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Immer mehr Pleiten: Unternehmen "wacklig wie seit Jahren nicht mehr"

24.06.2024 13:34 Uhr | Lesezeit: 5 min
Insolvenz
Im ersten Halbjahr nahm die Zahl der Firmenpleiten in allen Wirtschaftsbereichen deutlich zu
© Foto: Markus Bormann/stock.adobe.com

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland hat deutlich zugenommen. Ob Dienstleistungen, Baugewerbe oder Handel: Alle großen Wirtschaftsbereiche verzeichnen einen starken Anstieg.

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Galeria Karstadt Kaufhof, FTI Touristik, Esprit Europa – zahlreiche große Unternehmen in Deutschland sind in diesem Jahr in die Schieflage geraten und haben Insolvenz angemeldet. Die Zahl der Pleiten von mittleren und großen Betrieben hat sich In den ersten sechs Monaten des Jahres 2024 im Vergleich mit dem Vorjahr verdoppelt. Das teilte die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Montag, 24. Juni, mit. Aber nicht nur für die Großen sind es herausfordernde Zeiten. Auch insgesamt ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich gestiegen. Mit 11.000 waren es knapp 30 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Es ist der höchste Stand seit fast zehn Jahren. Der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch, sieht dafür mehrere Gründe. "Die Unternehmen kämpfen im ersten Halbjahr 2024 weiter gegen die Auswirkungen der Rezession in 2023, anhaltende Krisen und die kraftlose konjunkturelle Entwicklung in diesem Jahr." Dies breche zahlreichen Betrieben das Genick. "Die Unternehmensstabilität in Deutschland ist derzeit so wacklig wie seit vielen Jahren nicht mehr", so Hantzsch. 

Branchenverband: "Katastrophale Lage im Wohnungsbau"

Im ersten Halbjahr waren etwa 133.000 Beschäftigte von einer Insolvenz betroffen. Die Zahl der Firmenpleiten nahm in allen Wirtschaftsbereichen deutlich zu. Die Dienstleistungsbranche verzeichnete 6500 Pleiten und legte damit um gut ein Drittel zu. Einen starken Anstieg gab es auch im Baugewerbe (+27,5 Prozent) und im verarbeitenden Gewerbe (+21,5). Auffällig ist Hantzsch zufolge vor allem die Entwicklung im Bau-Sektor, dieser sei volkswirtschaftlich besonders relevant. Der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, Felix Pakleppa, sagte zu den Zahlen: "Die deutliche Zunahme der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe ist besorgniserregend und vor allem auf die katastrophale Lage im Wohnungsbau zurückzuführen." Genehmigungs- und Auftragszahlen seien stark eingebrochen. Jetzt drohe der Weggang von Tausenden Fachkräften, die für wichtige Aufgaben wie Wohnungsbau und Energiewende dringend benötigt würden, sagte Pakleppa. Der Grund für ein grundsätzlich höheres Insolvenzrisiko sei, dass Bauunternehmer sämtliche Kosten wie Baumaterial und Löhne vorfinanzieren müssten. Bauvorhaben verteuerten sich wegen des kräftigen Anstiegs der Kreditzinsen und gestiegener Baukosten in den vergangenen zwei Jahren stark. Nach Angaben des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie sind die Firmen aus der Branche von der Insolvenzwelle unterschiedlich stark betroffen. "Dass gerade Projektträger aufgrund des kriselnden Wohnungsbaus in Schwierigkeiten geraten, ist nicht verwunderlich", sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Bei mittelständischen und größeren Bauindustriebetrieben sei die Lage jedoch stabil. Im Handel ist die Zahl der Firmenpleiten im ersten Halbjahr um ein Fünftel gestiegen. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), Stefan Genth, sagte dazu: "Der Einzelhandel geriet in den letzten Jahren angesichts einer hohen Kostenbelastung und eines schwachen privaten Konsums unter Druck. Viele Unternehmen mussten sich den schwierigen Rahmenbedingungen noch geschwächt aus den Jahren der Corona-Pandemie stellen." Seit 2020 mussten laut HDE deutschlandweit etwa 46.000 Geschäfte schließen.

Aufgestaute Probleme der jüngsten Krisen

Vor allem bei größeren Betrieben liegt das Insolvenzgeschehen weit über dem Niveau der vergangenen Jahre. Creditreform-Experte Hantzsch sieht die Ursache vor allem in den aufgestauten Problemen der jüngsten Krisen. Zahlreiche verschuldete Firmen könnten aufgrund der schlechten Wirtschaftslage den Zahlungsverpflichtungen kaum nachkommen. Vor allem große Unternehmen würden die Insolvenz als Chance in der Krise begreifen, um sich aus der Schieflage zu befreien, so Hantzsch. Beispiele wie Galeria zeigten jedoch, dass dieser Weg nicht immer funktioniere. Die Kaufhauskette hatte im Januar zum dritten Mal innerhalb von weniger als vier Jahren einen Insolvenzantrag gestellt. Zu den Branchen mit dem größten Risiko zählen laut Creditreform die Bereiche Abbrucharbeiten, Post-, Kurier- und Expressdienste, private Wach- und Sicherheitsdienste, Hoch- und Tiefbau, Umzugstransporte sowie Restaurants, Gaststätten, Cafés und Ähnliches. Hier liegt die Zahl der gefährdeten Betriebe je 10.000 Unternehmen bei 500 und mehr. Ebenfalls etwas gestiegen ist in Deutschland in den ersten sechs Monaten 2024 die Zahl der Verbraucherinsolvenzen. Sie lag mit 35.400 knapp sieben Prozent über dem Vorjahr. Dies ist den Experten zufolge vor allem auf die Inflation und hohe Zinsen zurückzuführen.

Anstieg in Niederlanden und Frankreich deutlich größer

Ein internationaler Vergleich von Creditreform zeigt: In den meisten westeuropäischen Ländern sind die Insolvenzzahlen von Unternehmen zuletzt angezogen, in einigen sogar stärker als in Deutschland. Besonders hoch war der Anstieg im Jahr 2023 in den Niederlanden (+54,9 Prozent) und in Frankreich (+35,6). Wenig optimistisch fällt der Blick nach vorn aus. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) sah kürzlich zwar positive Signale. So war die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland im Mai erstmals seit November 2023 wieder gesunken. Viele Experten erwarten jedoch, dass die Insolvenzzahlen weiter steigen und in diesem Jahr zum ersten Mal wieder das Niveau vor der Pandemie übertreffen. Der Kreditversicherer Allianz Trade korrigierte seine Prognose für 2024 gerade nach oben: auf 21.500 Fälle. "Die Insolvenzen haben merklich angezogen, sowohl in Deutschland als auch weltweit. Mit einer Stabilisierung rechnen wir erst 2025", sagte der Leiter der Insolvenzanalyse, Maxime Lemerle. Das Statistische Bundesamt hatte für das vergangene Jahr 17.814 Firmenpleiten gezählt. Trotz eines deutlichen Anstiegs war das im langjährigen Vergleich ein vergleichsweise niedriger Wert: Im Jahr 2009 während der Finanz- und Wirtschaftskrise waren fast 33.000 Unternehmen hierzulande in die Zahlungsunfähigkeit gerutscht.

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