Hamburg. Nach dem Brand auf dem Frachtschiff „Atlantic Carrier“, das unter anderem radioaktives Material und Munition geladen hatte, gibt es in der Hansestadt Diskussion über das Löschkonzept des Universalhafens. Hat Hamburg nochmal Glück gehabt oder liefen die Löscharbeiten routinemäßig am 1. Mai? Um diese Frage wird in Hamburg heftig gestritten, nicht zuletzt, weil entscheidende Informationen zur Ladung des Schiffes erst nach Wochen ans Licht kamen. Nach wie vor ist die eigentliche Brandursache ungeklärt.
Das Feuer brach gegen 20 Uhr im dritten von elf Decks backbord aus. Über die tatsächliche Gefahrenklasse der Ladung hatte die Feuerwehr-Einsatzleitung zunächst kein vollständiges Bild. Erschwerend kam hinzu:
- von den drei Löschbooten der Hamburger Feuerwehr war nur eines verfügbar. Nur mit Hilfe der Wasserkanonen von Schleppern konnte die Außenwand des Schiffs gekühlt werden;
- als die Feuerwehreinsatzleitung erfuhr, dass das Gefahrgut auf dem Schiff aus radioaktivem Material wie neun Tonnen Uranhexafluorid (UF6), elf Tonnen angereichertem Uranoxid und nuklearen Brennelementen bestand sowie aus hochexplosivem Ethanol und vier Tonnen Munition, lösten Besatzung und Feuerwehr die bordeigene Kohlendioxid-Löschanlage (CO2) aus. CO2 erstickt Flammen. Dazu sollte das Deck geschlossen werden, doch waren die Luken undicht. Jetzt rächte sich, dass die Feuerwehr kein eigenes CO2-Lager mehr vorrätig hält;
- kurz vor Mitternacht konnte nur noch eine Not-Evakuierung von Gefahrgut-Containern Schlimmeres verhüten. Allerdings ist der 1. Mai ist einer der ganz wenigen arbeitsfreien Tage im Hamburger Hafen, weswegen nur mit Mühe und Zeitverlust ausgebildetes Personal für die Containerkräne gefunden werden konnte. So dauerte es über vier Stunden, bis die 33 Gefahrgutcontainer aus der Gefahrenzone entfernt waren.
Der Brand war nach über 15 Stunden gegen Mittag des 2. Mai gelöscht, alles in allem kämpften 296 Feuerwehrleute gegen die Flammen an. Für die Behörden war der „ausgewachsene Einsatz“ unter dem Strich erfolgreich verlaufen. Das Schiff liegt immer noch am Oswald-Terminal; die kriminaltechnische Unfalluntersuchung gestaltete sich wegen schlechter Sicht unter Deck einigermaßen erschwert. Inzwischen sind auf der „Atlantic Carrier“ auch die Reparaturarbeiten angelaufen.
Streit um Ausrichtung als „Universalhafen“
Transporte von radioaktivem Material wie bei der „Atlantic Carrier“ erreichen den Hamburger Hafen einige Dutzend Mal im Jahr, ob als Import oder Export oder im Transit. Seit vergangenem Februar war dies 21 Mal der Fall. Wie sich herausstellte, waren die Deklarierungen bei dem Brandhavaristen nicht ganz korrekt, weswegen die Reederei zweimal Bußgeld bezahlen muss.
Gravierender in der öffentlichen Diskussion ist jedoch die Frage, ob denn in einem so zentral gelegenen Hafen wie Hamburg überhaupt radioaktives Material umgeschlagen werden solle. Die Hansestadt Bremen hat für ihren Hafen ein entsprechendes Verbot beschlossen; interessierte Kreise wollen es auch in Hamburg einführen. Allerdings ist gegen das Bremer Verbot Klage erhoben worden, die Entscheidung des zuständigen Staatsgerichthofs steht noch aus. Dabei spielt u a eine Rolle, dass Bundes- oder gar europäische Bestimmungen (Atomrecht) vor Landesrecht gelten.
Ist die Feuerwehr richtig ausgestattet?
Auch über die angemessene Ausstattung der Hamburger Feuerwehr mit Löschbooten hat der Brand Streit ausgelöst. Internationale Vorgaben, etwa durch den Weltschifffahrtsverband IMO gibt es nicht. Löscheinsätze erfolgen in Hamburg bei Schiffsbränden grundsätzlich von Land her; Löschboote haben nur eine unterstützende Aufgabe. Die drei Hamburger Löschboote sind im Schnitt 28 Jahre alt; dass sie durch Schlepper teilweise ersetzt werden müssen, wie am 1. Mai geschehen, löste Protest aus. Die Kritiker sehen sich dabei durch die Landesregierung selbst bestätigt: So stellt eine im Auftrag des Senats vor drei Jahren veröffentliche Studie zu Struktur und Personalbedarf der Hamburger Feuerwehr wörtlich fest: „Das derzeitige Löschbootkonzept ist nicht ausreichend“. Mittlerweile hat sich in der vergangenen Woche der Innenausschuss des Landesparlaments mit der Angelegenheit befasst. Der Innenexperte der Regierungsfraktion, der Abgeordnete Arno Münster (SPD), habe laut Norddeutschem Rundfunk die Forderung nach drei neuen Löschbooten unterstützt. (cfd)