Gesundes Misstrauen plus Megapixel

Der Zaun ist aufgeschnitten, das Rolltor aufgestemmt, die Palette Handys weg - und was nun? Viele Betriebe, bei denen eingebrochen wurde, neigen zu Kurzschlussreaktionen. Oft wird dann in aller Hektik Sicherungstechnik angeschafft, zum Beispiel hochauflösende Kameras mit Internetzugang. Dahinter steht die Hoffnung, so künftige Diebstähle verhindern zu können. Doch genau vor dieser Betonung der technischen Seite warnen Experten. "Entscheidend sind die Organisationsmaßnahmen", betont Klaus-Dieter Baier vom Beratungsunternehmen DESA Investigation and Risk Protection. Der Experte wird häufig von Unternehmen engagiert, die Opfer eines Einbruchs geworden sind; er kennt die Fokussierung auf Sicherheitstechnik. Baiers Credo: "Technik meldet, Menschen verhindern Einbrüche." Ein Video für Sicherheit und Logistik Grundsätzlich müssen die meisten Logistikbetriebe Sicherheitsauflagen erfüllen. Diese werden entweder vom Gesetzgeber, den Kunden oder der eigenen Versicherung diktiert. Vorgeschrieben sind zum Beispiel Gegenmaßnahmen entsprechend den Vorgaben der VdS Schadenverhütung. Darüber hinaus können Betriebe Sicherheitszertifikate erwerben, zum Beispiel von der Schutz- und Aktionsgesellschaft für die Entwicklung von Sicherheitskonzepten in der Spedition (Safe) oder der Transported Asset Protection Association (Tapa). Wer wissen will, was zu den Grundlagen in Sachen Einbruchschutz gehört, braucht nur in die Anforderungskataloge dieser Organisation zu schauen. Als unerlässlich gelten zum Beispiel diese Punkte: - Das Betriebsgelände ist umzäunt und in Gänze gut beleuchtet. - Ein- und Ausfahrten sind durch Schrankenanlagen gesichert. Alle Fahrzeugbewegungen werden protokolliert. - Die Gebäude beziehungsweise Hallentore sind mit einer Einbruchmeldeanlage gesichert. Auch eine Videoüberwachung von Gelände und Immobilien gilt mittlerweile als selbstverständlich. "Das ist nicht nur ein gutes Werkzeug zur Beobachtung, sondern auch zur Sendungsverfolgung", erklärt Alex Kotsiwos von Safe. Er verweist auf die Möglichkeiten der Scandatenverknüpfung. Moderne Sicherheitssysteme speichern nämlich, sobald eine Palette von einem Mitarbeiter gescannt wird, automatisch ein Videobild des Vorgangs. Das gibt nicht nur wertvolle Anhaltspunkte zur Aufklärung von Diebstählen, sondern hilft auch dabei, Ware auf dem Betriebsgelände zu lokalisieren. Bei Thema Video stellt sich die Frage, was mit den Bildern letztendlich geschieht. Reicht es, wenn nur aufgezeichnet und 30 Tage lang gespeichert wird? Oder braucht es eine pausenlos besetzte Alarmzentrale, die ein Auge auf die Bilder der Videokameras hat? "Das hängt von den bewegten Werten ab", sagt Experte Kotsiwos. Hintergrund: Meistens überwachen solche Zentralen mehrere Objekte gleichzeitig, das heißt, die Mitarbeiter sehen nicht nur Live-Bilder aus der Spedition, sondern müssen auch noch etliche Parkhäuser oder Seniorenheime im Blick behalten. Eine 24 Stunden besetzte eigene Pforte, die ausschließlich ein Objekt überwacht, sei für mittelständische Speditionen oft zu kostspielig, so Kotsiwos. Viele Unternehmen begehen den Fehler und lassen ihr Sicherheitskonzept von der gleichen Person erstellen, die nachher auch die Technik verkauft. Das führt nicht selten zu einer übertriebenen, nicht kosteneffizienten Hochrüstung. Experten empfehlen stattdessen, in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst sollte ein unabhängiger Berater engagiert werden, der die Risiken analysiert, mit der Polizei vor Ort spricht und dann ein Konzept erarbeitet. Erst danach sollte die entsprechende Technik beschafft werden. Videoüberwachung und Alarmanlage können nur ein Teil des Sicherheitskonzepts sein. "Zu viel Technik desensibilisiert", warnt Experte Baier. Er erlebt in seiner Beratungspraxis immer wieder, dass Unternehmen sich zu sehr auf die Hardware verlassen. Dann passieren Fälle wie dieser: Ein Betrieb schafft hochwertige, von Bewegungsmeldern ausgelöste Kameras an. Nach der Installation wiegen sich die Mitarbeiter in Sicherheit und schauen bei den Überwachungsbildern nicht mehr so genau hin. Eines Tages ist ein LKW auf dem Bildschirm zu sehen, in den ein Mann seelenruhig eine Palette einlädt. Niemand schöpft Verdacht. Hinterher stellt sich heraus, dass es ein Dieb war. Die Kameras liefern zwar das Kennzeichen - doch das war gefälscht. Ein gesundes Misstrauen der Mitarbeiter hätte in diesem Fall mehr gebracht als alle Megapixel. Diebe testen erst einmal, was passiert Deshalb gibt Berater Baier seinen Kunden einen Rat: Augen auf! Extrem wichtig ist seiner Meinung nach der Umgang mit sogenannten Vorfeld-Aktivitäten, zum Beispiel wenn Diebe testweise einbrechen. Solche Vorfälle werden oft unter den Tisch gekehrt. Argument: Es ist ja nichts weggekommen. Dabei sollten sie ein Weckruf für jeden Sicherheitsverantwortlichen sein. Nach jedem Vorfall, sei es versuchter oder vollendeter Einbruch, muss es eine Analyse geben. Was hat zu dem Diebstahl geführt? Wodurch wurde er begünstigt? Wurden die Sicherheitsvorgaben eingehalten? Was können wir daraus lernen? Dann sollten Konsequenzen - organisatorisch wie technisch - gezogen werden, und zwar mit langem Atem. Gerade an Letzterem mangelt es oft. "Erst klingeln die Telefone und Entscheider suchen Lösungen, nach sechs Wochen dominiert wieder das Tagesgeschäft", weiß Baier. Ein weiterer Punkt: Das Sicherheitskonzept sollte regelmäßig weiterentwickelt werden. "Es gibt immer neue Schnittstellen und veränderte Rahmenbedingungen", sagt Baier. Als preiswerte Gegenmaßnahme empfiehlt er Unternehmern, sich regelmäßig mit ihren Wettbewerbern zu treffen und über kriminelle Angriffe und Ursachen auszutauschen. Die so gewonnenen Informationen können genutzt werden, um die eigenen Maßnahmen gegen Einbrüche zu verbessern. Ein guter Weg, um auch nach außen sein Sicherheitskonzept zu dokumentieren, sind Zertifikate, etwa die von Tapa oder Safe. Um sie zu erhalten, muss ein Audit bestanden werden, das ein Fachmann von einer externen Stelle wie TÜV, SGS oder Veritas durchführt. Experten beurteilen solche Zertifikate grundsätzlich positiv. "Alles, was Struktur reinbringt, ist gut", meint Baier. Aber wie auch bei der Technik gelte: Die schönste Urkunde in der Lobby bringt nichts, wenn die Sicherheitsmaßnahmen nicht ab und zu kritisch hinterfragt werden. Ein besonders großes Risiko lässt sich ohnehin nur schwer beseitigen: der Mensch. Es ist kein Geheimnis, dass viele Einbrecher von innen Unterstützung bekommen. Zufriedene Mitarbeiter klauen nicht Experte Kotsiwos warnt allerdings vor Pauschalverdächtigungen: "Das müssen nicht direkt Mitarbeiter sein; die Tippgeber können auch bei den Verladern sitzen oder bei Subunternehmern." Er empfiehlt einerseits, alle zwei bis drei Jahre die polizeilichen Führungszeugnisse des Personals zu kontrollieren. Andererseits sollten sensible Daten, etwa zum Sendungseingang, möglichst wenigen Personen zugänglich gemacht werden. Fakt ist aber auch, dass in Firmen mit schlechtem Betriebsklima oder unterdurchschnittlicher Entlohnung die Mitarbeiter besonders stark dazu neigen, sich als Tippgeber etwas dazuzuverdienen. Wer Einbrüche verhindern will, sollte also nicht nur auf Bauliches und Technik achten, sondern auch auf zufriedene, eigene Mitarbeiter. Einfach Vorbeugen Sieben Maßnahmen, mit denen sich Einbrüche verhindern lassen 1 Sorgen Sie dafür, dass Tore nicht nur nach Feierabend verschlossen sind, sondern auch im laufenden Betrieb. Gegen diese Regel wird häufig verstoßen, zum Beispiel, um frische Luft hereinzulassen oder weil neue Sendungen erwartet werden. Prüfen Sie außerdem regelmäßig die Hebebühnen. Sie sacken oft ab, sodass zwischen Bühne und Tor ein Spalt entsteht, der aufgehebelt werden kann.2 Achten Sie darauf, dass es rund um den Zaun, der das Betriebsgelände umgibt, keine Bäume oder Bauwerke gibt, an denen Leitern oder Ähnliches angelegt werden können.3 Stellen Sie Brücken aus Platzmangel nicht außerhalb einer gesicherten Halle ab. Erst recht nicht auf einem Nebenbetriebsgelände oder öffentlichen Parkplatz.4 Achten Sie bei der Planung darauf, dass die Beleuchtung des Betriebsgeländes nicht nur auf den Kernbereich konzentriert ist. Auch die Grundstücksgrenze sollte gut ausgeleuchtet sein.5 Bestehen Sie darauf, dass der Wachdienst seine Touren regelmäßig ändert. Erfolgen Rundgänge zu den immer gleichen Zeiten oder in großen Abständen, spielt das Einbrechern in die Hände.6 Machen Sie die Mitarbeiter regelmäßig auf Risiken aufmerksam, die durch Informationslecks entstehen. Weder eigenes Personal noch das von Subunternehmern sollte privat über Details aus dem Unternehmen sprechen.7 Sorgen Sie dafür, dass die Einbruchmeldeanlage regelmäßig gewartet wird. cg Dem Risiko auf der Spur Ihr Betrieb ist für Einbrecher besonders interessant, wenn ... .... Sie Waren transportieren oder lagern, die entweder einen hohen Wiederverkaufswert haben (Zigaretten, Unterhaltungselektronik) oder sich im Nachhinein nur schlecht als Diebesgut identifizieren lassen (Metall)..... Sie in einem Gebiet wohnen, in denen es häufig zu Einbrüchen kommt. Das mag banal klingen, aber potenzielle Einbrecher lassen sich oft von erfolgreichen Tätern inspirieren. Ist eine Angriffsmethode erfolgreich, wird sie häufig von anderen Kriminellen in der Region kopiert..... in Ihren Betrieb in der Vergangenheit schon einmal eingebrochen wurde. Denn Diebe kehren häufig zurück, wenn sie schon einmal an einem Ort Beute gemacht haben..... es in Ihrem Betrieb zu Sicherheitsvorfällen kommt. Sie sollten hellhörig werden, wenn sich versuchte Einbrüche ereignen, es häufig zu Fehlalarmen kommt oder Sicherheitseinrichtungen beschädigt werden. All das können Anzeichen dafür sein, dass Kriminelle Ihr Unternehmen auskundschaften - als Vorbereitung für einen zukünftigen Einbruch..... die Personalfluktuation hoch ist. Grund: Dadurch steigt das Risiko, dass ehemalige Mitarbeiter Wissen über Sicherheitseinrichtungen an Kriminelle weiterleiten. Mitunter sind sie auch an den Taten direkt beteiligt..... Ihr Standort außerhalb einer Großstadt liegt. Denn laut Kriminalstatistik finden deutlich mehr Diebstähle aus Gewerbeimmobilien in ländlichen Gemeinden statt als in den Metropolen. cg

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