Freie Verkehrsträgerwahl

Im Verkehrsgewerbe wachsen Zweifel, ob das von der EU verfolgte Konzept der "Co-Mobility", nur Güter über kurze und mittlere Strecken über die Straße und die Langstrecke kombiniert mit Bahn und Lkw abzuwickeln, Zukunft hat. Der "Modal-Shift" sei "eine Art stalinistische Diktatur", sagt Wim van de Camp, Obmann der konservativen EVP im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlamentes. "Um ehrlich zu sein: Ein einfacher Lkw-Transport ist oft die beste Lösung." In der Branche setzen inzwischen viele auf "Synchro-Modality". Das heißt, dass immer der Verkehrsträger zum Einsatz kommt, der die meisten Vorteile bietet. "Wenn wir ein Schiff mit 20.000 Containern be- und entladen müssen, dann brauchen wir alles, was wir kriegen können, um die Ladung, so schnell es geht, ins Hinterland zu bringen", sagt Rob Bagchus vom Rotterdamer Hafen. Mit anderen Worten: Eine Vorzugsbehandlung der Bahn kann man sich nicht leisten. Für die Logistikdienstleister fordert Bagchus eine große Flexibilität bei der Wahl des Verkehrsträgers und von den Verladern ein "Umdenken". Sie sollten den Logistikern nur noch Parameter wie Fristen, Temperatur oder Sicherheit vorgeben. Die Dienstleister könnten dann im Einzelfall über den richtigen Mix der Verkehrsträger entscheiden. Für Walther Ploos van Amstel von der Logistik-Hochschule Amsterdam könnten die Verlader auch Effizienzvorgaben machen, etwa über den CO2-Ausstoß. Synchro-modale Lieferketten erforderten jedoch eine größere Transparenz, sagt van Amstel. Um Routen auch kurzfristig zu optimieren, müssten Verlader und Logistiker offen mit sensiblen Daten umgehen, um strategisch zusammenzuarbeiten. 'P Als einer der ersten Großkonzerne versucht Procter & Gamble den neuen Ansatz in die Praxis umzusetzen. Der Chef der Forschungsabteilung, Marc Verelst, hat den "Neuen Intermodalen Netzwerk Ansatz" (NINA) auf einer Veranstaltung des Europäischen Logistik Forums in Brüssel vorgestellt. Besonders dringend werde NINA auf den Hauptverkehrsachsen gebraucht. Dort könnten durch die Verkehrsträgerwahl die größten Effizienzgewinne erzielt werden. Davon könne auch die Bahn profitieren. Ohne Digitalisierung geht es nicht Eine Voraussetzung für die Synchro-Modality sieht auch Verelst in der Digitalisierung. Alle Dokumente des synchro-modalen Güterverkehrs müssten elektronisch sein. Durch eine größere "Sichtbarkeit" der Transportströme könne seine Firma Transporte besser bündeln, die Frequenz auf bestimmten Routen und damit die Auslastung erhöhen. Und das sei die Voraussetzung für eine freie Wahl des Verkehrsträgers. Die Kommission verwende das Konzept der Synchro-Modality nicht, heißt es im Umfeld der Verkehrskommissarin. Sandro Santamato von der Generaldirektion Verkehr wundert sich, dass der "Modal Shift" so viel Leidenschaft freisetzt. Samatano sieht in der Synchro-Modality keinen wirklichen Widerspruch zum Ansatz der Kommission, den Ausbau der Infrastruktur auf Engpässe in den großen TEN-Korridoren zu konzentrieren und dort die Frequenz aller Verkehrsträger zu erhöhen. Der Modal-Shift Die EU hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2050 soll mindestens die Hälfte der Gütertransporte über 300 Kilometer auf der Schiene abgewickelt werden. Umwelt- und Verkehrspolitiker sehen im "Modal-Shift" eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die CO2-Emissionen aus dem Verkehr wie geplant um 60 Prozent zurückgehen. Bislang wird die Bahn den in sie gesetzten Erwartungen allerdings nicht gerecht: Von 2000 bis 2012 ging ihr Anteil am Güterverkehr in der EU von 12 auf 10 Prozent zurück, der Lkw konnte seine führende Stellung im gleichen Zeitraum ausbauen von 43 auf 45 Prozent. (tw)

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