den Finanzen. „Derzeit ist es ja so, dass vor allem die DB ihre Leute in den Aufsichtsrat der Infrastruktur schickt, nicht der Staat. Wenn man die Beherrschungsverträge aufheben würde, dann könnte die Politik selbst Aufsichtsräte bestimmen.“ Zudem käme laut Böttger mehr Transparenz in die Finanzströme.