Fliegender Wechsel

Über 22 Jahre ist es her, dass Microsoft die erste Version des CE-Betriebssystems auf den Markt gebracht hat, das speziell für die Verwendung in mobilen Geräte konzipiert ist. Das aktuellste Release Windows Embedded Compact 7 sowie das in vielen Barcode-Scannern implementierte Betriebssystem Windows Embedded Handheld 6.5 haben mittlerweile acht Jahre auf dem Buckel. Während sich der Software-Gigant im Consumer-Markt längst gegenüber Android und Apple geschlagen geben musste, wurde auch der grundlegende Support der CE-Familie für den professionellen Einsatz beendet. Einen "erweiterten Support" genießen derzeit nur noch die jüngsten Versionen. Aber hier ist bald Schluss: Für Windows Embedded Handheld am 14. Januar 2020, für Windows Embedded Compact 7 am 13. April 2021.Umso verwunderlicher, dass so mancher Anwender die Migration zu alternativen Plattformen bislang offenbar ausgesessen hat. Wie viele Windows-MDEs im Lagerbetrieb nach wie vor zum Einsatz kommen, lässt sich schwer beziffern. David Krebs, Analyst bei der US-amerikanischen Tech-Beratung VDC Research, schätzte die Anzahl der im Warehouse-Segment installierten Windows CE-Geräte in einem Blogbeitrag Anfang dieses Jahres auf fünf bis sieben Millionen."Wir beobachten, dass Kunden mehrheitlich zu Android wechseln. Wenn Kunden noch Windows anfragen, dann nur für bestehende Installationen", beobachtet Jörg Aßmann, Regional Marketing Manager bei Honeywell. Alle neuen Modelle des Herstellers basieren demnach bereits auf Android. "Mit der Mobility Edge-Plattform bieten wir unseren Kunden eine zentrale Gerätemanagement-Lösung, die gemeinsam mit Qualcomm und Google entwickelt wurde", sagt Aßmann. Die neueren Android-Geräte sind demnach mit einem Chip-Satz ausgestattet, mit dem ein Support bis Android 11 garantiert ist.Windows-Geräte nach wie vor am Markt"Wir verzeichnen nach wie vor eine große Nachfrage nach mobilen Erfassungsgeräten mit Windows-Betriebssystem - obwohl der Support ausläuft", berichtet derweil Thorsten Lutz, Solutions Engineering Manager bei Zebra Technologies. Bei neuen Markteinführungen setzen beide großen Hersteller mittlerweile zwar auf Android, aufgrund der teils langen Verfügbarkeitsgarantien sind aber nach wie vor Windows-Geräte am Markt erhältlich. Zebra etwa bietet bei Geräten, die neu auf den Markt kommen, unabhängig vom Betriebssystem bis zu fünf Jahre Verfügbarkeit plus weitere fünf Jahre Service und Support. Während hier also im Rahmen des Gerätesupports Reparaturen und die Versorgung mit Hardware-Ersatzteilen problemlos über Jahre gewährleistet werden können, gilt dies für den Support der mobilen Windows-Betriebssysteme nur noch sehr eingeschränkt: Manche Fixes können nur vom Besitzer des Programmier-Codes bereitgestellt werden.Schwachstelle ChipsatzDas gilt übrigens auch für die Chipsätze, auf denen veraltete Windows-CE-Versionen laufen: Auch diese Prozessoren sind in die Jahre gekommen und die Chiphersteller bieten oft keine Sicherheitspatches oder sogenannte Board Support Packages (BSP) für das reibungslose Funktionieren der verschiedensten Gerätetreiber mehr an. Gerätehersteller können diese Probleme aber umgehen, indem sie eigene Treiber bereitstellen. Bei MDE-Geräten als anfällig gilt beispielsweise der WLAN-Treiber. "Da wir Zugriff auf den WLAN-Treiber von Windows-Geräten haben, konnten wir uns in diesem Fall selbst um die Bereitstellung von Sicherheitspatches kümmern", erklärt Lutz."Wenn Windows 2020 seinen Support einstellt, bieten wir keine weiteren Sicherheitspatches für Windows-Geräte an. Ab dann trägt der Betreiber das Risiko", sagt Aßmann von Honeywell. Dies bedeute: Je weniger Sicherheitspatches ein Gerät hat, desto anfälliger ist es. Werden diese Geräte in einer isolierten Umgebung ohne Kontakt zum Internet verwendet, sei das Risiko zwar geringer. "Immer mehr Lageranwendungen befinden sich allerdings in der Cloud, sodass Sicherheitspatches unumgänglich sind", betont Aßmann. Julian Hinxlage vom Team AutoID-Technologien beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (siehe Interview) spricht einen weiteren Aspekt an: Nutzern müsse klar sein, dass auch funktionsseitig massive Einschränkungen bestehen. "Braucht ein Unternehmen für bestimmte Prozesse neue Applikationen, schaut es hier in die Röhre", sagt der Auto-ID-Experte. Der Umstieg auf Android ist also unumgänglich. Lagerbetreiber stehen dann vor der Frage, ob sie einen harten Cut vollziehen oder sich der Herausforderung eines Parallelbetriebs stellen. Denn wer sortiert schon gerne eine Vielzahl von Geräten aus, die er erst vor Kurzem gekauft hat?Wege zur sanften MigrationWährend große Logistikdienstleister oft über die Ressourcen verfügen, den Wechsel zu Android etwa Standort für Standort vorzunehmen, empfiehlt sich für Betreiber kleinerer Lager, sich erst einmal mit dem Parallelbetrieb der beiden Plattformen zu beschäftigen. Dabei stehen sie auch nicht allein: Für die Anbieter von Warehouse-Management-Systemen ist diese "sanfte Migration" ein immer wichtigeres Schnittstellenthema.Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Usability, die bei Android alleine aufgrund der flächendeckenden Verbreitung im Consumer-Bereich eigentlich kaum jemandem Probleme bereiten sollte. Windows war allerdings lange Jahre die dominierende Plattform für die mobile Datenerfassung. Der Gewöhnungseffekt bei den Nutzern sei daher nicht zu unterschätzen, betont Lutz. "Trotz der Vorteile ist es gar nicht so einfach, bisherige Windows-Nutzer von der Migration zu Android zu überzeugen", weiß der Zebra-Manager. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten, den Umstieg sanft zu gestalten: Etwa indem das Android-Betriebssystem nur im Hintergrund läuft, das vertraute Interface aber beibehalten wird.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Auto-ID www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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