Paris. Werden der französische Zoll und der Tunnel unter dem Ärmelkanal dem immer näher rückenden Brexit gewachsen sein und den Verkehr zwischen Großbritannien und dem Festland auch dann flüssig halten können? Hierüber sollte ein Test Aufschluss geben, den beide Seiten Mitte September unternommen haben. In Folkestone und Calais wurden dafür jeweils mehrere Lkw auf den großen Geländen für die Mautentrichtung eingesetzt, diesmal zur Probe für die wahrscheinlich zukünftige Zollabfertigung. Sie besteht im Erhalt eines einfachen Barcodes durch einen Eurotunnel-Mitarbeiter.
Laut Anne-Laure Descleves, Sprecherin der Tunnelfirma, hat der Test gezeigt, „dass wir auf unsere Fähigkeit vertrauen können, den Lkw-Verkehr am Terminal im Fluss zu halten“. Jetzt bestehe die Aufgabe darin, alle Transporteure davon zu unterrichten, dass sie ihre Zollerklärungen vorher machen müssten, wenn sie den Barcode-Stempel bekommen und ihre Fahrt ohne Haken und Ösen fortsetzen wollen.
Mehr Anfahrtstellen in Calais
Zur Vermeidung von langen Lkw-Warteschlangen vor dem Tunneleingang wurde in Calais die Zahl der Anfahrstellen erhöht. An diesen bekommen die Fahrer nicht nur den Stempel, gleichzeitig werden dort die obligatorischen Sicherheits- und Emigranten-Kontrollen durchgeführt. Für den Zoll spricht der für die interregionale Abwicklung im Bereich der Hauts-de-France zuständige Eric Meunier von einer „numerischen Grenze“, die man mit Blick auf den Brexit eingerichtet habe. Wenn der Barcode beim Zoll gescannt worden sei, werde die Ladung der Fahrzeuge im Computer festgehalten und die französischen Zöllner könnten entscheiden, ob zusätzliche Überprüfungen nötig seine, auch der Ladung selbst, wenn ein aus England kommender Lkw den Tunnel verlassen hat.
Für den Zoll und die staatlichen Veterinäre wurden in Calais 9 weitere Kais fürs Be- und Entladen geschaffen. Auf britischer Seite dagegen sind keine zusätzlichen Kontrollen unmittelbar nach Verlassen des Tunnels vorgesehen. Die britischen Behörden seien der Meinung, sie hätten die vom Festland kommenden Fahrzeuge schon unter Kontrolle und könnten, wenn nötig, entsprechende Zusatzmaßnahmen auch noch später beschließen, erklärt Anne-Laure Descleves nach einem Pressebericht.
Keine Angst vor Massenstau
Es werde am Tunnel keinen Massenstau geben, der den Verkehr abwürge, sagt sie zur Beruhigung der Lkw-Fahrer, die die Situation nicht ganz so positiv einschätzen. Ihnen sitzen noch die Erfahrungen mit dem Zollstreik vom Frühjahr und den Emigrantenkontrollen von vor vier Jahren in den Knochen. Man werde sehen, wie das Abfertigungssystem mit den 5000 Lkw funktioniere, die den Tunnel bislang täglich passieren, und nicht nur mit den rund 20 Fahrzeugen, die für den Testlauf verwendet wurden, hieß es von ihrer Seite. Steven Meurin von der Transportfirma RDV befürchtet lange Warteschlangen, es werde „Tage dauern“, um alles abzufertigen. Die Verbindung nach England ist für sein Unternehmen von großer Bedeutung, weil diese damit 50 Prozent von ihrem Umsatz macht. Zweimal wöchentlich muss Meurin über den Kanal.
Bei Eurotunnel ist man dagegen optimistisch, weil die Computersysteme ihre Robustheit bewiesen hätten. „Wenn das System für 10 Lkw funktioniert, funktioniert das auch mit 5000 pro Tag“, ist Anne-Laure Descleves überzeugt, auch wenn sie anerkennt, dass man sicher mit einer Anpassungsperiode rechnen müsse, bis beim Zoll alles bestens laufe. Wegen der großen Transportunternehmen macht sie sich keine Sorgen. Eher, ob die Transitfahrer durch die EU-Länder damit zurecht kämen. Sie könnten vor Fahrtantritt nicht unbedingt über die notwendigen Zollprozeduren informiert sein, fürchtet sie. (jb)