Interview BWVL

Ängste einfach widerlegen Der Verladerverband BWVL fordert von der Politik einen schnellen Beginn des Probe-betriebs mit Eurocombis. Die BWVL-Spitze, Herbert Götz und Christian Labrot, erläutert im Interview, worauf es beim Einsatz langer LKW-Züge ankommt. Früher Tiefensee, jetzt Ramsauer. Hat sich der Stil im Bundesverkehrsministerium geändert? Christian Labrot: Ja, auf jeden Fall grundlegend. Minister Ramsauer interessiert sich nicht nur oberflächlich für die Probleme der Branche. Im Gegensatz zur Tiefensee-Zeit kommt das Ministerium heute auch einmal auf die Verbände aktiv zu, um aktuelle Fragestellungen zu diskutieren. Die Dialogbereitschaft ist deutlich gestiegen. Sie hoffen also, mehr in die Entscheidungsprozesse einbezogen zu werden? Labrot: Ja, das wünschen wir uns nicht nur, das werden wir! Wirkliche Entscheidungen fehlen bisher noch. Welche sollte der Minister dringend treffen? Labrot: Ganz oben auf der Agenda steht die zügige Überarbeitung des Masterplans Logistik. Hierzu hat das Ministerium uns und andere Verbände auch schon kontaktiert. Es zeichnet sich ab, dass die damals noch unter Minister Tiefensee in den Masterplan hineingeschriebenen Ziele der Verkehrsvermeidung, Verkehrsverteuerung sowie der Verkehrsverlagerung von Straße auf Schiene und Binnenschiff ganz herausgenommen oder modifiziert werden sollen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um unabhängig von Ideologien den Logistikstandort Deutschland zu stärken. Stellen wir uns kurz vor, das Verkehrsministerium hört für sechs Monate auf Ihr Kommando. Was würden Sie als Erstes tun? Herbert Götz: Ich würde eine moderate Anpassung der Lastwagen-Längen und -Gewichte vornehmen. Allein die Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts von heute 40 auf 44 bis vielleicht 46 Tonnen würde bei gewichtsintensiven Gütern die LKW-Verkehre sofort um zehn bis fünfzehn Prozent reduzieren. Und da die 44 Tonnen im Vor- und Nachlauf des Kombinierten Verkehrs schon heute zulässig sind, existieren hier keine Probleme mit Überbelastungen von Brücken und anderen Bauwerken. Diese Maßnahme dürfte damit auch akzeptabel für die Kritiker von neuen Abmessungen und Gewichten sein. Die Kritik an den verschiedenen Eurocombi-Varianten ist groß. Welche neue Maximallänge für LKW-Züge halten Sie für politisch durchsetzbar? Labrot: Wenn man auch die europäische Gesetzgebung und die Regeln unserer Nachbarländer mit betrachtet, dann glaube ich, dass eine Maximallänge von 25,25 Metern und damit das ursprüngliche Eurocombi-Konzept am wahrscheinlichsten umsetzbar ist. Für welche Anwendungsfälle und Branchen wäre diese Eurocombi-Variante wirtschaftlich sinnvoll? Götz: Innovative LKW-Konzepte können schon für fast alle Branchen interessant sein. Im Hinblick auf eine reine Gewichtserhöhung zählen dazu Bereiche mit hohen Ladungsgewichten wie Bau, Chemie oder Mineralölwirtschaft. Insbesondere im Nah- und Regionalverkehr wären hier schnelle und einfache Effizienzsteigerungen zu erzielen. Aber auch bei Volumengütern, die in vielen Branchen anzutreffen sind, würden sich die Auslastungen und damit natürlich auch der Dieselverbrauch und CO2-Ausstoß je transportierter Tonne durch längere Fahrzeuge deutlich verbessern. Für welche Unternehmen es letztendlich wirklich Sinn macht, muss der vom Bundesverkehrsministerium angestrebte Feldversuch für die unterschiedlichen Varianten zeigen. Wir wollen den Probebetrieb daher bewusst offen gestaltet wissen. Der BWVL hat mit anderen Verbänden angeboten, den Bund beim Test von neuen LKW-Konzepten zu unterstützen. Welches Ziel hat ein weiterer Test eigentlich noch? Labrot: Es geht eigentlich nicht mehr um einen Test, sondern um einen Probebetrieb. Dieser soll nachweisen, dass LKW mit größeren Abmessungen und leicht höheren Gewichten praxistauglich und vor allem sicher sind. Dazu brauchen wir eine größere Anzahl von solchen Fahrzeugen auf Deutschlands Straßen. Nur so lassen sich unbegründete Ängste widerlegen. Glauben Sie, dass eine größere Anzahl von Verladern und Spediteuren diesen Probebetrieb durchführen würde? Götz: Ja, aber zwei Dinge wären dazu notwendig: zum einen die Investitionssicherheit. Nur wenn sich die Unternehmen sicher sein können, das neu angeschaffte Equipment auch für den gesamten Lebenszyklus nutzen zu können, werden Spediteure und Verlader bereit sein, sich an diesem Probebetrieb zu beteiligen. Und zweitens: Auch Mittelständler müssen die Chance erhalten, sich an diesem Versuchslauf zu beteiligen, es darf nicht nur eine Aktion für Konzerne, sondern auch für den Mittelstand werden. Der Bundesminister sollte für diesen Probebetrieb möglichst bald neue Maximal-Maße und Gewichte definieren. Innerhalb dieser Grenzen könnten Unternehmen dann unterschiedliche Systeme ausprobieren. Würde es nicht eigentlich auch Sinn machen, die zulässigen Höhen und Breiten der Lastkraftwagen zu überarbeiten? Götz: Bei der Breite auf jeden Fall. Denn schon heute sind für alle Kühlfahrzeuge 2,60 Meter zugelassen. Warum also nicht auch fünf Zentimeter mehr für einen Curtainsider? Bei der Höhe würden einige Zentimeter mehr sicherlich die legale Auslastung bestimmter Verkehre deutlich erhöhen. Aber aufgrund der Verkehrssicherheit dürfte eine allgemeine Erhöhung aufgrund der Brückenhöhen schwierig werden. Denkbar sind aber mehr Ausnahmegenehmigungen bezüglich der Höhe – in Kombination mit Fahrerschulungen und festgelegten Routen. Kritiker befürchten bei Zulassung größerer LKW eine Verlagerung von der Bahn auf den LKW. Sehen Sie dies auch so? Götz: Nein, dieses Argument zieht nicht. Der weit überwiegende Teil des Straßengüterverkehrs spielt sich auf Distanzen bis 200 Kilometer ab. Leider ist die Bahn nur auf wenigen Relationen in der Lage, wettbewerbsfähige Logistikleistungen anzubieten. Im Einzelwagenverkehr gibt es sowohl national wie auch international kaum attraktive Angebote für die Wirtschaft. Wenn man es schafft, leistungsfähige Langstreckenverkehre auf der Schiene zu entwickeln, dann muss die Bahn auch den Eurocombi nicht fürchten und ist zur Genüge beschäftigt. Labrot: In den Jahren 2007/2008 waren alle Verkehrsträger aufgrund der hohen Gütermengen mehr als ausgelastet. Schon bald werden wir diese Transportmengen wieder erreichen. Dann werden wir dringend neue Ideen benötigen, um die erwarteten Gütermengen über unsere bestehende Infrastruktur abwickeln zu können. Die Eurocombi-Varianten stellen eine sinnvolle Möglichkeit dar, schnell und vor allem kostengünstig die Kapazitäten der Transportinfrastruktur zu erweitern. Und gerade mit Blick auf den schrumpfenden Verkehrshaushalt sollten die Verantwortlichen die Kosten-Nutzen-Betrachtung aller Maßnahmen nicht aus den Augen verlieren. Kosten und Preise spielen in jedem Betrieb eine große Rolle. Wie werden sich die Frachtraten für LKW-Transporte entwickeln? Labrot: Da wird sich in diesem Jahr nicht mehr viel ändern ... Götz: Im reinen Ladungsverkehr wird es 2010 noch keinen Trend nach oben geben. Mir ist klar, dass die Preise, die derzeit angeboten werden, oft nicht kostendeckend sind. Als Verlader sehe ich das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn einerseits müssen wir jede Möglichkeit nutzen, um die Kosten zu senken. Wenn uns also Transportleistung mit akzeptabler Qualität zu günstigen Preisen angeboten wird, dann haben wir das zu akzeptieren, ansonsten wären wir schlechte Kaufleute. Aber: Wenn die Situation dazu führt, dass noch mehr Unternehmen aufgeben müssen, werden Verlader das irgendwann teuer bezahlen. Wo liegen denn die Preise im Frachteinkauf im Vergleich zu 2008? Götz: In dem von mir vertretenen Unternehmen fahren wir Transporte innerhalb Deutschlands fast ausschließlich mit der eigenen Flotte oder fest gecharterten Subunternehmern. Unterm Strich haben wir die gezahlten Frachten hier im Vergleich zu 2008 in einer Größenordnung von zirka fünf Prozent abgesenkt. Im internationalen Verkehr haben die Preise im Schnitt mit sieben bis acht Prozent noch etwas stärker nachgegeben, Besonderheiten bei einzelnen Relationen sind aber zu beachten. Ist nicht zu befürchten, dass es irgendwann keine Kapazitäten mehr im Markt geben wird? Labrot: Angespannte Marktsituationen wird es wenn überhaupt nur kurzfristig über einige Monate geben. Die Markteintrittsbarrieren für den Straßengütertransport sind so niedrig, dass es bei Bedarf immer genügend Anbieter von Frachtdienstleistung geben wird. Vielen Spediteuren und Frachtführern wäre schon geholfen, wenn sie nicht so lange Wartezeiten an den Rampen in Kauf nehmen müssten. Wie gravierend ist das Rampenproblem in der Praxis? Götz: Die Wartezeiten beim Be- und Entladen sind ein ganz erheblicher Posten in der Gesamtrechnung für den Dienstleister. Nur wird das in der Preisfindung heute noch viel zu wenig beachtet. Wenn Sie bei einem Verlader regelmäßig vier Stunden warten, dann können sie einen bestimmten Preis nicht mehr halten. Wir vergeben seit 2008 Aufträge nur noch mit festen Ladezeitfenstern. Über alle Werke betrachtet können wir diese Vorgaben auch zu mehr als 80 Prozent einhalten. Handelsunternehmen wie Rewe setzen seit Kurzem EDV-gestützte Systeme für das Zeitfenstermanagement ein. Was ist davon zu halten? Götz: Jedes Unternehmen muss abhängig von seiner Logistikstruktur entscheiden, welcher Weg der richtige ist. Wir haben uns gegen ein EDV-gestütztes System entschieden, weil wir möglichst flexibel sein wollen. Labrot: Ich bin davon überzeugt, dass wir in diesem Bereich ein riesiges Rationalisierungspotenzial haben. Aber der Blick auf die reine Be- und Entladung ist zu eng. Man muss die ganze Kette von Verlader, Spediteur, Frachtführer und Empfänger sehen. Je besser die Kommunikation zwischen den Beteiligten und je enger die Einbindung in kooperative Konzepte gelingt, desto effizienter wird man Prozesse gestalten können. Götz: Das Verstehen der Probleme des anderen, das ist das Entscheidende. ❙❚■ Birgit Bauer, Andre Kranke, Dietmar Winkler Die BWVL-Spitze Herbert Götz (links) und Christian Labrot zu Gast in der VerkehrsRundschau-Redaktion Der BWVL im Gespräch mit der VerkehrsRundschau-Redaktion (v. l.): Andre Kranke (stellv. Chefredakteur), Birgit Bauer (Chefredakteurin), Herbert Götz und Christian Labrot (beide BWVL) und Dietmar Winkler (Redakteur) baa_bildunterschrift Zur Person Herbert Götz Geboren am 24. November 1945 in Seubersdorf, verheiratet, zwei Töchter. 1961 Eintritt beim Holzwerkstoffhersteller Pfleiderer und Beginn der Lehre zum Industriekaufmann. Seit 1967 in der Versandabteilung, zuletzt Leiter Transportlogistik bei der Pfleiderer AG, Neumarkt. Seit April 1978 Gründer und Geschäftsführer der Pfleiderer-Tochter Jura-Spedition als Outsourcing des Werkverkehrs. Seit April 2002 Präsident des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Herbert Götz, Präsident Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Interview BWVL baa_bildunterschrift Zur Person Christian Labrot Geboren am 30. März 1953 in Naumburg, verheiratet, zwei Söhne. Von 1973 bis 1979 studierte Labrot Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrswirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn. Abschluss zum Diplom-Volkswirt. Seit 1. Oktober 1979 ist Labrot in verschiedenen Funktionen im Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) tätig. Bestellung zum BWVL-Hauptgeschäftsführer im Februar 1995. Mitglied in verschiedenen Fachbeiräten in der Verkehrswirtschaft. Christian Labrot, BWVL-Hauptgeschäftsführer Interview BWVL Standpunkte Herr Götz, Herr Labrot, Ja oder Nein ...? Sind Sie mit der Arbeit des Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer überwiegend zufrieden? Wird es in dieser Legislaturperiode zu einer Anhebung der zulässigen Abmessungen für LKW-Züge in Deutschland kommen? Können Fuhrparkbetreiber heute noch in Euro-5-Motortechnik investieren? Warten LKW-Spediteure an den Rampen von Industrie und Handel zu lange? Befürchten Sie für 2010 eine größere Pleitewelle unter den LKW-Transporteuren? Ist die derzeitige Wirtschaftskrise im Großen und Ganzen überstanden? Steigen die LKW-Frachtraten im Ladungsverkehr 2010 um mehr als drei Prozent? Befürchten Sie für das Jahr 2011 einen Mangel an Lastwagen-Frachtraum? Kommt auf Spediteure verstärkt die Anforderung zu, den CO2-Abdruck ihrer Fahrzeuge zu dokumentieren?                   Interview BWVL ZuM verband Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) e.V. Der BWVL ist der größte Verlader-Verband in Deutschland, der sich ausschließlich mit dem Thema Transport und Logistik beschäftigt. Gegründet wurde der Verein mit Sitz in Bonn am 1. April 1955 als Bundesverband für den gesamten Werkverkehr. Der BWVL vertritt die Interessen seiner rund 1500 Firmenmitglieder aus Industrie und Handel gegenüber nationalen und internationalen Behörden und Institutionen. Zu den Zielen des Vereins gehören unter anderem die nachhaltige Liberalisierung und Harmonisierung der Transportmärkte, Rahmenbedingungen für reibungslos funktionierende logistische Prozesse und eine optimale Gestaltung der Informations- und Verkehrsinfrastruktur. ak

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