VerkehrsRundschau: Bevor Sie Jost Hellmann, einer der beiden Chefs von Hellmann Worldwide Logistics, im Jahr 1995 in die Unternehmensspitze von Hellmann holte, hatten Sie bereits eine erfolgreiche Karriere als Top-Manager bei Kaffee Hag hinter sich.
Karl Engelhard: Stimmt, eigentlich überlegte ich mir damals sogar, ob ich mich nicht ganz zur Ruhe setze. Stattdessen wurde ich der teuerste Azubi, den Hellmann wohl hatte (lacht). Als gelernter Textilkaufmann hatte ich so gar kein Bild von der Speditionsbranche.
In Ihrem Gespräch mit Jost Hellmann sollen Sie deshalb sogar gesagt haben: „Lkw von A nach B fahren – kann ja nicht so schwer sein.“
Heute würde ich das sicher nicht mehr so formulieren (lacht). Das Speditionsgeschäft ist viel komplexer und viel interessanter, als ich es mir jemals vorgestellt hätte. Ich kann aus heutiger Sicht jeden jungen Menschen nur ermutigen, in diese Branche zu gehen. Wer das internationale Geschäft liebt, wer in die Welt hinaus will, ist in der Spedition bestens aufgehoben.
Das klingt nach echter Begeisterung für die Branche.
Wenn man, wie ich, in den letzten 20 Jahren die Speditionsbranche aktiv begleiten durfte, ist das ganz sicher so. Allein Hellmann ist in dieser Zeit von einer Milliarde D-Mark Umsatz auf ein weltweit tätiges Unternehmen mit drei Milliarden Euro gewachsen. Und die gesamte Branche hat sich in dieser Zeit drei Mal gewandelt. Treiber waren da ganz klar die Neuerungen durch die IT, die Internationalisierung und die steigenden Anforderungen der Auftraggeber in der Kontraktlogistik. Alles das hat das Speditionsgeschäft sehr komplex, höchst anspruchsvoll, aber auch spannend gemacht.
Wie hat sich in dieser Zeit das Verhältnis zu Kunden verändert? Eine echte Partnerschaft – gibt es die heute noch?
Echte Partnerschaft gibt es noch. Aber es gibt auch viele Auftraggeber, die nur den billigsten Dienstleister nehmen. Die Wechselbereitschaft der Kunden ist heute höher als zu Beginn meines Berufslebens. Dazu kommt, dass Spediteure heute gläsern sind – der Kunde verfügt dank der IT über die gleichen Daten wie der Dienstleister. Andererseits rücken durch die zunehmende Verzahnung ihrer IT-Systeme Spediteure an ihre Kunden näher heran. Heute sind sie quasi Teil des Auftraggeber-Unternehmens.
Welche Zukunft haben vor diesem Hintergrund noch Familienbetriebe in der Speditionsbranche?
Familienunternehmen haben in der Speditionsbranche eine Zukunft. Davon bin ich überzeugt. Voraussetzung ist aber ihre unbedingte Anpassung an die Kunden-Erfordernisse. Zudem sollten Sie die Stärken von Familienunternehmen nicht unterschätzen! Diese haben ein großes Plus: Sie sind inhabergeführt. Ihnen steht eine Unternehmerpersönlichkeit vor und kein Manager. Da entscheidet man schnell. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich war selbst in Konzernen tätig. Schwächen von Familienunternehmern sind, dass sie zuweilen zu schnell, zu sehr aus dem Bauch heraus ihre Entscheidungen treffen. Gefahr ist sicher auch, dass sie möglicherweise ihren Betrieb einmal verkaufen oder aufgekauft werden.
Welchen Rat geben Sie familiengeführten Speditionen für ihre Zukunft auf den Weg?
Wichtig ist, dass man immer mit offenen Karten spielt. Wer glaubt, Kunden über den Tisch ziehen zu können, irrt. Kunden sind mündig. Außerdem sind auch heute, in unserer schnelllebigen Welt, Tugenden wie Ehrlichkeit und Treue sich selbst gegenüber wichtig. Vor allem aber arbeiten wir, auch im Zeitalter der modernen IT, nach wie vor mit Menschen – auch auf der Kundenseite. Das sollte man sich immer vor Augen führen.
Das Interview führte VR-Redakteurin Eva Hassa
Um was es geht: Karl Engelhard verlässt Hellmann
In die Speditionsbranche gelangte Karl Engelhard über Umwege: Erst lernte er Textilkaufmann, dann arbeitete er als erfolgreicher Manager bei Kaffee Hag. 1995 wechselte er zu Hellmann Worldwide Logistics in die Unternehmensspitze. Unter ihm wuchs Hellmann bis 2014 auf über drei Milliarden Euro Umsatz. 2012 erhielt Engelhard eine besondere Ehrung: den „Goldjupiter“ für soziale Marktwirtschaft. Mit 71 Jahren geht Engelhard in den Ruhestand. (eh)