Investitionsstau auflösen

Eine inhaltsschwere Aussage des Bundesfinanzministers ließ die Teilnehmer des im Wirtschaftsministerium organisierten Investitionskongresses aufhorchen. Er wolle den Aufbau einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und Fernstraßen mit einer Grundgesetzänderung ermöglichen, sagte Wolfgang Schäuble, der nicht zu unbedachten Äußerungen neigt. "Die Argumentationskraft von Sigmar Gabriel und mir ist so stark, dass wir alle dafür gewinnen werden". Auch Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist dafür. Er sei optimistisch, die erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat zustande zu bekommen, gab sich Schäuble zuversichtlich. Bislang dürfen Autobahnen und Bundesstraßen nur vom Bund finanziert werden, während die Länder für Bau und Betrieb zuständig sind. Neue Investitionen in Aussicht Die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für Bundesfernstraßen wird von einer Kommission um den Ökonomen Marcel Fratzscher empfohlen. Sie soll sich aus Mautgebühren finanzieren und ohne Staatsgarantie Kredite aufnehmen können, aber mehrheitlich dem Bund gehören. Außerdem wird zur Finanzierung von Straßenbauprojekten an einen öffentlichen Fonds für Investoren gedacht. Mit Blick auf die gute Wirtschaftslage stellte Schäuble neue Investitionen in Aussicht. "Wir werden jeden Spielraum, den wir in der Finanzpolitik zusätzlich gewinnen, dazu nutzen, um zusätzliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zu leisten." Der CDU-Politiker warnte aber auch vor überzogenen Erwartungen. "Ganz so einfach ist es nicht mit der so oft beschriebenen Investitionslücke". Es gebe auch Experten wie die Bundesbank und den Sachverständigenrat, die gar keine Lücke sähen. Bei Schäubles Sympathieoffensive gegenüber der versammelten Wirtschaft wollte der zuständige Ressortchef Sigmar Gabriel nicht abseits stehen. "Wir müssen mehr tun für den Erhalt von Straßen, Brücken, Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, aber auch der digitalen Infrastruktur", betonte der SPD-Vorsitzende. Gefahr eines Schattenhaushaltes Das politische Echo auf die weitreichenden Investitionspläne fiel überschaubar aus. Gabriels Parteifreund Johannes Kahrs meldete Bedenken an. Der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion meinte, in der Koalition sei man sich einig, dass es keine neuen Schulden und Schattenhaushalte mehr geben solle. "Das ist aber ein Schattenhaushalt, und zwar ein riesiger", sagte er mit Blick auf die geplante Infrastrukturgesellschaft. Die Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms bestand darauf, dass die Schuldenbremse nicht umgangen werden dürfe "und es muss eine funktionierende politische Kontrolle gewährleistet sein, die eine Privatisierung ausschließt". Das Deutsche Verkehrsforum zeigte sich erfreut, "dass die Infrastruktur zum Top-Thema in der Politik geworden ist". Eine Infrastrukturgesellschaft müsse in staatlicher Hand bleiben, die Auftragsverwaltungen der Länder integrieren und die Projekte mehrjährig aus staatlichen Mitteln, Nutzereinnahmen und gegebenenfalls Krediten finanzieren, sagte Geschäftsführer Thomas Hailer. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) sieht einen wertvollen Impuls für die Debatte über die Finanzierung der deutschen Infrastruktur. Der Betrieb einer Infrastrukturgesellschaft dürfe nicht nur auf den Betrieb und die Instandhaltung der Fernstraßen beschränkt sein, "sondern müsse ausdrücklich auch deren Neubau umfassen", machte Hauptgeschäftsführer Frank Huster geltend. -- Der Vorschlag "Die Expertenkommission sieht angesichts der Problemlage dringenden Handlungsbedarf zur Beseitigung des bestehenden Investitionsstaus im Bereich der Bundesfernstraßen. Ziel muss es dabei sein, Beschaffungsprozesse und Projektrealisierung effizient zu gestalten, um den Herausforderungen für eine langfristige, nachhaltige Infrastrukturfinanzierung begegnen zu können. Zudem gilt es sicherzustellen, dass ausreichend Kapital für Betrieb, Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur mobilisiert werden kann. Als langfristige und nachhaltige Lösung zur Sicherung der Investitionen in Bundesfernstraßen ruft die Expertenkommission die Bundesregierung dazu auf, die Einrichtung einer "Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen" (Verkehrsinfrastrukturgesellschaft) zu prüfen.aus: Bericht der Expertenkommission "Stärkung von Investitionen in Deutschland", im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

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