Nicht in die Cash-Falle tappen

Traurig, aber wahr: In keiner Branche ist das Pleiterisiko so groß wie in der Logistik. 13,3 Prozent der Unternehmen sind hier von einem Zahlungsausfall bedroht, hat die Wirtschaftsauskunftei Crif Bürgel ermittelt. Dabei laufen viele Pleiten nach dem gleichen tragischen Muster ab: Die Geschäfte des Betriebs gehen an sich gut, die Auftragsbücher sind voll, doch plötzlich rutscht ein Großkunde in die Krise und zögert seine Zahlungen hinaus. Damit beginnt eine Abwärtsspirale: Um die eigenen Rechnungen weiter bezahlen zu können, muss das Transport- und Speditionsunternehmen seinen Kontokorrentkredit ausreizen. Hohe Zinsen fallen an, die finanzielle Lage verschlimmert sich - bis der Betrieb in die Insolvenz rutscht. Professionelles Cash Management (auch Liquiditätsmanagement genannt) verhindert solche Abstürze und rüstet den Betrieb für schlechte Zeiten. Es ist kein Hexenwerk, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen flüssig bleibt. Schritt eins: den Überblick behalten. Welche Kunden haben schon bezahlt, wo sind Rechnungen offen, wie viele Barmittel stehen zur Verfügung? Diese Informationen sollten mit wenigen Mausklicks zur Verfügung stehen. Doch schon die Frage nach den aktuellen Außenständen können viele Betriebe nicht beantworten. "Ich habe erlebt, dass dann der Aktenordner aus dem Schrank geholt wird und man den Taschenrechner zückt", sagt Daniel Giel von der Beratungsfirma "Die Speditionsexperten" in Köln. Er rät, alle Zahlungsströme elektronisch zu überwachen, entweder in einer eigenen Software oder notfalls mit einer Excel-Tabelle. Wie viele Mittel zur Verfügung stehen, sollte auf einen Blick ersichtlich sein, ohne dass man zum Taschenrechner greifen muss. Schritt zwei: seriös planen. Das Ziel von Cash Management ist es, den Bargeldbestand stets so hochzuhalten, dass alle Rechnungen sicher beglichen werden können. Das geht natürlich nur, wenn auch kommende Einnahmen berücksichtigt werden. Bei dieser Finanzplanung ist Realismus gefragt. "Oft werden zu optimistische Annahmen zu den Umsätzen und dem Zahlungsverhalten der Kunden gemacht", weiß Christian Groschupp, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner, die auf Familienbetriebe spezialisiert ist. Kunden-Bonität regelmäßig überprüfen Ein typischer Fehler liegt darin, anzunehmen, dass sich der Geschäftspartner an die Zahlungsziele auf der Rechnung hält. Das ist gerade im Transportgewerbe nicht selbstverständlich. Daher gehört zu einer Finanzplanung, sie regelmäßig zu aktualisieren und an die Realität anzupassen. "Stellen Sie Soll-Ist-Vergleiche an, damit Sie Abweichungen im Zahlungsverhalten der Kunden erkennen und in Zukunft einkalkulieren können", rät Groschupp. Kleine Betriebe, die nicht genug Personal haben, um die Liquiditätsplanung durchzuführen, sollten sich Unterstützung holen. "Zum Beispiel von einem Steuerberater, der branchenaffin ist und sich mit Themen wie Mautkosten auskennt, oder von einem spezialisierten Berater", rät Experte Giel, der Transportbetriebe unterstützt, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind. Schritt drei: den Zufluss von Mitteln verbessern. Cash Management bedeutet nicht nur Kontrollieren und Planen, sondern strahlt in alle Aspekte der täglichen Arbeit aus. Das beginnt schon bei der Auftragsannahme. "Überprüfen Sie grundsätzlich die Bonität der Kunden", rät Berater Groschupp. Dienstleister wie Creditreform, Creditsafe oder Crif Bürgel bieten über das Internet Schnellauskünfte zu Firmen an. Außenstände im Blick haben Darin werden Umsatzklasse und Zahl der Mitarbeiter aufgeführt sowie die sogenannte Risikoklasse des Betriebs. Sie wird in den Stufen I bis VI angegeben und zeigt an, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Firma ihre Rechnungen nicht bezahlt. Die Risikoklasse II etwa entspricht einer Ausfallwahrscheinlichkeit zwischen 0,3 und 0,7 Prozent, was ein guter Wert ist, da der Bundesdurchschnitt bei 1,8 Prozent liegt. Eine Kurzauskunft kostet bei Creditreform 15 Euro, eine reduzierte Ampel-Auskunft (Bonität im roten, gelben oder grünen Bereich) 9,50 Euro. Bei mehreren Abrufen fallen die Preise. Wichtig ist, die Bonitätsdaten regelmäßig zu aktualisieren, auch bei Bestandskunden. Das Argument "der/die hat immer gezahlt" darf nicht gelten. Ansonsten drohen riskante Situationen wie diese: Ein guter Kunde erteilt weiter neue Aufträge, obwohl er seine alten nicht bezahlt hat. Die Summe der Außenstände steigt - weit über das hinaus, was die Kreditversicherung abdeckt. Trotzdem drückt die Geschäftsleitung weiter ein Auge zu. Groschupp warnt vor so viel Nachgiebigkeit. "Das ist falsch verstandene Kundenorientierung." Deutet sich an, dass ein Geschäftspartner Bonitätsprobleme hat, sollten neue Aufträge konsequent abgelehnt werden. Mit Verbesserungen bei der Rechnungstellung lässt sich die Liquidität ebenfalls erhöhen. Wichtig ist vor allem, Rechnungen zügig zu versenden. "Das geht nur, wenn der Auftragsprozess ohne Medienbrüche abläuft", erklärt Groschupp. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass die Rechnungen vollständig und korrekt sind. "Ein großer Teil ist anfechtbar", weiß Giel aus der Praxis. Oft fehlten zum Beispiel Angaben zu den Lademitteln. Solche Mängel führen dazu, dass ein Schuldner die Rechnung vor Gericht anfechten kann. Und Firmen, die in finanziellen Schwierigkeiten stecken, nutzen diese Möglichkeit gerne, um sich Zeit zu verschaffen. Kreditversicherung abschließen Für den Geldfluss ist es am besten, mit Kunden eine schnelle Zahlung zu vereinbaren. Faustregel: Je schlechter die Bonität des Kunden, desto schneller muss er seine Rechnung zahlen. Dieser Tipp ist zwar oft zu lesen, lässt sich aber in der Praxis selten umsetzen. "Welche Zahlungsziele ein Dienstleister durchsetzen kann, hängt von seiner Machtposition und den Verhältnissen auf dem Markt ab", weiß Groschupp. Hier und da könne es sich zwar lohnen, das Thema Zahlungsziele anzusprechen, doch kürzere Zeiträume seien oft nicht zu erreichen. Auf jeden Fall lohnt es sich, bei größeren Kunden oder längeren Geschäftsbeziehungen eine Kreditversicherung abzuschließen. Kommt es dann zu einem Zahlungsausfall, springt diese ein. "Zudem entsteht so ein gewisser Druck auf den Kunden", ergänzt Experte Giel. Muss die Kreditversicherung in Anspruch genommen werden, wird das nämlich in einem öffentlichen Bonitätsregister eingetragen und der Schuldner könnte bei Kreditanträgen künftig Probleme bekommen. Mit diesem Risiko vor Augen ist der Debitor eher geneigt, die Rechnung fristgerecht zu zahlen. Aufholbedarf bei offenen Forderungen Ein Instrument, das einen schnellen Geldzufluss verspricht, ist das Factoring (siehe Kasten unten). Lange Zeit war Factoring nur etwas für große Firmen, inzwischen können dank einfacher Internet-Angebote auch kleine Betriebe das Instrument nutzen. Giel rät, genau nachzurechnen, ob sich Factoring lohnt, und diese Option diszipliniert einzusetzen. "Es besteht die Gefahr, dass mit Factoring ein Liquiditätsproblem nur aufgeschoben wird." Eine wichtige Stellschraube, um den Betrieb flüssig zu halten, ist der professionelle Umgang mit offenen Forderungen. Hier haben viele Transportbetriebe Aufholbedarf. Die üblichen Fehler: Man gibt keine oder zu lange Zahlungsziele an, keiner prüft, ob Zahlungen eingehen, und gemahnt wird viel zu spät. An all diesen Punkten lässt sich ansetzen (siehe Kasten Seite unten). Wichtig sei im Mahnwesen vor allem Disziplin, betont Giel. "Alle Kreditoren müssen gleich behandelt werden, egal ob man sich kennt oder nicht." Die Serie So machen Sie Ihr Unternehmen krisenfest- Warnsignale im Unternehmen dank Kennzahlen richtig deuten (VR 19/2019)- So geraten Sie nicht in die Cash-Falle- Kostentreiber identifizieren und eliminieren (VR 21/2019)- Restrukturieren - Weichen richtig stellen (VR 22/2019)- Fünf Wege zu mehr Umsatz (VR 23/2019) Praxislösung Der Ärger der Spedition Eder mit einem säumigen KundenWie schwierig es zuweilen ist, dass Kunden ihre Rechnungen bezahlen, weiß Tobias Dechant, Kaufmännischer Leiter der Spedition Eder in Unterneukirchen. 50 Mitarbeiter und 40 Lkw hat das Unternehmen, das sich auf Transporte im Nah- und Fernverkehr spezialisiert hat. Bei einem Kunden (Name der Red. bekannt) wartet er bis heute noch auf das Geld. Dabei hatte Dechant, wie bei allen Neukunden, zuvor eine Bonitätsauskunft über den potenziellen Auftraggeber eingeholt. Dessen Bonität wurde zwar mit"gut" bewertet, allerdings mit dem Hinweis, dass die Zahlungsziele um 31 Tage überschritten werden.Insgesamt fünf Monate arbeitete die Spedition mit diesem Hersteller. Beide Seiten waren sehr zufrieden. Allerdings bezahlte der Kunde nie nach zehn Tagen die Rechnung, wie er das ursprünglich der Spedition zugesichert hatte. "Monate später schlug uns der Kunde vor, wann er welche Rechnung bezahlen wollte, aber ohne Angabe von Gründen", erinnert sich Dechant. Selbst das waren aber nur leere Versprechungen, wie sich herausstellte. Schließlich zog der kaufmännische Leiter der Spedition die Notbremse und schaltete ein Inkassobüro ein. Aber auch das half nicht weiter. Warum nicht, erfuhr Dechant zwei Monate später: Da meldete der Kunde Insolvenz an.19.000 Euro netto schuldet die Firma der Spedition Eder. "Wir sind eine kleinere Firma. Das ist für uns viel Geld", sagt er. Auch deshalb wolle Eder nun gegen den Kunden wegen Insolvenzverschleppung klagen."Viel Hoffnung, mit der Klage durchzukommen, haben wir nicht", räumt er ein."Und wenn, dauert das etliche Jahre. Und dann bekommen wir wohl nur einen Bruchteil der offenen Summe." Wichtig sei aber, dass die handelnden Personen überhaupt verurteilt werden, um solche Geschäftsgebaren für andere Kunden zu unterbinden.Hat sich für Dechant die Krise dieses Kunden abgezeichnet?"Misstrauisch wurde ich spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Ansprechpartner unseres Kunden nicht mehr erreichbar waren", sagt er."Da aber war es schon zu spät." Gleichwohl habe die Spedition keine weiteren Aufträge dieses Kunden mehr angenommen. Zudem habe er geprüft, einen Mahnbescheid zu beantragen. Ein dazu kontaktierter Fachanwalt habe aber davon abgeraten, weil die Gerichte derzeit überlastet seien. Zudem seien die Kosten recht hoch und die Erfolgsaussichten recht niedrig. Gelernt hat Dechant dabei vor allem eines: "Vorsicht bei Kunden - egal welcher Name dahinter steht." Außerdem werde er in Zukunft Mahnverfahren bei Kunden noch konsequenter angehen - vor allem alles schriftlich abwickeln. Schlussendlich wird die Spedition Eder künftig auch mit einem Factoring-Partner zusammenarbeiten."Dann erhalten wir binnen 24 Stunden unser Geld", nennt Dechant die Vorteile."Und im Vergleich zu einem Kontokorrentkredit ist Factoring nicht wirklich teurer in den Konditionen." eh

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