Ausgewogene Lösung

Vor der englischen Küste brach im Januar 2007 das Containerschiff Napoli auseinander. Die Untersuchung der britischen Behörden über die Ursache der Havarie ergab: Die 660 Container, die an Deck der Napoli aufgestapelt waren, wogen 312 Tonnen mehr, als in den Frachtpapieren angegeben waren. Auch eine ungleich verteilte Masse im Laderaum könne die Sicherheit eines Schiffes beeinträchtigen, sagt Bertrand Geoffray, Generalsekretär des Internationalen Containerbüros (BIC) in Paris. Geoffray ist ein vehementer Verfechter der Wiegepflicht für Container: "Ein falsch deklariertes Gewicht ist ein echtes Sicherheitsproblem." Das Gewicht werde selten bewusst falsch angegeben, sagt Geoffray. Meistens werde nur geschlampt oder die Verlader wüssten nicht, welches Gewicht einzelne Posten hätten. Denn für den Frachtpreis spielt das Gewicht keine Rolle. Das BIC hat sich deswegen dafür starkgemacht, dass der Sicherheitsausschuss der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO im Mai die Wiegepflicht befürwortet hat. Wenn der Beschluss im November 2014 bestätigt wird, muss das Gewicht jedes Containers ab Juli 2016 verifiziert werden, bevor er auf ein Seeschiff verladen wird. Die EU-Kommission, die selbst nicht Mitglied der IMO ist, hat den EU-Mitgliedstaaten empfohlen, den Antrag zu unterstützen. Es gebe dazu zwar keine europäischen Vorschriften, sagt Kommissionssprecherin Helen Kearns. Das Problembewusstsein nehme aber zu, auch weil immer mehr Container auf See verloren gingen. Das sei nicht nur ein Sicherheitsproblem, sondern auch ein Umweltproblem. In Brüssel ist man froh, dass alle Mitgliedstaaten der EU die Wiegepflicht bei der Abstimmung im Sicherheitsausschuss der IMO befürwortet haben. Die Kommission legt jetzt Wert auf eine flexible Umsetzung: Das Gewicht könne an jeder beliebigen Stelle in der Transportkette festgestellt werden, sagt Sprecherin Helen Kearns. Wie das Gewicht ermittelt wird, steht noch nicht fest. Davon hängt ab, wer die Kosten für das Plus an Sicherheit trägt. Der Verband der europäischen Häfen (ESPO) freut sich zwar, dass die IMO grundsätzlich die Spediteure und Verlader in der Pflicht sieht. Das müsse in den internationalen Regeln und in der europäischen Gesetzgebung aber noch geregelt werden. "Wir müssen unter allen Umständen verhindern, dass das Wiegen die Abläufe in den Häfen behindert und noch mehr Engpässe entstehen", sagt ESPO-Generalsekretärin Isabelle Ryckbost. Verlader wollen pragmatische Lösung Die Verlader haben sich inzwischen mit ihrem Schicksal abgefunden, verlangen aber eine "pragmatische und intelligente" Umsetzung der Wiegepflicht. Es sei auf jeden Fall "völlig illusorisch", dass jede Spedition eine Containerwaage anschaffe, meint Fabien Becquelin, Generalsekretär des European Shipper Council (ESC). Die Lobbyisten der Branche haben, mit Unterstützung einzelner IMO-Mitglieder wie beispielsweise Neuseeland, die Möglichkeit durchgesetzt, dass das Gewicht der Seecontainer auch durch Berechnung ermittelt werden kann. Nach dem Beschluss der IMO muss die Berechnungsmethode von den Behörden der Mitgliedstaaten genehmigt werden. Das alleine reiche allerdings nicht, um Missbrauch bei der kalkulierten Gewichtsermittlung auszuschließen, sagt der Direktor des britischen Gütertransportverbandes (FTA), Chris Welsh. Harte Sanktionen für Betrüger seien ebenfalls notwendig. Forderung nach Toleranzgrenzen Die Verlader, sagt Becquelin, verfügten grundsätzlich über alle Informationen, um das Gewicht der Container zu berechnen. Jedenfalls dann, wenn ihnen das Leergewicht des Containers richtig mitgeteilt werde. Dafür dürften die Verlader nicht haftbar gemacht werden. Bei der Ermittlung des Gewichts der Ladung drängt der ESC auf Toleranzgrenzen. Eine Abweichung um fünf Prozent vom deklarierten Gewicht sei für die Sicherheit kein wirkliches Problem, sagt Becquelin. Eine höhere Präzision habe jedoch ihren Preis. Das gelte auch für den Zeitpunkt, zu dem das genaue Gewicht bekannt sein müsse. Nur wenn man sich auf pragmatische Toleranzwerte verständige, seien die Kosten für die Verlader mittelfristig zu vernachlässigen.

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