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Interview: Drohen nun Barrieren wie in der Schweiz?

06.07.2016 08:50 Uhr
Interview: Drohen nun Barrieren wie in der Schweiz?
Johanna Werner, Referatsleiterin Zoll- und Außenwirtschaftsrecht bei der IHK für München und Oberbayern
© Foto: IHK für München und Oberbayern

Stichwort Brexit: Was auf Unternehmen zukommen könnte, sagt Johanna Werner, Referatsleiterin Zoll und Außenwirtschaftsrecht der IHK für München und Oberbayern.

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Am 23. Juni haben sich die Briten in einem Referendum für den EU-Austritt entschieden. 51,9 Prozent stimmten für den Brexit, 48,1 Prozent votierten für den Verbleib. Seit dem Referendum sind alle in Aufruhr. Die Unternehmen befürchten nun deutliche Erschwernisse im Warenverkehr. Was auf sie zukommen könnte, sagt Johanna Werner, Referatsleiterin Zoll und Außenwirtschaftsrecht der IHK für München und Oberbayern, im Interview mit der VerkehrsRundschau.

VerkehrsRundschau: Die Briten haben am 23. Juni 2016 in einem Referendum für den EU-Austritt gestimmt. Drohen jetzt in Großbritannien ähnliche Barrieren, wie sie von den Zollgrenzen mit der Schweiz bekannt sind?
Johanna Werner: Nein, zur Panik besteht überhaupt kein Anlass. Für deutsche Unternehmen, die nach Großbritannien exportieren, ändert sich kurzfristig nichts. Großbritannien bleibt auch nach dem Brexit Teil der Europäischen Union. Ernst wird es erst nach Abschluss der Austrittsverhandlungen, die sich locker über zwei Jahre hinziehen können.

Welche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen im Warenverkehr sind dann zu erwarten?
Das lässt sich momentan schwer abschätzen. Wir wissen ja nicht einmal, ob der Brexit politisch auch umgesetzt wird. Entscheidende Frage wird dabei sein: Wird man es hinbekommen, die EU-Mitgliedschaft der Briten durch ein Freihandelsabkommen zu ersetzen? Falls ja, entscheidet da jedes Detail.

Welche Szenarien sind da denkbar?
Klar ist: Wir reden hier nur über die zweitbeste Lösung. Im Idealfall verständigen sich Großbritannien und EU auf ein praktikables und großzügiges Freihandelsabkommen. Das hieße, weiter keine Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs, es fielen keine möglichen Zölle an. Dieses Szenario halten Experten für wahrscheinlich.

Was ist, wenn sich Großbritannien und die EU nicht auf ein Freihandelsabkommen verständigen können?
Dann gelten automatisch die Zollbestimmungen, die im Rahmen der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation) ausgehandelt wurden. Das wäre eine deutliche Verschlechterung. Wir bekämen dann eine Zollspanne in etwa auf dem Niveau, wie sie derzeit zwischen EU und den USA im Zuge von TTIP ausgehandelt wird. Die Zollspannen liegen hier im Durchschnitt bei 2,5 Prozent. Dazu kommt die Frage, wie die EU und Großbritannien im Brexit-Fall die nicht-tarifären Handelshemmnisse handhaben. Das ist tatsächlich ein großes Risiko. Kommt man zu keiner vernünftigen Einigung, etwa über unterschiedliche Rechtsanforderungen und -regularien oder Zertifizierungs- und Prüfverfahren, würde das den Unternehmen das Leben verdammt schwermachen. Aus heutiger Sicht befürchten wir da sehr zähe Verhandlungen.

Ab wann würden die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen für Firmen gelten, auf die sich EU und Großbritannien einigen?
Wie bereits gesagt: Vorläufig passiert nichts. Entscheidend ist der Abschluss des Austrittsabkommens.

Das klingt alles verflixt kompliziert und langwierig. Deshalb fordern ja viele nun Schnelligkeit vonseiten der Politik. Die Frage ist: Wie zielführend ist das wirklich?
Zielführend ist das nicht. Aber darum ging es beim Brexit auch nicht. Die britische Wirtschaft hat sich klar für Europa ausgesprochen. Aber offensichtlich nicht deutlich und engagiert genug.

Für wie wahrscheinlich halten Sie einen Domino-Effekt in anderen EU-Staaten, also den EU-Austritt anderer Staaten wie Polen, Spanien, Niederlande oder Ungarn?
Natürlich werden jetzt Populisten auf der Brexit-Welle reiten. Derzeit ist ein Domino-Effekt aber eher unwahrscheinlich. Nach dem Brexit stellt man EU-weit plötzlich wieder fest, welche immensen Vorzüge ein gemeinsamer Binnenmarkt hat. Aus Sicht der Wirtschaft ist zu hoffen, dass die EU-Staaten die Lektion gelernt haben und nach dem Brexit noch enger zusammenrücken.

Das Interview führte VerkerhsRundschau-Redakteurin Eva Hassa.

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