Kombinierter Verkehr

Kombinierter Verkehr Sicherheit geht über alles Seit Mitte April dieses Jahres fährt die Speditionstochter der RCA, Express-Interfracht, einen Ganzzug im Kombinierten Verkehr für BSH Bosch und Siemens Hausgeräte zwischen Deutschland und Türkei. Der Zug rollt über eine Entfernung von 2000 Kilometern. Vom deutschen Giengen bis nach Cerkezköy, 80 Kilometer von Istanbul entfernt, sind es 2000 Kilometer Wegstrecke. Auf dieser langen Distanz weiße Ware sicher und pünktlich zu transportieren ist eine Herausforderung, der sich seit Mitte April das österreichische Speditionsunternehmen Express-Interfracht, eine Tochter der ÖBB-Gütersparte Rail Cargo Austria (RCA), einmal pro Woche mit großer Sorgsamkeit stellt. Ausschließlich BSH-Ware auf dem Zug Nach einer europaweiten Ausschreibung des Haushaltsgeräteherstellers BSH Bosch und Siemens Hausgeräte hat Express-Interfracht den Auftrag für die Abwicklung von Ganzzugverkehren von Giengen nach Cerkezköy und zurück an Land gezogen. BSH wollte seine etablierten Bahnverkehre in die Türkei auf eine diebstahlsichere Variante mit Container umstellen, und dafür hat Express-Interfracht das attraktivste Angebot auf den Tisch gelegt, erklärt Christian-Daniel Schoene, der für Bahnkonzepte zuständige Manager in der BSH-Logistik. Der Zug ist derzeit ein sogenannter Company-Train, sprich: er wird ausschließlich von BSH für den Transport von weißer Ware und BSH-Produkten in beiden Richtungen genutzt. Das Auslastungsrisiko liegt bei BSH, für die Pünktlichkeit und die Sicherheit steht Express-Interfracht gerade. „Die Sicherheit steht für uns im Vordergrund. Dieses Ziel wurde bisher zu 100 Prozent erreicht“, zieht Schoene nach zweieinhalb Monaten Erfahrung gegenüber der VerkehrsRundschau eine positive Bilanz. Auch die Pünktlichkeit ist für den Auftraggeber zufriedenstellend. Sollte es bei Taktung des Zuges einmal ein Problem geben, so ist dafür vorgesorgt und steht für den Verspätungsfall ein zusätzliches Waggonset für die Folgezüge zur Verfügung. Die Ersatzgarnitur gilt als Reserve, weil es zwischen Cerkezköy und Istanbul eine Langzeit-Baustelle der türkischen Bahn gibt und hier zeitliche Verzögerungen nicht auszuschließen sind. Wenn von Sicherheit für die in 45-Fuß-Container verladenen Waren die Rede ist, dann heißt das in der Praxis, dass jeder Containern nicht nur verplombt wird, sondern auch „massive Sicherheitsmechanismen“ jeden Zug begleiten. Details dazu werden von RCA freilich nicht genannt. „Das sind grundlegende Erwartungen beziehungsweise Forderungen des Kunden, um die Transporte in 45-Fuß-Containern auf die Reise zu schicken“, sagt eine RCA-Sprecherin. Die 45-Fuß-Boxen werden von Express-Interfracht beigestellt, ebenso 90 Containertragwagen, die aber von der Mutter RCA kommen. Zu den Zusatzdienstleistungen seitens Express-Interfracht zählen beispielsweise persönliches Handling des Zuges an den Grenzübertrittsstellen, Sicherheitskontrollen, Laufüberwachung, Troubleshooting, zolltechnische Abwicklung an den Grenzen und die Vorhaltung von Sicherheitskapazitäten im Verspätungsfall. Einen solchen will Express-Interfracht möglichst vermeiden, um nicht die im Auftrag genau definierten Ziele in puncto Pünktlichkeit, Qualität und Schadensquote zu verfehlen. Auf der Strecke werden vier Länder durchquert: Das Routing führt via Österreich, Ungarn, Serbien, Bulgarien in die Türkei, wobei sieben verschiedene Traktionäre den Zug in die Hand nehmen. Auf der deutschen Strecke fährt DB Schenker den Zug, in Österreich und Ungarn sind es Rail Cargo Austria, Rail Cargo Hungaria und die Raaber Bahn, in Serbien zieht ihn die Serbische Bahn bis an die bulgarische Grenze, dort übernimmt ihn Bulgariens Staatsbahn BDZ und führt ihn bis zur türkischen Grenze, wo ihn die Türkische Staatsbahn TCDD zum Ziel bringt. In Cerkezköy unterhält BSH Produktionsanlagen, große Lager und ein eigenes Containerterminal. Mit der Umstellung der Transporte auf diesen Ganzzug erspart sich BSH eigenen Angaben zufolge 50 LKW-Fahrten pro Woche. Verkehre auf umweltfreundliche Verkehrsträger zu verlagern ist Teil der BSH-Logistikphilosophie (siehe Kasten unten links). Pro Jahr kommen mit diesem Zug 3000 Container auf die Schiene. Öffnung für andere Verlader denkbar Ob der Zug auch in Zukunft ein Company-Train bleiben wird, ist offen. Es gibt Überlegungen, den Verkehr auszuweiten und künftig auch Boxen von anderen Verladern mitzunehmen. „In diesem Punkt befinden wir uns in einem Projektstatus“, sagt Schoene. Vor Einführung dieses Direktzuges hat BSH im konventionellen Bahnverkehr sowie im Mix von LKW und Short-Sea-Verkehren die Waren zwischen Deutschland und der Türkei transportiert. „Dieser Mix bleibt auch neben dem Ganzzug weiterhin parallel bestehen“, sagt Schoene. ❙❚■ Josef Felix Müller, Korrespondent in Österreich Jede Woche geht ein Zug beladen mit Containern von Giengen in die Türkei Kombinierter Verkehr RCA plant Low-Cost-Carrier Mit Express-Interfracht hat BSH einen Logistikpartner, der sich seit dem Jahr 1947 im Ostgeschäft bewegt und dort über gut Kontakte zu den Institutionen und Verkehrsträgern verfügt. Seit 1999 unter dem Dach von RCA, ist Express-Interfracht praktisch in allen Ländern Osteuropas, einschließlich Russland, Kasachstan und Türkei, präsent und verkauft in erster Linie Speditionsdienstleistungen und bringt so der Mutter RCA Volumen, aber auch neue Kunden. Erik Regter, seit Kurzem für das intermodale Partnergeschäft bei RCA verantwortlich, sagt ganz klar: „Unsere Chancen liegen in Osteuropa einschließlich der Türkei“. Dorthin bewegen sich die Mengen und von dort kommen Volumina, die RCA mit eigener Traktion fahren will und teilweise auch schon praktiziert. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen: In Ungarn hat RCA ihre Tochter Rail Cargo Hungaria (RCH), in Rumänien agiert Rail Cargo Romania und in Italien sitzt Rail Cargo Italia. RCA will die Nummer eins im Ostgeschäft werden und beschreitet dabei neue Wege, etwa durch die Gründung eines eigenen Low-Cost-Carriers ganz speziell für die Ostverkehre. Dabei will ÖBB-Holding-Chef Christian Kern die ungarische Staatsbahn MAV in das Boot holen und so die Verantwortung teilen. Geplant ist, dass der Carrier seinen Sitz in Ungarn hat. Den Verladern sollen Hub-Hub-Verkehre für typische Bahnprodukte wie Stahl, Kohle, Öl oder Chemie angeboten werden. Auch soll das neue Unternehmen unter dem Dach von RCA Kombi-Verkehre fahren. „Die neue Gesellschaft wird von RCA gegründet, die Partnersuche wird über einen strukturierten M&A-Prozess stattfinden“, sagt ÖBB-Sprecherin Sonja Horner. mf Erik Regter: „Unsere Chancen liegen in Osteuropa einschließlich der Türkei“ DIe Strategie von RCA in Ost- und Südeuropa Bosch und Siemens Hausgeräte BSH BSH ist nach eigenen Angaben Europas führender Hausgerätehersteller. Das Unternehmen steigerte seinen Umsatz 2011 um 6,4 Prozent auf 9,654 Milliarden Euro. In der Logistik setzt BSH auf eine Verlagerung der Warentransporte von der Straße auf die Schiene. So ist es der BSH-Logistik gelungen, im vergangenen Jahr die CO2-Emissionen um elf Prozent zu reduzieren. In Werk Giengen hat BSH sein Terminal ausgebaut und neue Gleisanlagen errichtet. Neben dem Zug in die Türkei fahren auch Züge in die Seehäfen Hamburg und Bremerhaven (geplant: fünf Züge die Woche) und ein Zug nach Russland. cd