Brüssel. Auf Druck der Verkehrspolitiker des Europaparlaments wird EU-Verkehrskommissar Siim Kallas vorerst darauf verzichten, grenzüberschreitenden Fahrten von Lang-LKW in der EU zu erlauben. Kallas werde heute nicht wie geplant auf der Veranstaltung der International Road Transport Union (IRU) in Brüssel die Neuauslegung der bestehenden Gesetzestexte verkünden, teilte Brian Simpson, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, zu Beginn der heutigen Sitzung mit. Die Kommission werde auch nicht über diese Entscheidung kommunizieren. Kallas wolle seine Pläne jetzt erst im Verkehrsausschuss erläutern, berichtete Simpson von einem Telefongespräch, das er kurz vor Sitzungsbeginn geführt habe. Wann diese Aussprache stattfinden soll, sei noch offen.
Der fraktionsübergreifende Protest der Politiker richtet sich vor allem gegen die Vorgehensweise des Kommissars. Selbst Befürworter der Eurocombi kritisieren, dass Kallas eigenmächtig neue Regeln einführen wollte, ohne vorab die eigentlichen EU-Entscheidungsträger, nämlich das EU-Parlament und den EU-Rat, zu informieren und in den Prozess mit einzubeziehen. Erst über Presseberichte waren die Europapolitiker auf das Vorhaben des Kommissars aufmerksam geworden.
Die Obleute der unterschiedlichen Fraktionen hatten sich daraufhin gestern Abend in einem internen Treffen über die Reaktion des Ausschusses abgestimmt. Sie kündigten an, das weitere Vorgehen der Kommission genau zu analysieren und gegebenenfalls den Rechtsdienst des Parlamentes zwecks Prüfung einzubeziehen.
„Es wäre nicht nur ein eklatanter Rechtsbruch, sondern auch eine offene Missachtung des Europäischen Parlaments als direkt gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gewesen, wenn die Kommission bei einer geplanten Kehrtwende um 180° zuerst die Lobby und die Presse in Kenntnis setzt“, schreibt Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, in einer ersten Stellungnahme zur heutigen Kehrtwende.
„Ich begrüße es ausdrücklich, dass EU-Verkehrskommissar Siim Kallas auf die Empörung des Verkehrsausschusses reagiert und die angekündigte Erklärung über eine neue Interpretation der Rechtslage abgesagt hat. Dass er zunächst den Ausschuss über seine Absichten informieren will, ist eine Selbstverständlichkeit, da nur Parlament und Rat befugt sind, Gesetze zu erlassen oder zu ändern“, so Cramer weiter. (kw)