Gesunde Mitarbeiter sind die besseren Mitarbeiter

Langes Sitzen, Stress durch Termindruck und überfüllte Autobahnen, zu wenig Schlaf, ungesundes Essen: Lkw-Fahren ist ein Job, der an der Gesundheit zehrt. Das weiß auch Stephan Gustke. "Die meisten Krankentage sind auf Muskel-Skelett-Erkrankungen und Rückenschmerzen zurückzuführen", sagt der Chef der Rostocker Spedition Heinrich Gustke. Er sah sich in der Verantwortung: "Wir wollten mehr für die Gesundheit unserer Mitarbeiter tun und zeigen, dass sie uns wichtig sind." Der Spediteur befragte die Belegschaft, holte sich eine Krankenkasse als Partner an Bord und entwickelte mit zwei Mitarbeitern ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Betriebliches Gesundheitsmanagement BGM. Beim Gesundheitstag der Spedition konnten die Beschäftigen selbst austesten, wie es um ihre körperliche Fitness und Gesundheit bestellt ist. Nach wenigen Bewegungen an einem speziellen Messgerät erfuhren sie, welche Muskelpartien schwächeln und für Schulterund Rückenbeschwerden verantwortlich sind. Fachvorträge, Aktionsstände, Stresstests und Informationen zu Themen wie Bewegung, Sicherheit und gesunde Ernährung sollten die Mitarbeiter motivieren, etwas für ihre Gesundheit zu tun. Expander und Boxsack direkt im Lkw Gustke unterstützt sie nach Kräften. Die Spedition hat Verträge mit Sportstudios geschlossen und trägt für Mitarbeiter, die regelmäßig trainieren, die Hälfte des Mitgliedsbeitrags. "Neben Fit-and-Fun-Angeboten gibt es eine Rückenschule unter ärztlicher Betreuung, Herz-Kreislauf-Trainings und Entspannungskurse", berichtet der Geschäftsführer. Für Fahrer, die selten vor Ort sind, hat er das Fitnessstudio in die Fahrerkabine einbauen lassen. Expander und Boxsack sind mit an Bord, damit die Trucker sich in den Pausen fit halten können. "Ein Trainer hat ihnen Übungen gezeigt, um die Muskelpartien aufzubauen, die beim langen Sitzen vernachlässigt werden", erklärt Gustke. Der Geschäftsführer bleibt jedoch realistisch: Nicht alle Beschäftigten schreien gleich Hurra und machen mit. "Es braucht Zeit und wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, damit Mitarbeiter mehr für ihre Gesundheit tun." Er spricht daher mit der Belegschaft, holt sich Feedback ein. Das gesunde Trucker-Frühstück sowie die wöchentliche Obstkiste für alle Abteilungen und Fahrer kommen gut an. Prävention in Gesundheit rechnet sich In größeren Betrieben gehört die Gesundheitsvorsorge längst zum guten Ton. Sie bringt Vorteile bei der Fachkräftegewinnung und das Unternehmen präsentiert sich als attraktiver Arbeitgeber. Auch der demografische Wandel trägt dazu bei, dass sich Chefs mehr um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter kümmern. Bereits 2020 werden mehr als 35 Prozent der Erwerbspersonen älter als 50 Jahre sein. Kranke Mitarbeiter verursachen zudem hohe Kosten: Die krankheitsbedingten Produktionsausfälle (Lohnkosten) belaufen sich in Deutschland auf 57 Milliarden Euro jährlich, der Ausfall an Bruttowertschöpfung auf 90 Milliarden, schätzt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. 30 bis 40 Prozent der Kosten halten die Experten für vermeidbar, wenn Betriebe mehr auf Prävention setzen. Studien belegen, dass jeder investierte Euro einen Ertrag von zwei bis drei Euro bringt. Professor Bernhard Badura bringt es auf eine einfache Formel: "Gesunde, zufriedene Mitarbeiter sind die besseren Mitarbeiter", betont der Emeritus der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld. Badura begleitete zahlreiche Gesundheitsprojekte in kleinen und mittleren Firmen. Er weiß, dass auch kleine und mittlere Unternehmen KMU mit vergleichsweise wenig Aufwand etwas für die Gesundheit ihrer Beschäftigten tun können. "Das ist eine wichtige Führungsaufgabe, denn das psychische Befinden spielt eine wichtige Rolle", stellt Badura klar. "Die Berechenbarkeit der Führung hat einen großen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter." Stimmt das Betriebsklima nicht, verpuffen alle weiteren Maßnahmen zur Gesundheitsförderung. Badura empfiehlt daher Trainings für die Führungsmannschaft. Chefs müssten lernen, gesünder zu führen, indem sie Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen und auf einen Ausgleich betrieblicher und persönlicher Interessen im Sinne einer ausgewogenen Work-Life-Balance achten. Das System muss auch gelebt werden Ein BGM muss Teil der Firmenphilosophie sein, damit es funktioniert. "Ein paar Impfungen, Flyer über gesunde Ernährung und Fitnesskurse reichen nicht aus", betont Kai Rappenecker, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Betriebliches Gesundheitsmanagement. Das BGM organisiert, steuert und optimiert betriebliche Prozesse mit dem Ziel, die Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern und zu bewahren. Das beginnt beim Arbeitsschutz, der Unternehmern vorschreibt, Risiken zu bewerten und für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu sorgen. Kurze Transportwege, Hebevorrichtungen und ergonomische Arbeitsplätze gehören zum Pflichtprogramm, ebenso wie Schulungen von Fahrern und Lagerarbeitern, um das richtige Heben und Tragen schwerer Lasten zu lernen. Darüber hinaus sind Chefs verpflichtet, sich gezielt um Mitarbeiter zu kümmern, die länger krank waren. Sie müssen in Gesprächen klären, wie einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann, und konkrete Hilfen anbieten. Der dritte Baustein eines funktionierenden BGM sind freiwillige Angebote des Arbeitgebers: Gesundheitstage, medizinische Check-ups, Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen im Betrieb, Präventionskurse wie Rückenschule, Gymnastik am Arbeitsplatz, betriebliche Lauftreffs, Anti-Stress-Trainings, Kurse zur Entspannung, gesundes Kantinenessen, Ernährungsberatung oder Hilfen bei Suchtproblemen. BG Verkehr unterstützt bei Umsetzung "Firmenchefs sollten solche Angebote zur Gesundheitsförderung auf die Belastungen am Arbeitsplatz abstimmen", empfiehlt Experte Rappenecker. Die Berufsgenossenschaften BG helfen bei der gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung. Darauf aufbauend lassen sich zielgerichtete Maßnahmen ergreifen und weiterentwickeln. Auch der Betriebsarzt kann hier beraten und maßgeschneiderte Präventionsangebote machen. "Betrieben mit weniger als 30 Mitarbeitern steht ein externer Betriebsarzt zur Verfügung", sagt Birger Neubauer. "Unternehmen bezahlen ihn, nutzen aber nur selten sein Fachwissen zu ergonomischen und gesundheitserhaltenden Fragen", wundert sich der Arbeitsmediziner der BG Verkehr. Dabei trage die betriebsmedizinische Prävention zum unternehmerischen Erfolg bei. Sinnvoll ist es, einen externen Partner an Bord zu holen, der das fachliche Know-how mitbringt. Erste Ansprechpartner sind Krankenkassen und Unfallversicherer, aber auch kommerzielle Anbieter wie Gesundheitszentren, Physiotherapeuten oder Institute für betriebliche Gesundheitsförderung. Damit die Gesundheitsangebote des Arbeitgebers die gewünschte Wirkung zeigen, ist es wichtig, dass Führungskräfte zum Mitmachen motivieren. Ein Ansprechpartner im Betrieb sollte sich um Gesundheitsfragen kümmern. Dieser kann sich bei Industrie- und Handelskammern zur Fachkraft für Betriebliches Gesundheitsmanagement weiterbilden lassen. Bewegungsangebote und Vorsorge-Checks direkt am Arbeitsplatz kommen am besten an. Was viele Unternehmer nicht wissen: Neben der fachlichen bieten Krankenkassen auch finanzielle Unterstützung an. "Das Präventionsgesetz schreibt den Kassen vor, ihre Ausgaben für die betriebliche Gesundheitsvorsorge zu verdoppeln", informiert Kai Rappenecker vom Bundesverband Betriebliches Gesundheitsmanagement. Pro Jahr sind das mindestens zwei Euro pro Versichertem. Da es den Kassen dabei auch um Mitgliederwerbung geht, sprechen sie kleine Betriebe selten an. Rappenecker empfiehlt Firmenchefs deshalb, verstärkt regionale Kassen zu fragen, welchen fachlichen und finanziellen Beitrag sie zur betrieblichen Gesundheitsförderung leisten können. Steuerrabatt bis zu 500 Euro pro Jahr Darüber hinaus gibt es steuerliche Anreize: Pro Jahr und Mitarbeiter dürfen Firmen 500 Euro lohnsteuer- und sozialabgabenfrei in die Finanzierung der Gesundheitsvorsorge stecken, ohne dass es zur Anrechnung eines geldwerten Vorteils bei den Arbeitnehmern kommt. Nur für Aufwendungen, die diesen Betrag übersteigen, müssen Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Die Förderung gilt sowohl für betriebsinterne Angebote als auch für Zuschüsse zu Kursen externer Partner - sofern sie gewissen Qualitätsanforderungen entsprechen. Diese sind im "Leitfaden Prävention" des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung zusammengefasst. Den Steuervorteil gibt es zum Beispiel für Bewegungskurse, Gymnastik zur Stärkung der Rückenmuskulatur, Anti-Stress-Trainings, Gesundheitstage im Betrieb, Nichtraucherkurse sowie Lehrgänge zur gesunden Ernährung. Mitgliedschaften in Sportvereinen und Fitnessstudios zählen nicht dazu, es sei denn, es wird vertraglich vereinbart, dass die Mitarbeiter nur an speziellen Präventionskursen teilnehmen dürfen. Möchten Beschäftigte alle Fitnessangebote nutzen, ist es günstiger, wenn der Arbeitgeber für die Belegschaft einen Vertrag abschließt. So kann er die Aufwendung als Sachzuwendung verbuchen. Pro Mitarbeiter und Monat bleiben bis zu 44 Euro von Steuern und Sozialabgaben befreit. Maßnahmen wirken nicht kurzfristig Doch dürfen Firmenchefs von einem BGM keine Wunder erwarten. Wer nur auf die Fehlzeiten schaut und auf schnelle Kosteneinsparungen hofft, sieht sich meist enttäuscht, weiß Professor Badura. Erfolge zeigen sich oft erst mittel- bis langfristig. Wichtiger sei es, Arbeitsunfälle zu reduzieren, darauf zu schauen, wie viele Langzeitkranke zum Gespräch kommen und die Mitarbeiterzufriedenheit abzufragen. Diese Erfahrung hat auch Stephan Gustke gemacht. "Wir können und wollen nicht alles mit Kennzahlen darstellen", erklärt der Speditionschef. Wichtiger ist ihm, dass er 15 Azubis gewonnen hat, die sich zum Berufskraftfahrer ausbilden lassen. "Es muss ein Umdenken in der Branche stattfinden", sagt er. Es sei schwierig, motivierte Leute zu finden, die den Job machen wollen - Arbeitgeber im Straßengüterverkehr müssten deshalb mehr für ihre Beschäftigten tun. Mehr zum Thema unter: Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Erfolgskontrolle Das bringt Betriebliches Gesundheitsmanagement indirekt messbare Effekte- Rückgang krankheitsbedingter Fehltage- Reduktion typischer Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie von Frühverrentungen- geringere Kosten durch Arbeits- und Produktivitätsausfälle- höhere Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit- geringere Mitarbeiterfluktuation- steuerliche Vorteile- Studien belegen, dass ein investierter Euro zwei bis drei Euro Ertrag bringen kannindirekte Effekte- Stärkung der physischen und psychischen Gesundheit sowie weniger Stress bei Mitarbeitern- mehr Planungssicherheit im Betrieb- höhere Leistungsfähigkeit der Beschäftigten- Arbeitszufriedenheit und Arbeitsmotivation steigen- positives Betriebsklima und höhere Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen- verbessertes Firmenimage und höhere Attraktivität als Arbeitgeber- Wettbewerbsvorteile bei der Anwerbung neuer Fachkräfte sahQuelle: Betriebliche Gesundheitsförderung, Checkheft für KMU, DIHK 12/2015 Haftungsrisiko Fahrergesundheit - Chefsache Unternehmer sind für die Gesundheit ihrer Beschäftigen mit verantwortlich. Speditionschefs, die wissen, dass ein Lkw-Fahrer gesundheitlich angeschlagen oder übermüdet ist, psychische Probleme hat oder zu viel trinkt, dürfen diesen nicht bedenkenlos ans Steuer lassen. Andernfalls drohen drastische Folgen: "Baut der Lkw-Fahrer einen Unfall, haftet auch der Transportunternehmer, wenn er in Kenntnis der Fahruntauglichkeit den Fahrer auf Tour geschickt hat", sagt Matthias Pfitzenmaier, Fachanwalt für Verkehrsrecht in der Heilbronner Kanzlei Dietz, Tonhäuser & Partner. "Endet der Unfall tödlich, droht dem Unternehmer im schlimmsten Fall sogar eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung." Arbeitgeber sind gesetzlich verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen. Dies betrifft sowohl die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit von Fahrzeugen als auch die körperliche und psychische Gesundheit der Mitarbeiter. sah

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