Bozen. Die Handelskammer Bozen in Südtirol hat am Dienstag ein vom Europarechtsexperten Peter Hilpold verfasstes Rechtsgutachten zum sektoralen Fahrverbot in Tirol vorgestellt. Dies kommt laut Mitteilung der Handelskammer zum Schluss, dass das sektorale Fahrverbot unverhältnismäßig und in der Folge EU-rechtswidrig sei.
"Willkürlich und diskriminierend"
Um die Konformität des neuen sektoralen Fahrverbots zu überprüfen, habe Professor Hilpold, Europarechtsdozent an der Universität Innsbruck, das Verbot auf seine Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit überprüft. Dabei wurde bemängelt, dass die Wahl der „bahnaffinen Güter“ beim Fahrverbot willkürlich und diskriminierend getroffen wurde. So ergebe sich zum Beispiel beim Gut „Getreide“ ein klarer Wettbewerbsnachteil für die Südtiroler Industrie durch das sektorale Fahrverbot. Darüber hinaus scheine es keine Maßnahmen zur Vermeidung von Umgehung und Missbrauch des Verbots durch Tiroler Firmen zu geben. Kürzlich habe auch die Europäische Kommission auf eine Anfrage des EU-Parlaments geantwortet, dass ihr keine diesbezüglichen Maßnahmen bekannt seien. Und dies, obwohl Österreich gegenüber dem EuGH im Jahr 2011 solche Maßnahmen versprochen hatte, wie in der Mitteilung der Handelskammer Bozen betont wird.
Hohe Umgehungs- und Missbrauchsgefahr
Die Umgehungs- und Missbrauchsgefahr sei vor allem auf die Anwendung der Quell- oder Zielverkehrsregelung beim Tiroler Fahrverbot zurückzuführen. Der EuGH hatte 2011 gewisse Ausnahmen für regionale Verkehre vom sektoralen Fahrverbot zugelassen, Tirol hat die Ausnahme allerdings auch auf Fernverkehre mit Quelle oder Ziel in der Tiroler Kernzone ausgeweitet. Die Einbeziehung von Fernverkehren in diese Ausnahmeregelung widerspreche der gesamten Logik der Ausnahme für regionale Verkehre und sei damit auch EU-rechtlich nicht haltbar.
Auch die umweltpolitische Zielsetzung des Verbots wurde unter die Lupe genommen. So stelle sich die Frage, ob angesichts der Luftwertdaten, welche großteils die EU-Vorgaben bereits erfüllten, weitere Beschränkungen zulässig seien. Die damit zu erzielenden Verbesserungen der Luftwerte stünden in keinem Verhältnis zu den Beeinträchtigungen für den freien Warenverkehr. Die Verbesserungen in der Technik, die laufend zur Senkung der Schadstoffemissionen bei den Lkws führe, müsse auch zu einer Anpassung bei den beschränkenden Maßnahmen führen.
Das Rechtsgutachten wird im Rahmen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit am 11. Februar auch in Deutschland im Beisein des EU-Abgeordneten Markus Ferber und der bayerischen Verkehrsministerin Kerstin Schreyer und Vertretern der Industrie- und Handelskammer München sowie der deutschen Wirtschaftsverbände vorgestellt. Außerdem wird das Gutachten der Europäischen Kommission übermittelt.