Gesellschaft ja, ÖPP nein

Die Grünen-Bundestagsfraktion hat für den Verkehrsträger Straße ein Positionspapier vorgestellt und damit den Dialog mit den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eröffnet. Kernstück des Konzepts "Werte erhalten: Neue Wege für ein modernes Verkehrsnetz" ist die Gründung einer "betriebswirtschaftlich organisierten Gesellschaft im öffentlichen Besitz des Bundes", der Betrieb, Erhalt und Sanierung des Bestands übertragen wird. Diese Gesellschaft anstelle der Auftragsverwaltung der Länder dürfe nicht in Form einer Aktiengesellschaft eine "Straßenbaumaschine" werden, stellte die Grünen-Verkehrspolitikerin Valerie Wilms fest, unter deren Federführung das Papier entstand. Eine Privatisierung schließt sie mit Blick auf das von der Fratzscher-Kommission vorgestellte Konzept aus. Das von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte Gremium hatte sich für eine öffentliche Infrastrukturgesellschaft ausgesprochen, um den Verfall der Bundesstraßen zu stoppen. Die Finanzierung von Straßenbauprojekten soll über einen öffentlichen Fonds erfolgen, in den Investoren, etwa Versicherungen und Pensionsfonds, Geld einbringen sollen. Schattenhaushalt verhindern Die Grünen wollen einen anderen Weg gehen, bemühen sich aber um die "Anschlussfähigkeit" ihrer Vorstellungen, also um einen Wettstreit der Ideen mit der großen Koalition, wie Wilms während des von ihrer Fraktion organisierten Fachgesprächs mehrfach versicherte. Aber: "Für uns stehen bei Erhalt des Verkehrsnetzes nicht die Interessen der Finanzwirtschaft im Mittelpunkt". Das bedeutet eine klare Absage an Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), wie sie die Union und große Teile der SPD befürworten. Statt am Kapitalmarkt soll sich die Infrastrukturgesellschaft durch die Bundesfinanzagentur finanzieren. Diese Form der Kreditaufnahme sei für den Steuerzahler günstiger. "Gleichzeitig stellt die Kontrolle des Bundestags sicher, dass die Infrastrukturgesellschaft nicht als Schattenhaushalt missbraucht werden kann". Die Gesellschaft soll ihre Einnahmen direkt aus der Lkw-Maut erhalten, um den Erhalt der Straßen zu finanzieren. "Alle Aus- und Neubauten bleiben dagegen in der Hoheit des Bundesgesetzgebers und werden im Rahmen eines Bundesnetzplans vom Bundestag beschlossen", heißt es in dem Papier. Damit schließen die Grünen einen Neubau von Straßen nicht aus, wie Wilms zuvor in einem Interview bestätigt hatte. Die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft erfordert nach Ansicht der Grünen eine Änderung des Grundgesetzes mit Zweidrittelmehrheiten im Bundestag und Bundesrat. Denn als "Modernisierungspartei" wolle man das "große Dickicht an Zuständigkeiten, Kompetenzen und Finanzierungsmethoden" ändern. Die "Fehlkonstruktion", der zufolge der Bund die Fernstraßen finanziert, während die Länder bauen, verwalten und planen, gehöre abgeschafft zugunsten der Infrastrukturgesellschaft. Im Gegenzug sollen "Verkehrswege mit ausschließlich regionaler Bedeutung", also etwa zweispurige Bundesstraßen, vollständig in die Kompetenz der Länder fallen. Mautlücke schließen Es überrascht nicht, dass die Grünen sich auf ihren thematischen Ursprung besinnen und die Schließung der ab Oktober entstehenden Mautlücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen mit der Notwendigkeit einer "ökologisch lenkenden Nutzerfinanzierung" begründen. Abgelehnt wird hingegen die "CSU-Maut" für Pkw. Die Grünen-Haushaltspolitikerin Anja Hajduk erwartet eine Entscheidung über eine Infrastrukturgesellschaft in Folge der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Jetzt komme "Druck in die Sache", in der nächsten Wahlperiode seien Ergebnisse gefragt. Die Straßeninitiative Pro Mobilität bewertete das Positionspapier als interessanten Vorschlag. Es sei konkreter als die Empfehlungen der Fratzscher-Kommission, meinte Geschäftsführer Stefan Gerwens. Das Thema Privatisierung sei der "Rubikon", also der entscheidende Schritt. Grüne Verkehrspolitiker In der 63-köpfigen Bundestagsfraktion der Grünen ist der Stellenwert der Verkehrspolitik gemessen an der Zahl der Sprecher hoch. Matthias Gastel ist der Sprecher für Bahnpolitik, Stephan Kühn ist der Sprecher für Verkehrspolitik und Valerie Wilms ist laut Netzseite "Nachhaltigkeitsbeauftragte", äußert sich aber regelmäßig zu Themen der Verkehrspolitik. jök

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