Nachträglich verstromt

Strom als Antriebsquelle hatte im Jahr 2003, aus dem die Grundkonstruktionen des (noch aktuellen) Caddy und Transporter T6.1 stammen, bei Volkswagen noch niemand im Fokus. In diese auf Verbrennungsmotoren optimierten Konzepte nachträglich einen Elektroantrieb zu "tüfteln", lohnt sich für einen Automobilriesen wie VW nicht. Stattdessen greift man auf die kompetente Hilfe von ABT zurück. Das Kemptener Unternehmen, bislang vorrangig als hochpreisiger Edeltuner für die Pkw-Konzernprodukte bekannt, baut sich mit der Elektrifizierung der beiden Transporterbaureihen ein weiteres Standbein auf. Und bringt allein schon durch sein Engagement in der Rennserie Formel E viel Know-how mit. Für die Verstromung des ungleich bodenständigeren Transporter-Projekts sah sich ABT nach eigener Aussage in den weltweiten Regalen der E-Komponentenzulieferer um. Modelle mit langem Radstand Grundlage sind bei beiden VW-Modellen die Varianten mit langem Radstand, die genügend Platz für die unterflur montierte 37,3-kWh-Batterie bieten, deren Kapazität beim Caddy für 159 Kilometer genügen soll. Geboren werden die Stromer allerdings als herkömmliche Dieselvariante, die im Auftrag von ABT beim Umbaupartner Alko im schwäbischen Günzburg ihres Verbrenners und aller dazugehörigen Komponenten entledigt werden. Mit einer Ausnahme: Das DSG-Getriebe darf bleiben und übernimmt mit seinen ersten vier Gängen (Gänge 1 bis 3 beim T6.1) die Kraftverteilung des im Piek 83, ansonsten 48 Kilowatt leistenden E-Motors von Bosch. Die sanften Gangwechsel nehmen lediglich versierte Fahrer zur Kenntnis, sie sind aber auch der Grund, dass die Rekuperation nach dem Loslassen des Gaspedals mitunter etwas verzögert eingeleitet wird, weil die Elektronik zunächst noch eine niedrigere Fahrstufe anwählt. Bewusst verzichtet hat ABT auf mehrere verschieden starke Rekuperationsmodi à la Mercedes-Benz eVito, die laut den Kemptenern kaum ein Fahrer sinnvoll einsetzen würde. Die gewählte Rekuperationsstärke erweist sich aber zumindest bei leerem Frachtabteil als ausreichend kräftig, um den Caddy weitestgehend ohne Bremspedal durch die Stadt zu steuern. Ansonsten gibt sich der ABT-Caddy Elektrotransporter-typisch unspektakulär. Die 48 Kilowatt genügen zum Mitschwimmen überland und im Stadtverkehr völlig, für eilige Lieferungen ließe sich zur Not noch der S-Modus über den DSG-Wahlhebel ansteuern, in dem der Stromer 200 Newtonmeter Drehmoment und erwähnte 83 Kilowatt bereitstellt. Wahlweise bei Tempo 90 oder 120 endet in beiden Fahrmodi der Vortrieb, dann dürfte es mit der Reichweite allerdings nicht mehr weit her sein. Nachgeladen wird mit Wechselstrom (AC) per 7,2 kW-Anschluss, was laut ABT nach höchstens vier Stunden erledigt ist. Oder man nutzt den 50-Kilowatt-Gleichstrom-Anschluss, der in 50 Minuten bis zu 80 Prozent der Batteriekapazität wieder herstellt, aber bekanntermaßen der Lebensdauer des Akkus, auf die VW und ABT acht Jahre oder 160.000 Kilometer gewähren, wenig zuträglich ist. Jährliches Serviceintervall Dem Umbaukonzept geschuldet: Für die Unterbringung der Ladeanschlüsse nutzt ABT die vorhandenen Tankstutzen. Kann man sich mit deren Position beim T6.1 hinter der Fahrertür noch arrangieren, ist es durch die beim Caddy am linken Fahrzeugheck untergebrachte Klappe an kaum einer Ladesäule möglich, ohne umfangreiches Kabelverlegen anzudocken. In der Werkstatt andocken müssen E-Caddy und E-T6.1 bis auf Weiteres jährlich und dürfen dafür jeden für Elektromobilität autorisierten VW-Servicestützpunkt anlaufen. Dort bezieht sich das Programm in den ersten Jahren vorrangig auf Sichtprüfungen der Komponenten. Ebenfalls zuständig ist der VW-Partner für Bestellung und Auslieferung. Nur als Leasing-Modell ab 293 Euro monatlicher Rate lassen sich die Kastenwagen- und Kombi-Modelle des ABT-Caddy finanzieren. Der als Kastenwagen, Kombi, Caravelle und Doppelkabinen-Pritsche lieferbare ABT-T6.1 ist dagegen auch ab 44.990 Euro kaufbar, oder man überweist im Leasing mindestens 459 Euro Monatsrate. Eine lange Produktionszeit wird zumindest dem ABT-Caddy aber wohl nicht vergönnt sein. Schließlich ist der komplett neu entwickelte Nachfolger bereits präsentiert (siehe VR 10/2020) und findet in der zweiten Jahreshälfte auf den Markt. Bis zum Ende des Jahres und mit Lagerfahrzeugen auch noch etwas darüber hinaus soll der alte Caddy aber zu haben sein und damit noch "Futter" für ABT zur Verfügung stellen. Ab dann müssen Interessenten zwangsweise zum T6.1 greifen, wenn sie ein vollelektrisches VW-Nutzfahrzeug unterhalb des Crafter haben wollen. Mehr zum Thema finden Sie unter #HybridundElektro www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze In die bestehenden Konzepte von Caddy und T6.1 noch einen E-Antrieb zu implementieren, lohnt sich für Volkswagen selbst nicht. Man überlässt das daher dem Umbauer ABT. Das Ergebnis ist durchaus überzeugend. Technische Daten MotorSynchron-Elektromotor, maximale Leistung: 83 kW, Dauerleistung: 48 kW; maximales Drehmoment: 200 NmKraftübertragung & BatterieCaddy: Vier-Gang-Getriebe (DSG); T6.1: Dreigang-Getriebe (DSG); Frontantrieb, unterflur montierte Lithium-Ionen-Akkus, Brutto-Batteriekapazität: 37,3 kWh, Batteriegewicht: 333 kg, Ladeleistung: 7,2 kW (AC) oder 50 kW (DC)

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