Mit neuen Produkten weiter wachsen

War 2014 für DB Schenker Rail ein verlorenes Jahr? Nein. Wir haben das Jahr mit einem positiven Ergebnis von 46 Millionen Euro abgeschlossen. Bei dieser Zahl muss man berücksichtigen, dass wir im Herbst 2014 die Streiks der Gewerkschaft GDL zu verkraften hatten. Das hat unser Ergebnis um 50 Millionen Euro beeinträchtigt. Abgesehen von den Streiks lagen die Zahlen sogar leicht über unseren Zielen. 50 Millionen im Ergebnis, das ist eine hohe Summe. Der Streik hat ja nicht nur direkte Folgen in Form ausgefallener Züge an den Streiktagen. Auftraggeber mit sensiblen Logistikketten wie beispielsweise die Autoindustrie verlagern ihre Transporte bereits dann auf andere Verkehrsträger, wenn es Streikankündigungen der Gewerkschaft gibt, um vorzubeugen. Streik hin oder her: Dass die Verkehrsleistung sinkt, kann nicht Ihr Anspruch sein. Natürlich nicht. Aber wegen solcher Einflüsse stellen wir doch nicht unser gesamtes Geschäftsmodell infrage. Im vergangenen Jahr stagnierte der Schienengüterverkehr in Deutschland bei den Tonnenkilometern. Vor dem Streik lagen wir mit einem Plus von etwa 1,0 Prozent auf Wachstumskurs. Zum Jahresende sind wir jedoch mit rund einem Prozent Minus aus dem Markt gegangen. Aber keine Frage, diese Streiks belasten uns sehr und haben weitere Folgen, die über den reinen Streik hinausgehen. Welche sind das? Für die Kollegen im Vertrieb ist es sehr schwer, unseren Kunden verlässliche Auskünfte zu geben. Dieser Schwebezustand richtet einen erheblichen Schaden für den Schienengüterverkehr an: wirtschaftlich, aber auch was den Ruf der Bahn als verlässlicher Verkehrsträger betrifft. Wären Sie denn abseits der Streikfolgen mit dem Ergebnis für 2014 zufrieden gewesen? Immerhin haben Sie 2012 bereits ein Ergebnis von 87 Millionen Euro erzielt. Selbstverständlich hätten wir gerne ein besseres Ergebnis erzielt. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Wie die gesamte Logistikbranche sind auch wir stark von der Konjunktur, vor allem in der Industrieproduktion, abhängig. Da haben sich in den vergangenen Jahren einige Erwartungen nicht erfüllt in Europa und in Deutschland. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2015? Wir sehen Wachstumschancen in wichtigen europäischen Korridoren und wollen unsere Ausgangsposition als ein europaweit präsentes Schienengüterverkehrsunternehmen nutzen. So haben wir gerade zusammen mit DB Schenker Logistics zwischen Deutschland und Bulgarien eine neue Direktzugverbindung im Kombinierten Verkehr aufgebaut. Wir haben ein neues Angebot in die Türkei, fassen Transporte an Knotenpunkten zusammen und fahren die dann in einem Ganzzug an den Bosporus. Wir bieten seit letztem Jahr in Frankreich für unsere großen Kunden auch Einzelwagenverkehr an. Ist im Ausland das größte Wachstum für DB Schenker Rail zu erzielen? Diese Korridore verbinden die großen Industriezentren in Europa. Deutschland liegt in der Mitte und ist deshalb, aber auch aufgrund seiner Wirtschaftskraft, häufig Teil dieser Korridore. Daher betrifft ein Großteil dieser Verkehre auch Deutschland. Aber das ist auch nicht neu: Schon immer war der Schienengüterverkehr der Deutschen Bahn zu 60 Prozent international. Dieser Anteil steigt eher, was uns freut, denn wir sind in 15 Ländern mit eigenen Gesellschaften vertreten und können so Angebote aus einer Hand machen. Mit welchen neuen Produkten wollen Sie die Kundschaft überzeugen? Hervorheben möchte ich eines, das wir zusammen mit der SBB Cargo neu anbieten. Wir werden unsere Leistung im grenzüberschreitenden Einzelwagenverkehr verbessern und bei der Angebotserstellung einen deutlichen Sprung nach vorne machen. Welche Vorteile sind damit verbunden? Beispielsweise streben wir für unser neues Einzelwagenprodukt ab Hamburg und Rhein-Ruhr eine Transportzeit von 48 Stunden in alle Regionen der Schweiz an. Als Produktversprechen gelten im internationalen Verkehr sonst 72 Stunden. Welchen weiteren Mehrwert wollen Sie bieten? In Gesprächen mit Kunden habe ich gerade im internationalen Einzelwagenverkehr immer wieder die Rückmeldung bekommen, dass es bis zu zwei Wochen dauern kann, bevor man ein Angebot für eine neue Relation bekommt. Zusammen mit der SBB Cargo haben wir uns jetzt vorgenommen, in diesem Pilotprojekt die Angebotsprozesse deutlich zu beschleunigen. Warum dauern die Prozesse so lange? Ein wesentlicher Grund ist, dass Wettbewerb in anderen Ländern so richtig erst seit einigen Jahren stattfindet und die Zusammenarbeit mit anderen Bahnen zum Teil schwerfällig lief, vor allem in der Angebots- und Preisbildung. Mittlerweile haben wir eigene Gesellschaften in 15 Ländern und sind unabhängig auch in der Wahl unserer Partner. Mit der SBB Cargo haben wir einen verlässlichen Partner und wollen dem Kunden innerhalb eines halben Tages ein Angebot unterbreiten - statt früher in vier bis fünf Tagen. Wann können sich die Kunden über diese Verbesserung freuen? Für die Einzelwagenverkehre in die Schweiz ab sofort. Aber wir streben diesen Service - wenn wir Erfahrungen im Schweiz-Verkehr gesammelt haben - auch mit anderen Bahnen im Ausland an. Das hört sich alles danach an, als werde DB Schenker Rail 2015 insgesamt zulegen. Davon gehen wir fest aus: Wir wollen 2015 wachsen. Aber eine genaue Zahl kann ich Ihnen nicht sagen, auch weil es noch Unsicherheitsfaktoren gibt. Der Tarifkonflikt ist noch nicht ausgestanden. Das ist für uns spürbar, weil Kunden neue Konzepte zunächst mal zurückstellen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die konjunkturelle Entwicklung. So lag die Automobil- und Stahlproduktion in den ersten Monaten dieses Jahres unter dem Niveau des entsprechenden Vorjahreszeitraums. Wir gehen aber davon aus, dass sich der Trend in den nächsten Monaten nach oben dreht. DB Schenker Rail liegt in den ersten drei Monaten 2015 unter der Entwicklung des entsprechenden Vorjahreszeitraums? Ja, bezogen auf die Transportmengen ist das leider so. Die für den Schienengüterverkehr wichtigen makroökonomischen Rahmenbedingungen haben sich bis auf den Export im ersten Quartal nicht nach oben bewegt. Der KV gilt als Sektor mit den größten Wachstumschancen im Schienengüterverkehr. Trifft das auch für DB Schenker Rail zu? Ja, im KV sind die Voraussetzungen für ein Wachstum sehr gut. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Im kontinentalen Verkehr wollen viele Kunden auf den langen Routen ihre Mengen bündeln, weil sie feststellen, dass dies ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Der maritime Verkehr hängt stark vom Welthandel ab. Auch hier wird ein Wachstum vorausgesagt. Die spannende Frage im KV ist jedoch nicht nur, ob der Markt wächst, sondern vielmehr, ob es einer Bahn gelingt, sich durch Service und Kostenstrukturen so vom Wettbewerb zu unterscheiden, dass sie dabei auch wirtschaftlich erfolgreich ist. Ist DB Schenker Rail wirtschaftlich erfolgreich im KV? Wir haben in den vergangenen Jahren die wirtschaftliche Situation im KV verbessern können, sind aber noch nicht zufrieden. Wir müssen vor allem unsere internen Strukturen und die Servicequalität optimieren. Da warten noch einige Aufgaben auf uns: eine bessere Planung der Lokführer, wie wir beweglicher sein können, wenn der Fahrplan aus dem Ruder gerät. Hier ist unsere Flexibilität noch zu gering. Hat die schlechtere Qualität damit zu tun, dass im DB-Konzern der Personenverkehr Vorrang genießt vor dem Güterverkehr? Nein. Aber man hört immer wieder den Vorwurf, dass ein dürftig ausgelasteter Nahverkehrszug Vorrang genießt, während ein voller Güterzug auf dem Nebengleis wartet. Vertaktete Personenverkehrszüge haben nach den Netznutzungsbedingungen Priorität. Man muss auch dazu sagen, dass der Personenverkehr höhere Trassenpreise zahlt. Daher ist es verständlich, dass vertaktete Personenverkehrszüge im Störungsfall anders behandelt werden als Güterzüge. Dennoch äußert sich DB-Chef Rüdiger Grube zu allen möglichen Themen des Personenverkehrs, zum Güterverkehr jedoch sehr selten. Ich finde das nicht ungewöhnlich und auch nachvollziehbar, dass die breite Öffentlichkeit und auch die Tagesmedien ein deutlich höheres Interesse am Personenverkehr zeigen als am Güterverkehr. Der Personenverkehr betrifft Millionen Menschen. Ich stelle aber überhaupt nicht fest, dass im Management des DB-Konzerns der Personenverkehr wichtiger ist als der Güterverkehr. Zurück zum KV: Ist die Verbesserung der Flexibilität in der Produktion die einzige Baustelle? Nein. Um noch stärker zu wachsen, müssen wir die entsprechenden Verladeterminals bereithalten und in ihrer Leistung entwickeln. Wir haben Anfang des Jahres in Burghausen ein neues Terminal eröffnet. Wir werden im kommenden Jahr in Enns/Österreich zusammen mit der Firma Kaindl eine vorhandene Umschlaganlage erweitern. Das ist Teil unserer Strategie, denn so können wir unseren Kunden eine durchgängige Transportkette aus einer Hand anbieten, deren Leistungsqualität wir steuern und kontrollieren können. DB Schenker Rail hat im KV anders als im Ganzzugverkehr keinen Direktvertrieb, sondern die KV-Operateure haben den direkten Kundenkontakt. Ist das ein Manko? Nein, nicht unbedingt. Eine gut funktionierende Struktur über KV-Operateure, wie wir sie in vielen Ländern im Kontinentalverkehr haben, ist für uns eine Lösung, mit der wir sehr gut leben können. Operateure wie Kombiverkehr oder Hupac entwickeln die KV-Netzwerke partnerschaftlich mit uns. Da entstehen sehr gute und leistungsfähige Angebote. Im maritimen KV war das anders. Da haben die Strukturen zur Bedienung der deutschen Seehäfen aus unserer Sicht nicht gut funktioniert. Deswegen haben wir beschlossen, die Transfracht wieder zu 100 Prozent in die DB zu integrieren. Gerade im letzten Jahr waren wir mit der Entwicklung wieder sehr zufrieden. Die Transfracht ist deutlich über Marktniveau gewachsen. Wir haben hier in einem hart umkämpften Markt eine Kehrtwende erreicht. Wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte, um mit dem Schienengüterverkehr zu punkten? Wir wollen bei DB Schenker Rail ein klares Signal für unsere Kunden setzen, und zwar unter der Überschrift "Schneller, einfacher und digitaler - für unsere Kunden europaweit". Das betrifft zum einen die Kundenschnittstelle: Die müssen wir einfacher gestalten, um dem Kunden den Zugang zu unseren Leistungen und damit die Kommunikation zu erleichtern. Der zweite Aspekt der Digitalisierung betrifft unsere internen Abläufe. Ein Beispiel sind intelligente Lokomotiven, die ihren Instandhaltungszustand über Sensoren selbst analysieren. Über verschiedene automatisierte Prozesse können sie selbst erkennen, wann sie auf ein Problem zusteuern. Welche Vorteile sind damit verbunden? Derzeit haben wir feste Werkstattrhythmen bei den Loks. Unabhängig davon, ob einer Lokomotive etwas fehlt oder nicht, durchläuft sie regelmäßig einen Wartungsprozess. Den können wir uns jedoch womöglich sparen, wenn sich die Lokomotiven selbst diagnostizieren. Wir haben bereits 30 Lokomotiven mit dieser Technik im Betrieb, bis 2020 wollen wir von unseren 3000 Lokomotiven etwa 2000 ausgerüstet haben. Welche Einsparungen erwarten Sie? Das möchte ich jetzt noch nicht beziffern, aber natürlich erhoffen wir uns davon auch eine Verbesserung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Unsere Instandhaltungsquote bei unseren 1000 Elektro-Loks liegt derzeit bei 12 bis 15 Prozent. Von denen verlassen etwa 20 Prozent die Werkstatt, ohne dass Eingriffe notwendig waren. Es könnten sich dann 25 bis 30 weniger Loks in der Werkstatt befinden. Damit wären enorme Kosteneinsparungen verbunden. Ende des Jahres wird Karl-Friedrich Rausch als Vorstand Transport und Logistik im DB-Konzern ausscheiden. Als möglicher Nachfolger wird immer wieder auch Ihr Name genannt. Wäre diese Aufgabe etwas für Sie? Der Schienengüterverkehr der Deutschen Bahn ist einer der faszinierendsten Tätigkeiten, die man sich vorstellen kann. Dieser Aufgabe widme ich mich zu 100 Prozent und mit viel Freude. Vita Alexander Hedderich Alexander Hedderich ist am 14. Oktober 1965 in Wetzlar geboren. Er hat zwischen 1985 und 1991 Wirtschaftswissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen studiert. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre von Professor Gerd Aberle tätig - zu einer Zeit, als die Bahnprivatisierung vorangetrieben wurde, woran der Lehrstuhl des renommierten Verkehrswissenschaftlers Aberle maßgeblich daran beteiligt war.1999 begann die Laufbahn von Hedderich bei der Deutschen Bahn (DB). Nach verschiedenen Stationen im Konzern war er von 2004 bis 2009 für die Konzernentwicklung verantwortlich. In dieser Zeit wollte der damalige DB-Chef Hartmut Mehdorn den Konzern an die Börse bringen. Hedderich und seine Abteilung galten damals als seine rechte Hand, die maßgeblich an den Vorbereitungen beteiligt waren. Dann kam die Wirtschaftskrise und wenige Tage vor dem Börsengang wurde dieser 2008 abgesagt.Seit September 2009 ist Hedderich Vorstandsvorsitzender der DB Schenker Rail. Er wird in der Branche immer wieder als ein möglicher Nachfolger von Karl-Friedrich Rausch gehandelt, der zum Jahresende altersbedingt als Vorstand Transport und Logistik bei der DB AG ausscheidet. cd Daten + Fakten DB Schenker Rail DB Schenker Rail ist die größte Güterbahn in Deutschland und Europa. In Deutschland beträgt der Marktanteil nach eigenen Angaben 75,2 Prozent (2013), in Europa 24,3 Prozent (2014). 31.000 Mitarbeiter beschäftigt DB Schenker Rail an Standorten in 15 europäischen Ländern.2014 war kein gutes Jahr für die Schienengüterverkehrssparte der DB: Die Verkehrsleistung war um 1,3 Prozent rückläufig, der Umsatz stieg nur um 0,4 Prozent und das Ergebnis verringerte sich um 19,3 Prozent auf 46 Millionen Euro. Die schlechtere Marge begründet das Unternehmen mit den Folgen des Sturms Ela und den Streiks der Lokführer. Allein die Arbeitsniederlegungen der Gewerkschaft hätten das Ebit im letzten Jahr um 50 Millionen Euro geschmälert. cd

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