Entsenderichtlinie: Kein Konsens in Sicht

N och hat die EU die Frage nicht geklärt, ob ausländische Lkw-Fahrer im Transitverkehr den deutschen Mindestlohn erhalten sollen, da macht Brüssel schon das nächste Fass auf: Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will die Entsenderichtlinie reformieren. Laut dem vorgelegten Entwurf sollen Arbeitnehmer, die Aufträge in einem anderen EU-Land ausführen, künftig mindestens den dort geltenden Tariflohn der jeweiligen Branche erhalten - statt wie bisher nur den Mindestlohn (siehe Seite 16). Verkehrsgewerbe außen vor Grundsätzlich ist es gut, dass die EU die 20 Jahre alte Richtlinie überarbeiten und damit dem starken Lohngefälle auf dem Binnenmarkt einen Riegel vorschieben will. Wie es aussieht, könnte der Straßengüterverkehr dabei allerdings außen vor sein. Mit der neuen Regel will Brüssel vor allem Niedriglöhne auf Baustellen, in Schlachthöfen und auf Feldern bekämpfen. Für das Verkehrsgewerbe denkt man hingegen bereits jetzt über Sondervorschriften nach. Hintergrund: der Streit um den deutschen Mindestlohn im Transitverkehr. Sollte der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landen, weil sich Berlin und Brüssel nicht einigen, könnte die Kommission das Verkehrsgewerbe sogar komplett von der Entsenderichtlinie ausschließen. Für die Unternehmen dürfte die jetzt entfachte Debatte lediglich weitere Verunsicherung bringen. Zumal der Haken beim Einsatz der meist aus Osteuropa stammenden Billiglöhner nicht ist, dass sie "nur" den Mindestlohn des Landes erhalten. Die Krux ist, dass sie häufig schlechter bezahlt sind, weil die Vorschriften nicht befolgt werden. Die Lösung des Problems wären also nicht höhere Löhne, sondern mehr und bessere Kontrollen der bestehenden Vorschriften. In Brüssel hofft man, mit der neuen Entsenderichtlinie einen Kompromiss in der Debatte um das Lohngefälle in der EU zu finden. Ein Konsens ist aber nicht zu erwarten: Die Osteuropäer wehren sich entschieden gegen den Entwurf, sehen sie ihre niedrigen Lohnkosten doch als Wettbewerbsvorteil. Im Westen der Union spricht man dagegen von Lohndumping. Die neue Richtlinie wird also ebenso wenig akzeptiert werden wie die alte.

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