Künftig steht der Löwe unter Strom

Auf der IAA präsentierte MAN nur behutsame Weiterentwicklungen der aktuellen Baureihen: Etwas mehr Leistung und Drehmoment für die D26-Motoren, ein zweifarbiges Interieur mit hellgrau-beigen Akzenten und erweiterte Assistenzsysteme - das war es schon. Nicht zu vergessen, der "Elektriker" TGS E-Truck. Hinter den Kulissen arbeiten die Münchner bereits seit 2009 an alternativen Antrieben vor allem für den innerstädtischen Verteiler- und Entsorgerverkehr. Das brachte 2012 den "Metropolis" hervor, einen vollelektrischen 26-Tonnen-Abfallsammler. Ein Range-Extender im Chassis vergrößert seinen Einsatzradius auf bis zu 150 Kilometer pro Tag. Gegenüber den dieselnden Brüdern sparte er rund 80 Prozent Sprit. Auf ihm baut jetzt die rein elektrisch angetriebene Sattelzugmaschine auf, die vor allem auf Einsätze in der innerstädtischen Nachtbelieferung zielt. Basis ist ein TGS 4X2 BLS-TS, den ein 250 kW Elektromotor antreibt, der üppige 2700 Newtonmeter Drehmoment via Kardanwelle an die Hinterachse schickt. Die Nebenaggregate werden elektrisch betrieben und über ein Energiemanagement bedarfsabhängig gesteuert. Ebenfalls State of the Art: Die Bremsenergierückgewinnung der Schubphasen zum Wiederaufladen der Batterien. Ein Farbdisplay im Cockpit informiert den Fahrer über die aktuellen Energieparameter wie Batteriezustand, Energierückgewinnung und Lademodus. Die Energie liefern drei 35,3 kWh-leistungsfähige Lithium-Ionen Batterien, die unterm Fahrerhaus über der Vorderachse sitzen. Das Batteriegewicht liegt dadurch auf der Vorderachse, die Hinterachse behält so ihre volle Ladekapazität. Die Nutzlast soll der einer vergleichbaren konventionellen TGS-Sattelzugmaschine entsprechen. Die Batteriekapazität soll je nach Einsatz zwischen 50 und 150 Kilometer Reichweite zulassen, auch Zwischenladen ist möglich. Sollte das nicht genügen, könnte man vier weitere Batteriepakete dazu ordern oder gleich einen Range-Extender oder eine Brennstoffzelle verbauen. Mit der E-Truck-Studie wird MAN weitere Erprobungen machen, auch um Erfahrungen mit konkreten Transportkonzepten zu sammeln. Dazu haben die Münchner eine "E-Mobility Strategie" ausgerollt, die auch die Stadtbusse betrifft und dort ab 2020 Serie sein soll. Das technologische Know-how des E-Mobility-Baukastens aus dem Busbereich soll dann auch für den "E-Truck" zur Verfügung stehen. Hier hilft aktuell die Zugehörigkeit zu Volkswagen samt der der "elektrisierenden Dynamik" im Pkw-Bereich. Gar nicht "elektrisierend" sind allerdings die aktuelle VW-Abgasproblematik und deren Auswirkungen, sprich die deshalb nötigen Kosteneinsparungen, die auch die Lkw-Töchter mittragen müssen. Immerhin gibt es jetzt eine Art "Roadmap" für die Marken, zu denen seit Neuestem auch International Navistar in den USA gehört. Erwartungsgemäß müssen MAN und Scania ihre "starken" Komponenten künftig teilen und die jeweils schwächeren Produkte aufgeben. Heißt: MAN wird die Scania-Getriebe und Scania die MAN-Achsen übernehmen. Die Motorenentwicklung ab 13 Liter geht nach Schweden, während Nürnberg künftig für fünf bis neun Liter Hubraum zuständig ein soll - wobei die komplette Motorenfamilie in einen neuen "Superbaukasten" mit möglichst vielen Gleichteilen integrieert werden dürfte. Damit würde MAN im Schwerpunkt auf den Bereich "zurückgestutzt", den man einst Steyr-Nutzfahrzeuge im österreichischen Steyr übertrug. Doch ganz so schlimm wird es nicht kommen, denn die Abstimmung der Motoren und Getriebe samt der zugehörigen Software werden MAN und Scania auch künftig separat vornehmen dürfen. Und auch einer Einheitskabine erteilten die Verantwortlichen bereits eine klare Absage. Entsprechend könnte man das von MAN vielzitierte Jahr 2020 auch als das Präsentationsjahr der komplett neuen TG-Familie interpretieren ... In welche Richtung man dort außer der Elektrifizierung, Hybridisierung und Vernetzung denkt, skizzierte die Designabteilung exemplarisch schon mal an einem Hauber, der so natürlich nie kommen wird. Doch einige Punkte ließ man schon mal durchblicken. MAN entwickelt eine neue Baureihe Innen wird aufgeräumt, wobei typische Kritikpunkte verschwinden sollen: Der Kühlschrank soll komplett unter dem Bett verschwinden und bisher schlecht erreichbare Taster inklusive der Schaltkonsole der heutigen Timatic dürften näher an der Fahrer heranrücken und komplett in den Lenkstockhebel gepackt werden. Und das, ohne den Fahrer so zu umbauen, wie es Scania oder noch extremer DAF tun. Denn das luftige Raumgefühl soll als Alleinstellungsmerkmal und Abgrenzung zu Scania erhalten bleiben. Deutlich schärfer akzentuiert mit klaren Kanten und Linien dürfte das Exterieur werden. Gleichzeitig dürfte der Luftwiderstandsbeiwert der neuen Kabine noch mal deutlich sinken. Noch ein Fragezeichen steht hinter den Motoren und verfügbaren Antriebsarten. Macht MAN die Ankündigungen wahr, dürften zum Start auch rein elektrisch getriebene TGM- oder TGS-Varianten bereitstehen - dann steht der Löwe endgültig unter Strom! Mehr zum Thema finden Sie im Dossier MAN Trucks www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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