Interview: "Keinesfalls unaufgefordert anpacken"

Welche Tätigkeiten müssen die Fahrer eines Frachtführers bei der Be- und Entladung übernehmen? Hans Kuckels: Nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) Paragrafen 407 und folgende gar keine - sofern nichts anderes vereinbart ist oder die sogenannte Verkehrssitte nichts anderes vorgibt. Verkehrssitte betrifft etwa den Fall der KEP-Dienstleister. Die Zustellung an der Wohnungstür, mithin die Entladung des Fahrzeugs, ist Verkehrssitte. Und im Bereich üblicher Transportauf träge? Laut Paragraf 412 des HGB ist der Frachtführer ausschließlich für den Transport und das eingesetzte Transportfahrzeug sowie die sogenannte betriebssichere Verladung verantwortlich. Denn er ist Fahrzeugführer und für die Sicherheit im Straßenverkehr verantwortlich. Beladen, Stauen, Sichern und Entladen sind hingegen Angelegenheit des Absenders. Auch das Entladen? Ja, auch das Entladen. Eine Entwicklung aus dem deutschen Rechtverständnis. Das Gesetz verbietet Verträge zulasten Dritter. Wenn also Produzent und Händler einen Vertrag schließen, können sie die daraus erforderlichen Tätigkeiten nicht auf Dritte abwälzen. Der Kaufvertrag betrifft zunächst einmal nur Absender und Empfänger. Sie können als vertragliche Nebenpflicht für den Empfänger die Entladung vereinbaren. Wohlgemerkt: durch den Empfänger, nicht durch den Frachtführer. Wenn es Störungen bei der Beund Entladung gibt, hat sich der Frachtführer an seinen Vertragspartner zu wenden, den Spediteur oder Verlader. Aber die Fahrer werden beim Be- und Entladen in der Regel dennoch eingebunden. Ja - und daraus ergeben sich in der Praxis oft komplizierte Rechtsfälle. Gerade bei der Umstellung von Frei-Haus-Lieferungen auf Ab-Werk. Dann muss der Absender die Ware lediglich an der Rampe bereitstellen. Der Transport einschließlich Verladung fällt dann in die Zuständigkeit des Empfängers. Der schließt einen entsprechenden Vertrag mit dem Frachtführer. Darin muss klar geregelt werden, welche Aufgaben der Frachtführer übernehmen soll, sonst sind Probleme vorprogrammiert. Inwiefern? Allein die Haftungsfragen. Laut Beförderungsvertrag, HGB Paragraf 407, darf der Fahrer keine abweichenden Vereinbarungen zulasten seines Unternehmers schließen. Der Fahrer kann sich zwar vom Absender auf Aufforderung in die Verladeprozesse einbinden lassen - dann ist er aber Verrichtungsgehilfe und für Unfälle bei der Beladung haftet weiterhin der Absender. Wenn der Fahrer ohne Aufforderung und vertragliche Vereinbarungen seines Unternehmers eigenmächtig bei der Verladung tätig wird, liegt die Haftung beim Frachtführer. Er muss dann nach allgemeinem Schadenersatzrecht für den tatsächlichen Schaden aufkommen. Weil die Tätigkeit zudem nicht als vorvertragliche Tätigkeit des Frachtvertrages eingestuft wird, steht der Haftpflichtschutz des Frachtführers zumindest infrage. Wie also sollten Frachtführer und Fahrer agieren? Den Fahrern sollten für jede Tour die Vertragsbedingungen je Ware und Verlader dargestellt und klare Handlungsanweisungen gegeben werden. Sie sollten sich auch nicht zum Büttel des Verladepersonals machen lassen und in keinem Fall unaufgefordert mit anpacken. Eigenmächtigkeit kann hier teure Folgen nach sich ziehen. Gibt es im Rahmen des Frachtvertrages von der Norm abweichende Vereinbarungen, muss der Fahrer das wissen. Wenn nichts anderes vereinbart ist, bleibt es dabei: Der Absender ist für die Beladung, das Stauen, die Ladungssicherung, also etwa das Anlegen von Spanngurten, und die Entladung zuständig - vertraglich nicht vereinbarte Abweichungen können für den Frachtführer teuer werden.

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