Luftfrachtsicherheit

Luftfrachtsicherheit Sorge um Wettbewerbs- verzerrungen Wird in den einzelnen EU-Staaten in punkto Luftfrachtsicherheit tatsächlich mit zweierlei Maß gemessen? Was die deutsche Luftfrachtbranche dazu sagt, zeigte die Security-Konferenz des Aircargo Clubs Deutschland in Frankfurt/Main. Das Grummeln im Saal war deutlich vernehmbar. Grund für die Unruhe auf der jüngsten Sitzung des Aircargo Clubs Deutschland (ACD) in Frankfurt war das Gefühl der rund 130 Teilnehmer, in Europa zwei Geschwindigkeiten in Sachen Luftfrachtsicherheit zu haben (siehe Kasten). „Ich sehe hier eine klare Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil deutscher Versender und Verlader“, monierte etwa Stephan Haltmayer, Geschäftsführer der Spedition Quick Cargo Service (QCS) (siehe Seite 19). Unterschiedliche Kontrollmethoden Was Haltmayer empört: Trotz einheitlicher EU-Gesetzgebung segneten in etlichen Mitgliedstaaten die jeweiligen nationalen Gesetzgeber unterschiedliche Kontrollmethoden ab. Zudem gibt es einen Wirrwarr bei der Frage, wem welcher Status von Amts wegen zusteht. Beispiel Deutschland: Hier gibt es laut Definition des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) neben dem Reglementierten Beauftragten und dem Bekannten Versender auch den Geschäftlichen Versender. Letzterer darf seine Cargo-Pakete aber nur in Vollfrachtern befördern lassen, die Unterflurkammern der Passagierflugzeuge sind für seine Sendungen tabu. Anders auf der britischen Insel: Bewirbt sich ein örtlicher Exporteur um den Status des Geschäftlichen Versenders, hat er Pech. Dieser ist hier nicht zugelassen. Dafür ist auf der britischen Insel – im Unterschied zu Deutschland – das so genannte RAS-Cargo-Verfahren erlaubt. Damit wird eine Kontrollmethode bezeichnet, bei der speziell trainierte Spürhunde eine zuvor innerhalb geschlossener Luftfracht-LKW gezogene Luftprobe vor die Nase gehalten bekommen, um mögliche Sprengstoff-Moleküle zu erschnüffeln. Schlagen die Hunde nicht an, gilt die komplette Ladung als sicher – und umgekehrt. Das Spezielle an dieser Maßnahme: Die Tiere bewegen sich in einem weitgehend keimfreien Raum und kommen mit den Sendungen physisch nicht in Kontakt. Laut Angaben privater Dienstleister, die das RAS-Cargo-Verfahren anbieten, könnten mit dieser Erkennungsmethode die kompletten Ladungen von 40 LKW innerhalb von nur einer Stunde kontrolliert werden. Der vor Ort zuständige Reglementierte Beauftragte bestätigt dann mit seiner Unterschrift, dass die gesamte Sendung den Status sichere Fracht hat. Schnell, unkompliziert, kostengünstig und hoch effizient, so lauten die Urteile über diese Prüfmethode per Schnüffelhund. Auch in Frankreich ist diese Methode zugelassen. Das Ergebnis: In beiden Ländern, in denen RAS-Cargo zur Tagespraxis gehört, wurden inzwischen über 100.000 LKW auf diese Weise kontrolliert und deren Zuladungen für sicher erklärt. Eine Menge, die rund 1,5 Millionen metrischen Tonnen an Luftfracht entspricht. In einer Fallanalyse wurde nun untersucht, ob deutsche Versender und Verlader davon profitieren könnten. Das Ergebnis ist positiv. In dem Papier wird laut Fraport-Vertriebsleiter Winfried Hartmann vorgeschlagen, in Frankfurt ankommende und offiziell unsichere Fracht als Sammelgut per LKW nach Lauterbourg zu fahren, diese dort mittels der RAS-Cargo-Methode in sichere Sendungen umzuwandeln und wieder retour nach Frankfurt zum sofortigen Abflug zu bringen. Hartmann wörtlich: „Das ist in gut drei Stunden bewältigbar“. Denn Lauterbourg liege direkt hinter der deutsch-französischen Grenze bei Karlsruhe. Dort existiert ein großes Gewerbegebiet mit Hallenkomplexen, die sich für den Einsatz der Spürhunde baulich bestens eignen. Ein nur auf den ersten Blick bizarres Konzept, bei näherer Betrachtung aber eine überlegenswerte Option für die hiesige Cargobranche. Das „Projekt Lauterbourg“ wäre nur die konsequente Inanspruchnahme von Kontrollmöglichkeiten, die in Frankreich Standard sind. Allerdings funktioniert diese Methode nicht bei Spezialfrachten, die in luftundurchlässigen Kühlboxen oder speziell ummantelten Packstücken befördert werden – auch das wurde im ACD thematisiert. Als Lösung bleibt da nur die Röntgenkontrolle oder gar die physische Inaugenscheinnahme durch Fachpersonal. Nun blickt die gesamte hiesige Cargo-Branche gebannt auf den Stichtag 29. April 2013. Denn ab dann gelten verschärfte Sicherheitsregeln innerhalb der EU. Dann erhalten nurmehr die Luftfrachtsendungen so genannter Bekannter Versender den Status „sichere Fracht“ (siehe Kasten Seite 18). Über diesen Status verfügen derzeit über mehr als 80 Prozent aller deutschen Luftfrachtausfuhren. Ab Ende April werden es voraussichtlich hingegen nur noch etwa 20 Prozent sein. Darauf deuten jüngste Zahlen von LBA-Abteilungsleiter Marco Jentsch hin. Er sprach in Frankfurt nun von derzeit 1072 zugelassenen Bekannten Versendern und 400 noch offenen Anträgen. LKW-Staus ab dem 29. April vor den Frankfurter Frachtanlagen, speziell zu Spitzenzeiten, zeichnen sich also schon heute ab. ❙❚■ Heiner Siegmund, freier Journalist Bekannter Versender Stichtag ist 29. April 2013 Wer bis 29. April 2013 nicht vom Luftfahrt-Bundesamt als „Bekannter Versender“ lizensiert ist, dessen Luftfracht-Sendungen gelten ab dem Tag offiziell als „unsicher“. Sprich: Luftfrachtsendungen dieser Unternehmen müssen vor Verladung in ein Flugzeug von Spediteuren oder Bodenabfertigern geröntgt oder anderweitig kontrolliert werden, um den Status „sichere Fracht“ zu erlangen. hs Interview „Das ist ein Skandal“ Warum Stephan Haltmayer, Geschäftsführer der Spedition Quick Cargo Service die Sicherheitspraxis bei Luftfracht in der EU kritisiert. Das Kontrollsystem RASCargo ist in der Luftfrachtbranche umstritten. Warum? Stephan Haltmayer: Gegen das Kontrollsystem spricht nichts. Es funktioniert offenbar gut, ist kostengünstig und geht schnell. Es ist aber äußerst bedenklich, dass es nur in einigen EU-Ländern offiziell zur Sicherung von Luftfracht zugelassen ist. In anderen Staaten, etwa in Deutschland, ist es dagegen nicht zulässig. Deutsche Verlader müssen sich also überlegen, ob für die Kontrolle und den Abflug ihrer Sendungen nicht benachbarte ausländische Airports eine günstigere Alternative sind. An welche Flughäfen denken Sie da? Größere Flughäfen mit einer Vielzahl an Flugverbindungen wie Paris oder Amsterdam. Frachtsendungen werden dort im Vergleich zu deutschen Standorten viel schneller und unkonventioneller kontrolliert. Das liegt aber nicht an den hiesigen Airports, sondern an den nationalen gesetzlichen Bestimmungen. Welche Konsequenz zieht QCS daraus? Wir denken darüber nach, mit Inkrafttreten der verschärften Sicherheitsbestimmungen am 29. April 2013 unsere Sendungen zu den genannten Flughäfen zu fahren, statt sie in Frankfurt, Düsseldorf oder München abfliegen zu lassen. Klingt nach regem Pendelverkehr . . . Es ist ein Skandal, dass beim Thema Sicherheit in der EU unterschiedliche Praktiken gelten. Das wird den Luftfrachtstandort Deutschland schwächen und zu einem Security-Tourismus führen. Die Cargo-Industrie braucht in punkto Luftfrachtsicherheit also EU-weit identische Spielregeln und eine vergleichbare Praxis. hs

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