Interview

Interview Gemeinsame Jagd – größere Beute Nach drei Jahren als Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbands DSLV zieht Mathias Krage im Interview Bilanz und zeigt die Herausforderungen auf, die in der nächsten Zeit vor ihm liegen. Wir sind vor knapp drei Jahren hier in Berlin zusammengesessen, nachdem Sie gerade frisch zum Präsidenten des DSLV gewählt worden waren. Was hat sich für Sie seitdem geändert? Vor allem die Termindichte hat zugenommen. Man darf den Zeitfaktor für dieses Amt nicht unterschätzen. Unter dieser zeitlichen Belastung leiden dann auch manchmal die geschäftlichen Aktivitäten. Wie lautet Ihr Resümee nach dem DSLV-Unternehmertag 2012? In den letzten Jahren haben wir mit jedem Unternehmertag mehr Nähe zwischen den Verkehrsträgern geschaffen. Ich bin zufrieden, dass wir diese Entwicklung erreicht haben. Die Diskussion im Unternehmerforum hat jedoch auch gezeigt, dass wir die Gemeinsamkeiten, die die Verkehrsträger haben, gegenüber Politik und Öffentlichkeit noch besser darstellen müssen. Wobei unser heutiger Gastredner, der Bundesverkehrsminister, uns ein konstruktives Miteinander bestätigt hat. Und er hat einige Änderungen für den Lang-LKW-Feldversuch angekündigt. Ich bin froh, dass jetzt auch Kleinmengen Gefahrgut mit dem Lang-LKW transportiert werden dürfen. Nun können auch die Stückgutnetze über den Einsatz von Lang-LKW in den Zentral-Hubs nachdenken. Bisher scheiterte das an dem generellen Gefahrgut-Verbot. Welches waren für Sie die Höhepunkte Ihrer Amtszeit? Das sind zum Beispiel die guten Kontakte zu den handelnden Personen im Bundesverkehrsministerium. Wobei wir uns schon die Frage stellen, wie es nach der Wahl weitergeht. Ich bin froh, dass wir im Wahljahr mit Frank Huster einen nahtlosen Übergang in der Geschäftsführung des DSLV haben. So können wir die Politik kontinuierlich mit den Informationen versorgen, die sie braucht, um die richtige Verkehrspolitik von morgen für Deutschland zu machen. Der DSLV bekommt mit Frank Huster einen neuen Hauptgeschäftsführer. Wird es dadurch eine neue Ausrichtung geben? Frank Huster ist schon so lange bei uns tätig, dass es sicher keine 180-Grad-Wendung geben wird. Wir werden statt der Doppelspitze Heiner Rogge und Gregor Schild nur noch einen ,Kapitän‘ am Ruder haben. Damit dokumentieren wir die Fusion des Bundesverbands Spedition und Logistik (BSL) und der Vereinigung deutscher Kraftwagenspediteure (VKS) zum DSLV auch personell. Für unsere Mitglieder werden wir uns so noch straffer aufstellen. Das Präsidium gibt weiter die Richtung vor und die Geschäftsführung koordiniert die Geschäftsstelle und sorgt dafür, dass alles läuft. Ich bin jedenfalls zufrieden, dass wir mit einer großen Kontinuität weitermachen können. 2013 wird für uns als Branche wegen der dann anstehenden Koalitionsverhandlungen ein wichtiges Jahr werden. Meine Erfahrung der vergangenen drei Jahre ist: Was im Koalitionsvertrag steht, ist in Stein gemeißelt und kann demokratisch anscheinend auch nicht anders entschieden werden. Sie haben mit Hansjörg Rodi, Chef von Schenker Deutschland, den Vertreter einer Konzernspedition in das Präsidium gewählt. Bedeutet das einen Richtungswechsel, weg vom Mittelstand? Nein, sicher nicht. Hansjörg Rodi folgt auf Harry Dumser, der ebenfalls Vertreter eines ehemaligen Konzernbereichs war. Mit dem Repräsentanten eines Großunternehmens bilden wir diesen Bereich weiterhin ab. Aus kartellrechtlichen Gründen haben sich die größeren Unternehmen in den vergangenen Jahren zum Teil aus der Verbandsarbeit zurückgezogen. Wir müssen Mittel und Wege finden, dies zu beenden. Dabei widerlegt der Markt tagtäglich, dass es hier zu Preisabsprachen kommt. Worauf wir allerdings achten müssen ist, dass die Liquidität der Großunternehmen nicht das Zünglein an der Waage ist, und der Mittelstand dadurch auf der Strecke bleibt. Gibt es Themen, bei denen Sie in Ihrer Amtszeit gescheitert sind? Ein brandaktuelles Thema ist die Gelangensbestätigung. Wir haben jetzt das Wirtschafts- und das Verkehrsministerium um Schützenhilfe gebeten, damit das Finanzministerium dieses Thema neu aufrollt. Es kann nicht sein, dass Deutschland hier einen Alleingang unternimmt. Es kann auch nicht sein, dass die Dienstleister eine Verantwortung übertragen bekommen, der sie überhaupt nicht gerecht werden können. Diese Dinge müssen anders angefasst werden. Es darf hier keinen Gesichtsverlust geben, nur weil irgendjemand etwas falsch vorgedacht hat. Was sehen Sie als weitere große Herausforderungen für die Speditionen? Wir haben die Mauthöhenproblematik vor uns. Der Verkehrsminister hat heute angekündigt, im Herbst dazu etwas vorlegen zu wollen. Dann werden wir sehen, ob wir den Termin 1. Juli 2013 halten können oder doch über 2014 sprechen müssen. Ein großer Erfolg ist es jedenfalls, dass das Ministerium sich an das Mautmoratorium gehalten hat. Wie sind Ihre Prognosen für die Mauthöhe? Da könnte ich jetzt auch in eine Glaskugel schauen. Ich glaube nicht, dass es zu einer deutlichen Anhebung kommen wird. Daran müssen allerdings auch alle Verbände gemeinsam arbeiten. Wir müssen die Politiker aller Richtungen davon überzeugen, dass eine deutliche Mauterhöhung für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht die richtige Antwort wäre, um Arbeitsplätze zu erhalten. Der Mauthöhenkompromiss ist vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung BGL und dem Verband der Automobilindustrie VDA vorgelegt worden. War er im Sinne des DSLV? Wir haben dazu keine andere Meinung. Allerdings fehlte mir hierzu die Abstimmung. Bisher ist dieser Vorstoß von der Politik noch nicht beantwortet worden – außer der Ankündigung heute. Wenn wir jagen, sollten wir das im Rudel tun. Ansonsten ist die Beute zu klein, die wir erlegen können, verglichen mit dem Aufwand, mit dem wir die Jagd betreiben. Das hat man hier gut gesehen. Bei der DSLV-Versammlung im vergangenen Jahr sprachen Sie von einer drastischen Erhöhung der Fahrerlöhne. Hat sich das bestätigt? Die Preise für das Fahrpersonal sind deutlich gestiegen. Wir selber müssen den Unternehmen, die wir einsetzen, deshalb auch höhere Vergütungen zahlen. Der Fahrermangel ist angekommen. Wir verlieren im Jahr 20.000 Fahrer und gewinnen 6000 dazu. Auch in anderen Bereichen fehlen die Fachkräfte. Müssen Speditionen mehr ausbilden? Wir bewegen uns bei der Vergütung im unteren Drittel der Tariflandschaft. Das hat Auswirkungen auf die Berufseinsteiger. Wir müssen mehr direkte Kontakte zu den potenziellen Auszubildenden knüpfen. Ich selber habe gute Erfahrungen mit dem Schülerpraktikum gemacht. Ein Drittel meiner Auszubildenden ist bereits als Praktikant im Unternehmen gewesen. Danach wussten sie, wie die Arbeit bei uns aussieht. Und die hat ihnen offenbar gefallen. Bekommen Sie Bewerbungen für Ausbildungsstellen über Facebook? Ich finde diese Form nicht optimal. Die jungen Menschen stellen dort zu viel ein, was ihrer Karriere unter Umständen nicht dienlich ist. Wir werten diese sozialen Medien nicht aus. Größere Betriebe tun dies jedoch bereits. Inwieweit macht sich die Verschärfung der gesamtwirtschaftlichen Situation bei den Speditionen bemerkbar? Die Wirtschaftskrise in den Nachbarstaaten merken wir natürlich schon länger. Die Rundlaufverkehre in Europa befinden sich schon seit einiger Zeit in einem gewissen Missverhältnis. Die momentane Verunsicherung von Wirtschaft und Konsumenten macht sich jetzt bemerkbar und kennzeichnet auch den beginnenden Sommerrückgang. Trotz dieser konjunkturellen Dämpfung haben wir jedoch noch Vollbeschäftigung. Jetzt dürfen wir nur nicht über einen ruinösen Preiswettbewerb versuchen, unsere Mengen zu halten. Wird es wieder mehr Insolvenzen geben? Das ist nicht auszuschließen. Wir sind abhängig von der Nachfrage. Wenn die morgen nicht mehr da ist, fahren wir auch nicht mehr. Aber ich glaube, die Kollegen haben viel aus der Krise gelernt. Was die Kapazitäten betrifft, sind alle vorsichtiger geworden. Die andere Seite ist der Logistikbereich. In den Regionen gibt es Probleme, weiter Logistikstandorte zu generieren. Die Lagerkapazitäten sind absolut ausgelastet. Hier habe ich deshalb keine negativen Erwartungen. Der BGL wählt im Herbst einen neuen Präsidenten. Ihr Kollege aus dem Gesamtverband Niedersachsen, Adalbert Wandt, steht hierfür bereit. Werden DSLV und BGL näher zusammenrücken? Ich kann mir einen engeren Schulterschluss gut vorstellen. Wir sind bei vielen Themen gar nicht weit auseinander. Außerdem erleben wir es immer wieder, dass die Politik gerne mit einem Partner spricht. Gerade in den nächsten beiden Jahren wird es wichtig sein, unsere Standpunkte gemeinsam zu vertreten. Das gilt auch für den Werkverkehr, hier gibt es ebenfalls gemeinsame Interessen. Wie ich es auch schon gesagt hatte: Gemeinsam erlegt man die größere Beute. Wenn wir in drei Jahren wieder hier sitzen, was würden Sie uns dann gerne sagen können? Dass wir politisch das weitergelebt haben, was wir die letzten drei Jahre erleben konnten. Wir sind von der Politik sehr positiv begleitet worden. Dieses Einvernehmen hatte ich von meinen Vorgängern nicht unbedingt gehört. Insofern kann es nach der Wahl auch schwieriger werden. ❙❚■ Birgit Bauer, Michael Cordes DSLV-Präsident Mathias Krage (Mitte) im Gespräch mit den VerkehrsRundschau-Redakteuren Birgit Bauer und Michael Cordes Mathias Krage: „2013 wird für uns als Branche wegen der anstehenden Koalitionsverhandlungen ein wichtiges Jahr“ Vita Mathias Krage Der Niedersachse, geboren am 26. März 1957, führt gemeinsam mit seinem Bruder Joachim die Unternehmen Krage Speditions-Gesellschaft, Hannover, Krage Potsdam und die Beteiligung Krage & Gerloff Logistik, Schwanebeck. Insgesamt haben die Unternehmen 600 Mitarbeiter und 90 eigene LKW. In der Stückgutkooperation IDS ist Krage einer der starken mittelständischen Partner. Krage ist auch Gesellschafter bei Kombiverkehr. bb Der DSLV Wiederwahl Die Mitgliederversammlung des DSLV hat Mathias Krage nach seinem Amtsantritt vor drei Jahren als Präsidenten bestätigt. Dem Präsidium gehören außerdem an als Stellvertreter Willem van der Schalk, A. Hartrodt, sowie Michael Kubenz, Kube & Kubenz, Hansjörg Rodi, Schenker Deutschland und Johannes Offergeld, Adam Offergeld Spedition. Der DSLV wurde 2003 gegründet und ist ein Zusammenschluss des Bundesverbands Spedition und Logistik BSL und der Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure VKS. Über seine Mitgliedsverbände repräsentiert der Verband rund 3500 in Spedition und Logistik tätige Mitgliedsunternehmen. bb Interview Interview