Gefährliche Logistik

Innerhalb des Transport- und Logistikgewerbes ist die Gefahrgutbranche eine Welt für sich. Das bestreiten nicht mal die Betroffenen selbst. Dabei haben nicht nur die reinen Chemieunternehmen und -spediteure mit Gefahrgut zu tun, sondern das Handling mit diesen gefährlichen Gütern gehört mittlerweile zum Alltag vieler Speditionen und Transportunternehmen - viele wissen es womöglich nur nicht. So landen in den Stückgutnetzen immer häufiger auch Gefahrgüter. Das fängt an bei Elektrohändlern, die Geräte verschicken, die mit Lithiumbatterien ausgerüstet sind (diese Batterien gelten bereits seit 1993 als Gefahrgut). Und das geht weiter mit spezialisierten Onlinehändlern, bei denen man Autobatterien ordern kann. Gefahrstoffe und der Onlinehandel "Für uns als Spedition wird es immer dann schwierig, wenn wir es mit Dritten zu tun bekommen, die sich mit Gefahrgut nicht auskennen", sagt Emilia Poljakov, Gefahrgut-Managerin bei der Spedition Alfred Talke. "Das ist dann der Fall, wenn Onlinehändler beispielsweise Geräte mit Lithiumbatterien verschicken, ohne diese entsprechend zu kennzeichnen oder zu verpacken", klagt Poljakov, die zugleich Vorsitzende der Kommission für Gefahrgut und Umweltmanagement im Deuschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) ist. Wenn dann die Ware beim Transport oder im Umschlagzentrum nicht sachgemäß behandelt wird, besteht die Gefahr, dass auch andere Güter beschädigt werden und es im schlimmsten Fall zu einer Explosion kommt, die einen Brand auslöst. Doch das ist nicht das einzige Problem, mit dem Spediteure zu kämpfen haben, die Gefahrgüter befördern. In der Regel werden die begleitenden Informationen zu den Warenströmen papierlos abgewickelt. "Neben dem CMR-Frachtbrief sind einzig noch für den Transport von Gefahrgütern entsprechende Unterlagen mitzuführen. Hier hat sich das elektronische Beförderungspapier noch nicht durchgesetzt", sagt Guido Koschany, Geschäftsführer des Ausschusses für Gefahrgutbeförderung im Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) . Denn Voraussetzung dafür ist, dass im Falle eines Unfalles die Rettungskräfte und die Feuerwehr auf diese Informationen zurückgreifen können müssen, wenn sie am Unfallort sind. Dazu müssen an der Außenseite der Fahrzeuge feuerfeste Schilder angebracht werden, versehen mit einer Telefonnummer, unter der Einsatzkräfte das Beförderungspapier zu jeder Tages- und Nachtzeit anfordern und damit erfahren können, welche Gefahrgüter sich auf dem Lkw befinden. "Auf europäischer Ebene konnte man sich leider noch nicht auf Regelungen für ein solches System einigen", sagt Poljakov. Deutschland hat nun die Rolle als Vorreiter übernommen und seit dem 1. Januar die Bedingungen dafür geschaffen, dass Gefahrgut mit elektronischem Beförderungspapier transportiert werden kann. "DB Schenker ist dabei, ein solches System einzurichten", sagt Poljakov. Beide Verbände - BGL und DSLV - befürworten den Einsatz eines elektronischen Begleitscheines. "Das ist gerade im Stückgut, wo nahezu alle Informationen elektronisch über Handhelds erfasst werden, eine spürbare organisatorische Erleichterung und trägt zudem dazu bei, eine potenzielle Fehlerquelle zu minimieren", nennt Poljakov Gründe für dieses System. Auf Dauer hofft Poljakov, dass man sich auch in der EU einigt. Denn bislang lassen die geltenden Regelungen nur zu, dass der elektronische Begleitschein innerhalb Deutschlands eingesetzt werden darf und damit nicht für grenzüberschreitende Transporte. Chemie lagert Logistikprozesse aus Speditionen, die sich auf das Handling mit Gefahrgut spezialisiert haben, kommen nicht umhin, sich immer intensiver mit den rechtlichen Grundlagen und Änderungen zu befassen. Denn die verladende Wirtschaft bindet die Dienstleister immer stärker in ihre Logistikkonzepte ein, vor allem in den Chemieparks ist das laut Poljakov zu beobachten. Dazu nennt sie Schlagworte wie "Vorladekonzepte" und "rollende Lager". "Als Konsequenz müssen die Dienstleister ihre Mitarbeiter immer besser schulen und beispielsweise Tankwagen selbstständig befüllen oder entleeren können", sagt Poljakov. Vor nicht wenigen Jahren wären Fahrer vom Gelände verwiesen worden, wenn diese allein im Werk unterwegs gewesen wären, beschreibt sie den Wandel. "Das bedeutet zugleich, dass die Fahrer mehr wissen müssen zum Arbeitsschutz." Ein Thema, das generell an Bedeutung gewinnt und dem sich auch die DSLV-Kommission stärker widmen will. A propos Fahrer: Der sich abzeichnende Fahrermangel wird gerade im Gefahrguttransport immer offensichtlicher. "Das Berufsbild wird leider als wenig attraktiv wahrgenommen: Transport, Logistik und Chemie haben in der Öffentlichkeit nicht den besten Ruf", bedauert Poljakov. Und ja, es sei unbestreitbar, dass die Anforderungen an die Fahrer hinsichtlich Zuverlässigkeit in der Gefahrgutspedition höher seien als beim Transport beispielsweise von Palettenware, sodass die Auswahlmöglichkeiten auch geringer seien (siehe dazu Seite 22). Sorgen bereiten den international tätigen Transporteuren derzeit rechtliche Änderungen in Italien. "Unternehmen, die gefährliche Abfälle transportieren, müssen am System Sistri teilnehmen, das die Rückverfolgbarkeit von Abfällen garantieren soll", sagt Koschany. Doch dazu müssen sie laut Koschany ein Domizil in Italien nachweisen, entweder eine Niederlassung oder eine Art Briefkastenfirma. "Das widerspricht jedoch dem EU-Recht, weshalb wir davon ausgehen, dass die EU-Kommission ein Veto einlegen wird." Kein einheitliches Europa Koschany kritisiert, dass für den Transport von Abfällen in den europäischen Ländern unterschiedliche Anforderungen an die dafür notwendige Genehmigung gestellt werden. "Wir kennen Fälle, wo Auflieger oder eine Zugmaschine wochenlang festgehalten wurden, nur weil nicht die erforderlichen Genehmigungen vorlagen", sagt Koschany. Er rät den Unternehmen, sich rechtzeitig zu informieren, welche Formulare notwendig sind, um im Ausland gefährliche Abfälle zu transportieren. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Gefahrgut www.verkehrsrundschau.de/dossiers Logistikgewerbe erhofft sich endlich Klarheit Dauerbrenner AwSV Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) hält die Betreiber von Anlagen, auf denen Gefahrstoffe gehandelt werden, schon seit einigen Jahren auf Trab. Das betrifft nicht nur die Terminals im intermodalen Verkehr, sondern beispielsweise auch Stückgutumschlaganlagen.Bislang hatte jedes Bundesland seine eigenen Regelungen für den Umgang mit Gefahrstoffen auf Umschlaganlagen. Doch nun soll eine bundesweit einheitliche Regelung gefunden werden: ein Vorgehen, dass sowohl der BGL wie auch der DSLV befürworten. In den ersten Entwürfen seitens des Bundesumweltministeriums fanden sich jedoch Vorschläge wieder, die massive Investitionen erforderlich gemacht hätten, um die Anforderungen zu erfüllen.Eine Veröffentlichung der bundesweit einheitlichen Regelung hat sich immer wieder verzögert. Die Verschiebung sorgt für Rechtsunsicherheit bei den Unternehmen, die vor Investitionen zurückschrecken. Die neue AwSV soll laut BGL-Experte Guido Koschany auch strengere Bestimmungen für die Lagerung von AdBlue enthalten, sodass Spediteure auch bei der Einrichtung von Eigenbetriebstankstellen betroffen wären. Koschany geht davon aus, dass in den nächsten Wochen mit der Vorlage eines bundesweit geltenden Entwurfs zur AwSV zu rechnen ist. cd