München. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter denkt angesichts neuer Abgasmesswerte in der Landeshauptstadt über ein flächendeckendes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge nach. „So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden“, sagte der SPD-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“ (Mittwoch). Betroffen wären je nach angewandter Abgasnorm zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge. Insgesamt haben 295.000 der 720.000 in München zugelassenen Autos einen Dieselmotor.
Hintergrund der Überlegungen sind neue Messwerte vor allem zum giftigen Stickstoffdioxid. Laut SZ-Recherche wird der von der EU zugelassene Mittelwert nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten, sondern auch in weit davon entfernten Gegenden. „Die Ergebnisse sind erschreckend, das hatte niemand so erwartet“, sagte Reiter. Aufgrund der alarmierenden Zahlen müsse nun etwas geschehen, und ihm sei kein anderes adäquates Mittel als ein Fahrverbot bekannt.
Der Streit um die Abgasbelastung in München wird seit geraumer Zeit auch vor Gericht verhandelt. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) klagt, damit die Behörden Maßnahmen zur Einhaltung der vorgeschriebenen Richtwerte umsetzen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte im März einen Beschluss veröffentlicht, wonach die Landeshauptstadt bis zum Ende des Jahres ein vollzugsfähiges Konzept mit einer Liste für Straßen in München präsentieren muss, auf denen Dieselfahrzeuge verboten werden könnten.
Greenpeace warnt vor Kleinstaaterei
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte das von Reiter erwogene Fahrverbot für Diesel-Autos. „Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel“, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup am Mittwoch. „Immer mehr Städte werden einsehen, dass der andauernde Abgasbetrug der Hersteller Fahrverbote unumgänglich macht.“
Der Greenpeace-Experte warnte angesichts der unterschiedlichen Handhabung des Problems in Deutschland vor „verkehrspolitischer Kleinstaaterei“. Um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden, müsse Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seine „Blockade der blauen Plakette“ einstellen. Die Kommunen bräuchten einheitliche Hilfe und die Autobauer ein klares Signal: „Der Diesel hat keine Zukunft mehr.“ (dpa/ag)