KV für Quereinsteiger

Giorgios Thomaidis hatte ein Problem. Alles war für den Einstieg des Frankfurter Spediteurs in den Kombinierten Verkehr (KV) zwischen Deutschland und Griechenland vorbereitet - und dann das: Der Hersteller für die dringend benötigten kranbaren Sattelauflieger ließ den Liefertermin platzen. In seinem Frust tüftelte Thomaidis mit einem Karosseriebauer an einer Nachrüstlösung für seine Bestandsflotte.230 Auflieger mit Tomlift ausgerüstetDie Lösung brachte den findigen Spediteur auf eine Idee: Warum zum Einstieg in den KV mehr als fünf Millionen Euro in neue Auflieger investieren und die Bestandsflotte mit Verlust verkaufen, wenn es auch für viel weniger Geld mit einer Nachrüstung funktioniert? Mittlerweile hat der Griechenland-Spezialist 230 Auflieger entsprechend ausgerüstet. Und seit Kurzem bietet er als Mitgeschäftsführer der Transport Innovation, Schöneck, seine Lösung unter dem Namen Tomlift auch Dritten an. "Die Messe Transport Logistic war für uns der Startschuss", sagt Manfred Heinsch, neben Thomaidis weiterer Geschäftsführer des Start-Ups.Hinter Tomlift verbirgt sich ein Komplett-Bausatz, mit dem sich aus einem herkömmlichen Straßensattelzuglieger ein kranbarer, KV-tauglicher Auflieger machen lässt. Technisch ist der Unterschied zwischen kranbaren und nicht kranbaren Sattelaufliegern überschaubar: Ein Sattelauflieger benötigt an der Unterseite verstärkte Greifkanten, um mit einem Kran sicher in den Eisenbahn-Tragwagen umgehoben zu werden. Die Greifkanten sollen Schäden während des Hubs - wie beispielsweise Verformungen oder sogar ein Auseinanderbrechen - verhindern. Auch die Querverbindungen zwischen den Greifkanten müssen verstärkt werden, da die Kräfte beim Anheben nicht immer gleich verteilt sind. Zudem muss die Heckpartie einklappbar sein.Der von Transport Innovation angebotene Nachrüstsatz verleiht dem Auflieger die Stabilität, die für den KV-Einsatz nötig ist. "Das System ist von der Entwicklung her ausgereift. Wir haben keine Bedenken, die nachgerüsteten Waggons auf unsere Züge verladen zu lassen", sagt Jan Weiser, Leiter Unternehmenskommunikation des KV-Operateurs Kombiverkehr.Aus Sicht der KV-Operateure ist die zum Patent angemeldete Nachrüstlösung eine problemlose Angelegenheit. Die nachgerüsteten Sattelauflieger lassen sich ebenso verladen wie vom Hersteller als kranbar ausgelieferte Trailer. Weder für den Operateur noch für den Terminalbetreiber fallen zusätzliche Investitionen oder Mehrkosten für den Umschlag an. Außerdem erschließt die Nachrüstlösung dem KV ein gewaltiges Potenzial: Je nach Schätzung sind zwischen 80 und 85 Prozent der in Europa eingesetzten Sattelauflieger bislang nicht kranbar.Nachrüstsatz kostet 3950 EuroFür den Markterfolg von Tomlift ist jedoch weniger die Akzeptanz der Operateure entscheidend, sondern der Nutzen für die Spediteure und Fuhrunternehmer. Diese müssen 3950 Euro für den Nachrüstsatz zahlen - unabhängig davon, ob es sich um Koffer-, Kühl- oder Planenaufbauten handelt. Dazu kommen die Kosten für die Montage. "Zwei geübte Monteure brauchen für die Arbeiten in etwa einen Tag", sagt Heinsch. Laut Heinsch steht den Käufern des Bausatzes deutschlandweit ein Netz von 25 Fachwerkstätten zur Verfügung. Für große Fuhrparks mit eigener Werkstatt bietet Transport Innovation das Anlernen des Werkstattpersonals durch einen geschulten Mitarbeiter an. Ein großer Vorteil von Tomlift: Das System kann in den Aufliegern aller Hersteller verbaut werden.Als Argument gegen den Kauf von kranbaren Aufliegern nennen die Spediteure das Zusatzgewicht und den damit verbundenen Nutzlastverlust. Dieser beträgt bei Tomlift 315 Kilogramm und liegt damit deutlich unterhalb der 400 Kilogramm, welche die meisten Trailerhersteller nennen. Heinsch macht auf einen weiteren Vorteil aufmerksam: Der Bausatz kann auch wieder demontiert und in einem weiteren Auflieger eingesetzt werden. Das ist vor allem beim Verkauf des gebrauchten Trailers in Gegenden wichtig, in denen der KV keine Rolle spielt.Wirtschaftlich keinen Sinn macht hingegen der Einbau des Nachrüstsatzes in einen fabrikneuen Auflieger. Thore Arendt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied bei der Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr (SGKV), schätzt die Mehrkosten für einen kranbaren Trailer ab Herstellerwerk auf 2000 bis 2500 Euro - also deutlich günstiger als die Nachrüstlösung. Das dürfte die Marktchancen jedoch nicht schmälern. Bei Laufzeiten von sieben bis zehn Jahren eines Sattelaufliegers kann es durchaus passieren, dass ein Spediteur durch neue Marktchancen vom Kombi-Saulus zum Kombi-Paulus wird und deshalb kurzfristig einen Teil seines Fuhrparks umrüsten möchte. Oder dass er als KV-Einsteiger nicht das volle Investitionsrisiko eingehen möchte - ebenso wie Thomaidis, dessen KV-Verkehre mit Griechenland mittlerweile trotz Krise prächtig angelaufen sind.Nichtkranbare Sattelauflieger auf der BahnCargoBeamer startet einen Zug zwischen Köln und MailandNicht nachrüsten und trotzdem Sattelauflieger unbegleitet im KV mitfahren lassen? Das geht seit Mitte April zumindest zwischen Köln-Nord und Melzo bei Mailand. Ein entsprechendes Angebot machen CargoBeamer und der Traktionär BLS Cargo, die vier Meter hohe Sattelauflieger über die Gotthard-Achse transportieren. Gefahren werden drei Umläufe pro Woche mit bis zu 28 Waggons pro Zug. Das CargoBeamer-Konzept verzichtet komplett auf den Einsatz von Kranen. Die Sattelauflieger fahren stattdessen auf Waggonaufsätzen, die dann auf den speziell für CargoBeamer entwickelten Waggon gezogen werden. hel

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