Mit Niveau oder k. o.

Es geht immer noch ein bisschen besser: Für die Mehrheit der Unternehmer der Speditions-, Transport- und Logistikbranche ist dieser Leitspruch eine Selbstverständlichkeit. Nie zuvor waren die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an die Dienstleister aber so hoch wie heute.Die Auftraggeber fordern von ihnen, dass sie sich an immer neue und meistens noch strengere Standards halten. Gut soll er sein, der Auftragnehmer, möglichst zuverlässig und vor allem günstig.Branchenverbände reagieren auf TrendWie wichtig Service auf einem nachweislich hohen Niveau im Güterverkehr inzwischen ist, belegen einerseits die Leistungskennzahlen und Standards bezüglich Risikomanagement und Prozessoptimierung, die die vier großen Industrie- und Handelsverbände in den neuen Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB) explizit von Frachtführern und Lagerhaltern verlangen. Andererseits verdeutlicht der Plan des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), durch das Konzept des "Bekannten Transporteurs" die Lieferkette sicherer zu machen, diesen Trend.Treiber der Entwicklung sind vor allem die Konzerne und international aufgestellte mittelständische Unternehmen. Gründe für das zunehmende Qualitätsstreben gibt es zur Genüge: An erster Stelle steht oft die Angst, dass Güter verloren- oder kaputtgehen. Statistisch gesehen passiert dies immer häufiger - vor allem, wenn Geschäfte über das Internet zustande kommen.Weiteren Druck erzeugt die Volatilität bei Preisen, Kosten und der Nachfrage, bedingt durch wirtschaftliche Schwankungen; die Internationalisierung der Lieferkette und in diesem Zusammenhang häufigere Störungen infolge gesellschaftlicher Unruhen sowie die zunehmende Technisierung und Vernetzung, die etwa die Überwachung des Datenaustauschs erschweren.Überdies stellen die Kunden höhere Erwartungen an Produzenten und Händler, was Lieferzeiten, Transparenz und die Umweltverträglichkeit von Sendungen betrifft.Als aktuellen Auslöser nennt Christian Labrot darüber hinaus die strengeren Vorgaben des Gesetzgebers. "Der Staat nimmt die Verlader heute mehr in die Verantwortung als früher und droht mit Strafen, wenn sie nicht für die Einhaltung der Vorschriften in der Lieferkette sorgen", sagt der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL).Beispiele seien die neuen Pflichten der Auftraggeber zur regelmäßigen Kontrolle der Auftragnehmer in puncto Sozialvorschriften im Straßengüterverkehr und der Mindestlohn von 8,50 Euro. "Es ist doch verständlich, dass sich die Verlader absichern wollen, um nicht für die Fehler ihrer Dienstleister haften zu müssen." Bußgelder ließen sich schließlich nur vermeiden, wenn man entsprechende Kontrollen nachweisen könnte.Zertifizierer registrieren QualitätsgefälleNur ein Teil der Dienstleister kann allen Wünschen der Industrie- und Handelsunternehmen nachkommen. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) schätzt, dass sich etwa die Hälfte seiner Mitglieder nach der ISO-Norm 9001 hat zertifizieren lassen, die weltweit Mindestanforderungen für das Qualitätsmanagement in Unternehmen festlegt und branchenübergreifend heute die meistverbreitete Norm ist (siehe Seite 21). Fachleute sprechen aus Erfahrung von einer geringen Quote.Das Niveau in der Speditions-, Transportund Logistikbranche sei sehr unterschiedlich, betont Wolfgang Engel, Projektmanager Auditsysteme bei der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen (DQS). Größere Mittelständler verfügten neben der ISO-9001 üblicherweise über das Umwelt-Management-Zertifikat ISO 14001 und Gütesiegel, die für ihr jeweiliges Gütersegment unerlässlich sind: Sie werben mit Abkürzungen wie IFS, HACCP, SQAS oder GDP und sind gut aufgestellt.Kleine und mittlere Dienstleister stellen die steigenden Qualitätsanforderungen aus Industrie und Handel hingegen vor Herausforderungen. Denn in der Regel beteiligen sich die Verlader nicht an Investitionen in entsprechende Maßnahmen. "Für Selbstverständlichkeiten zahlt keiner extra", betont Labrot - und meint damit eben solche Qualitätsanforderungen, die die gesamte Lieferkette betreffen und in der Regel von oben nach unten weitergegeben werden. "Das sind nicht nur gesetzliche Vorschriften, sondern auch gängige ISO-Standards." Zuschläge gebe es nur für wirklich "geldwerte Vorteile" wie besondere Serviceangebote, die Verladern beim Transport zusätzliche Sicherheit geben, die Abwicklung erleichtern oder Prozesse beschleunigen."Sie wollen möglichst viel Leistung für möglichst wenig Geld", erklärt Michael Bogner, Geschäftsführer des Zertifizierungsdienstes der Straßenverkehrsgenossenschaften (SVG Zert). Trotzdem ist es seiner Meinung nach wichtig, ein bedarfsgerechtes Managementsystem aufzusetzen und das eigene Können schwarz auf weiß nachzuweisen. Es würden zu oft Einzelmaßnahmen ergriffen, ohne ein Gesamtkonzept zu verfolgen.Ein Qualitäts-Controlling diene nicht bloß der Kundenzufriedenheit, Auftragsakquise und Imagepflege, ergänzt Engel. "Auch das eigene Unternehmen profitiert davon, wenn die Fehlerquote sinkt und Arbeitsabläufe in bestimmten Abständen auf Optimierungsmöglichkeiten geprüft werden." Weniger Schäden und effizientere Prozesse machten sich finanziell bemerkbar. Zudem habe das Unternehmen mehr Rechtssicherheit.Gütesiegel allein genügt meistens nichtWer seine Prozesse nicht richtig misst und zu wenige Kennzahlen vorhält, ist mitunter aus dem Geschäft. Unternehmen der Automobilindustrie, wo Lieferungen direkt auf dem Laufband landen, haben sehr genaue Vorstellungen von ihren Vertragspartnern. Kleine Pannen haben hier verheerende Folgen. Deshalb machen sich deren Vertreter regelmäßig vor Ort ein Bild vom potenziellen Dienstleister - unter anderem von der Ausstattung. Bei Ausschreibungen spielt es also nicht allein eine Rolle, ob man das passende Zertifikat vorweisen kann.Wichtig sei auch, welche Reputation ein Unternehmen habe, erklärt Karlheinz Schmidt, Geschäftsführendes Präsidialmitglied im BGL. In geschlossenen Frachtenbörsen, wo die Baustoffindustrie oder der Lebensmittelhandel inserieren, komme es eher darauf an, wie man sich präsentiert und ob man bis dato zur Zufriedenheit seiner Kunden gearbeitet habe. "Wer Mist baut, ist draußen - ob er zertifiziert ist oder nicht", versichert er. Liefertreue ist neben der Nachverfolgbarkeit von Sendungen für viele Verlader das A und O. Der eine vertraut dabei den Zahlen, der andere dem Ruf. Gefragt sei dabei der eigene Lkw, betont Schmidt. "Die Auftraggeber wollen sichergehen, dass ihre Ware nicht via Internet über drei Auftragnehmer verramscht wird und am Ende etwa ein Pole an der Rampe steht, den sie nicht kennen." Oliver Püthe, Senior Branchenmanager Logistik bei der Standardisierungs-Organisation GS1 Germany, stimmt ihm zu: Mittlere Speditionen mit Fuhrpark und Umschlaganlagen hätten deshalb teilweise sogar Vorteile gegenüber den Primussen der Transport- und Logistikbranche.Fokus auf regionale Partner und NischenHohe Qualität, kleines Unternehmen - auch für Labrot vom BWVL ist dies kein Widerspruch. Oft seien inhabergeführte Dienstleister wegen der kürzeren Entscheidungswege, der übersichtlichen Prozesse und des geringeren administrativen Aufwands flexibler, was eine engere Zusammenarbeit und Synergieeffekte im Hinblick auf Qualität und Kosten ermögliche. "Wenn diese Unternehmen sich auf eine Nische spezialisiert und gute Kooperationen mit zwei, drei Kunden auf Basis von Individualvereinbarungen haben, kann das auch ohne ISO-Normen erfolgreich funktionieren", sagt er.Die Global Player der Industrie- und Handelsbranche gingen davon abgesehen eher bei den Top-Ten-Transportlogistikern auf Partnersuche, erläutert Labrot. Er empfiehlt beiden Seiten des Marktes, auf Unternehmen zu setzen, die in derselben Liga spielen. Im Mittelstand, sagt er, laufe mehr über regionale Bekanntheit als über Zertifikate. Der Trend geht laut dem GS1-Berater Püthe dahin, dass sich vor allem die großen Industrie- und Handelsunternehmen auf wenige, potente Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen konzentrieren, die die gängigen Standards erfüllen und über die üblichen Schnittstellen für einen reibungslosen Informationsaustausch verfügen, um nicht jedes Mal das Rad neu erfinden zu müssen. Für Ausreden à la "zu teuer oder zu zeitaufwendig" hat BGL-Mann Schmidt kein Verständnis. Mangelndes Qualitätsbewusstsein könnten sich Unternehmen im hoch spezialisierten Transport- und Logistikmarkt schlichtweg nicht mehr leisten, sagt er. Sie müssten sich klarmachen, dass alle, die die gewünschten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit der verladenden Wirtschaft schaffen, weniger austauschbar seien als diejenigen, die in einem Universalmarkt tätig sind, in den jederzeit auch ein Osteuropäer einsteigen kann, sofern er einen fahrbaren Untersatz und ein Navigationsgerät habe. "Kleinere und mittlere Transporteure können nicht immer Allround-Talente sein", betont der Experte. Das müsse man als Chance begreifen, nicht als Bedrohung.Für Spezialisierung gibt es mehr GeldWas Qualität kosten darf, darüber entscheiden Angebot und Nachfrage. Der BGL-Hauptgeschäftsführer warnt davor, Verladern pauschal vorzuwerfen, sie würden stets die billigsten Transport- und Logistikanbieter wählen. "Es gibt Auftraggeber, die ganz bestimmte Standards setzen und bereit sind, dafür mehr zu zahlen - natürlich suchen auch diese im Rahmen des Marktumfelds den günstigsten Auftragnehmer."In Wirtschaftsbereichen, in denen mit sensiblen und sehr hochwertigen Gütern hantiert wird, sind in der Regel nicht nur die Qualitätsanforderungen an die Dienstleister höher, dort akzeptieren Industrie- und Handelsunternehmen auch höhere Preise.Bei Geldtransporten steht zum Beispiel im Pflichtenheft des Auftragnehmers, dass dieser seine Leute nach Tarif bezahlen muss, was der Auftraggeber wiederum honoriert, da es dem Diebstahlschutz dient. Gleiches gilt für Unterhaltungselektronik, wo es ähnliche komplexe Vorkehrungen gegen Langfinger braucht. Auch in der Automotive-, der Lebensmittel- oder der Pharmalogistik lassen sich spezialisierte Serviceanbieter ihr Know-how entsprechend vergüten."Die Verlader, die allerdings normale Güter lagern, umschlagen und transportieren lassen, brauchen kein Mehr an Qualität und schauen sicherlich weiterhin vor allem auf den Preis", resümiert Schmidt. Für deren Dienstleister sind Zertifikate und andere Leistungsnachweise entbehrlich.Mehr zum Thema unter Tender-Management www.verkehrsrundschau.de/dossiersUnterstützung vom StaatBAFA bezuschusst Qualitäts-Management-BeratungenDas Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fördert bei kleinen und mittleren Unternehmen, deren Budget niedriger ist als das der Großunternehmen, bestimmte Beratungen. Über das durch den Europäischen Sozialfonds finanzierte Programm "Förderung unternehmerischen Know-hows für kleine und mittlere Unternehmen sowie Freie Berufe durch Unternehmensberatungen" bezuschusst die Behörde die Kosten für Beratungen, zum Beispiel für die Einführung oder Umstellung eines Qualitäts-Management-Systems (QM) nach der ISO-Norm 9001:2015.Antragsberechtigt sind Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die mindestens seit einem Jahr am Markt sind, maximal 250 Mitarbeiter haben und die nicht mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von nicht mehr als 43 Millionen Euro haben. Die Höhe der Förderung (als Zuschuss zu den Beratungskosten) beträgt bis zu 1500 Euro je Beratung. Das BAFA fördert die Beratungsleistungen zur Einführung, Fortentwicklung und zum Erhalt eines QM-Systems, nicht aber andere Kosten, die mit der Zertifizierung selbst verbunden sind. Nachdem die Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium verlängert worden ist, gelten Regeln aktuell für Beratungen, die bis zum 31. Dezember 2015 begonnen werden und für die Unternehmen einen Zuschuss bis zum 31. März 2016 beantragen. ag

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