Läuft lang besser?

Drehzahl kann ein Lkw-Motor nie zu wenig haben. Nach diesem Motto verfährt man unter anderem bei Volvo Trucks. Die Schweden haben für die FH-Baureihe unter anderem eine 2,31er-Hinterachsübersetzung in petto. Diese senkt das Drehzahlniveau bei Reisetempo 85 auf 1050/min ab. Womit der D13-Sechszylinder dann nicht mehr besonders weit von der Standgasdrehzahl entfernt arbeitet. Volvo verspricht seinen Kunden dadurch aber eine messbare Verbrauchseinsparung und sieht selbstbewusst auch bei vollen 40 Tonnen keinerlei Probleme. Der Grund, warum sich die Schweden ihrer Sache sicher sind, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Drehmoment, und das vor allem aus dem Drehzahlkeller. Möglich macht es der technische Fortschritt. Noch Anfang der 90er-Jahre wuchtete Volvos 420-PS-Motor in der ersten FH-Generation maximal 1850 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle, im Bereich zwischen 1100 bis 1300/min wohlgemerkt. Im aktuellen FH 420 sind es 250 Newtonmeter mehr, die vor allem bereits ab 860 Touren voll anliegen. Aufliegertausch nach einer Runde Doch genügt dieses Mehr an Power tatsächlich oder ist die lang übersetzte Hinterachse bei voller Ausladung und anspruchsvoller Topografie dann doch zu viel des Guten? Und wie steht es mit dem Thema Transportgeschwindigkeit? Antworten auf beide Fragen soll dieser Vergleich auf der VerkehrsRundschau-Testrunde liefern, bei dem wir gleich aufs Maximum testen. Denn die beiden Testauflieger sind einerseits bis ans geltende Gewichtslimit beladen, andererseits verfügen beide Test-FH aber "nur" über die schwächste Einstellung des D13-Reihen-Sechszylinders mit 420 PS. Um eventuelle Gewichtsunterschiede und die bessere Windschnittigkeit des volvoeigenen Aero-Aufliegers zu dem Redaktionsstandard-Curtainsider von Fliegl zu neutralisieren, befahren wir die Runde zweimal und tauschen nach dem ersten Rundlauf die Auflieger. Und natürlich ist wie immer das redaktionseigene Referenzfahrzeug in Form unseres Mercedes-Benz Actros 1845 mit Curtainsider von Schmitz Cargobull mit von der Partie, um unterschiedliche Wettereinflüsse auszumerzen. Technisch unterscheiden sich die beiden Probanden, abgesehen von vernachlässigbaren Unterschieden bei der Komfort-Ausstattung, lediglich durch die Hinterachsübersetzung. Die grau lackierte Zugmaschine ist mit besagter 2,31er-Achse bestückt, ihr in Weiß erstrahlendes Pendant mit der kürzeren 2,47er-Variante. Mit letzterer liegen bei Reisetempo 85 knapp 1150/min an. Ebenfalls weit entfernt von Drehzahlorgien, aber eben 100 Touren mehr. In Sachen Fahrbarkeit und Temperament geben wir die erste Entwarnung, für die besonders die überdurchschnittliche Elastizität der 420-PS-Einstellung verantwortlich ist. In Steigungen verfällt die Steuerungselektronik nicht wie befürchtet in panische Rückschaltungen, sondern lässt auch den lang übersetzten 420er zunächst im höchsten Gang ziehen. Sie weiß eben um das ab 860/min abrufbare Drehmoment und schreckt an Steigungen selbst vor 900 Touren nicht zurück. Mit langer Achse mehr Schaltungen Trotzdem werden in Kombination mit der langen Achse in Summe mehr steigungsbedingte Rückschaltungen fällig als im kürzer übersetzten Pendant. Das sollte den Fahrer allerdings nicht stören, denn diese übernimmt das souverän agierende I-Shit-Getriebe mit stets kaum merklichen und schnellen Fahrstufenwechseln. Eine große Unterstützung ist dabei der GPS-Tempomat "I-See", der alle topografischen Gegebenheiten kennt und genau weiß, vor welchem Berg es sich lohnt, mittels Tempoverschärfung auf bis zu 90 km/h zusätzlichen Schwung mit in die Steigung zu nehmen, um diese verbrauchsgünstig im zwölften Gang zu bewältigen. Ein Handwerk, auf das sich naturgemäß der kürzer übersetzte FH 420 noch besser versteht. Trotzdem erklimmt er die mit 4,5 Kilometern längste und anspruchsvollste Bergwertung (Kindinger Berg auf der A 9) um zwei Sekunden langsamer als sein Pendant mit längerer Achsübersetzung. Der Grund dafür liegt darin, dass dessen Elektronik hier eher zurückschaltet und der Motor länger mit hoher Drehzahl im zehnten Gang arbeitet. So steht zwar mehr Power bereit, was sich aber auf der Verbrauchsseite rächt: Auf diesem Teilstück konsumiert der "Lange" nämlich in Summe 0,12 Liter mehr. Es bleibt also bei der Regel: Bei konstant schwieriger Strecke in Verbindung mit hohen Gewichten ist man mit der kürzeren Achsübersetzung besser beraten. Der "Lange" verbraucht weniger Auf der gesamten gemischten VR-Teststrecke hat ansonsten die ins Lange übersetzte Achse klar die Nase vorne. Mit einem Durchschnittsverbrauch von 27,28 l/100 ist das FH-Testfahrzeug nach den beiden Runden immerhin um 0,16 l/100 km sparsamer unterwegs als der FH 420 mit der 2,47er-Achse. Letzterer ist mit 84,04 km/h außerdem lediglich um vernachlässigbare 0,4 km/h schneller, was einen Zeitvorteil von nicht einmal zwei Minuten auf den 510 Kilometern Teststrecke entspricht - eine störungsfreie Fahrt mal vorausgesetzt. Eine kleinere und auf deutschen Autobahnen fast nicht zu verhindernde Behinderung genügt, um den knappen Vorsprung wirkungslos verpuffen zu lassen. Für den Großteil der Einsätze schließen wir uns daher der Empfehlung von Volvo Trucks an: Lang gewinnt! Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze 1050 Touren bei 85 km/h mit 40 Tonnen Gesamtgewicht?Laut Volvo Trucks ist das selbst mit"nur" 420 PS kein Problem. Die VerkehrsRundschau wagt die Probe aufs Exempel und testet die 2,31er-Achsübersetzung gegen das kürzere 2,47er-Pendant. Mit überraschenden Erkenntnissen. Fazit - Mut zur langen Variante! Mit 420 PS 40 Tonnen wirtschaftlich bewegen? Das funktioniert auch heute noch. Sogar oder gerade weil das Fahrzeug über eine lang übersetzte Hinterachse verfügt. Die noch vor wenigen Jahren unvorstellbaren Drehmomentwerte bei weniger als 1000 Touren (noch unvorstellbarer) machen es möglich. In dieser Konfiguration spart der FH merklich Sprit, ohne zum Verkehrshindernis zu mutieren. Anders sieht die Sache bei konstant schwerer Strecke aus. Hier ist die kürzere Achse die bessere Wahl - wie auch ein paar PS mehr.Jan Burgdorf Test-Redakteurjan.burgdorf@springernature.com

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