Fit für die Agenda 2018

Fast überall, wo er hinkomme, stehe eine Zugmaschine ungenutzt auf dem Hof, weil ein Fahrer fehlt. So eine Situation habe er in 20 Jahren nicht erlebt, sagt Marcus Hover, stellvertretender Geschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL). Für Branchenkenner wie ihn steht fest: Das kommende Jahr wird eine Herausforderung, wie sie die Transportbranche noch nicht erlebt hat. Sollte die Wirtschaft im gleichen Tempo weiter wachsen, werden viele Dienstleister in den kommenden zwölf Monaten an ihre Grenzen stoßen. Wie können sich Mittelständler darauf einstellen? Und was gehört auf eine seriöse Agenda 2018? Über die wichtigste Baustelle sind sich Experten einig: Personal. Schätzungsweise 15.000 Berufskraftfahrer weniger werden Ende 2018 zur Verfügung stehen. Der Kampf um die Fahrer geht in die nächste Runde, und nur Betriebe mit einem guten Ruf haben Chancen, an die begehrten Kräfte zu kommen. Imagepflege ist alles Deshalb ganz oben auf der Agenda 2018 vieler Betriebe: das Arbeitgeber-Image verbessern sowie die Fluktuation senken und in der Personalbeschaffung alle Register ziehen. Zum Standard im kommenden Jahr muss die Rekrutierung über Social Media gehören, eine systematische Pflege des Online-Rufs sowie die Nutzung der eigenen Mitarbeiter als "Headhunter". Natürlich wird es auch Lohnsteigerungen geben, um den Fahrerberuf attraktiv zu machen. Mehr Geld allein jedoch wird nicht reichen, um offene Stellen zu besetzen, zumal auch die Arbeitsmärkte in den osteuropäischen Ländern nicht mehr hergeben. Viele Betriebe werden schlichtweg nicht mehr Fahrer finden. Deshalb lautet ein weiterer wichtiger Punkt auf der Agenda 2018: vorhandene Fahrer effizienter einsetzen, zum Beispiel, indem man die "toten" Zeiten im Transportprozess verringert. "Wir müssen Lösungen finden, mit denen wir die Fahrer in kürzerer Zeit wieder aus den Betrieben rausbekommen", sagt Jochen Ewald Köppen, Geschäftsführer von Köppen, Duisburg, einem Dienstleister für Tankcontainer-Transporte. Seine Mitarbeiter verbringen viel Zeit in Chemiewerken und an Terminals. Sie müssen warten, Papiere ausfüllen, nochmals warten. Gerade im Kombinierten Verkehr (KV) hätten sich die Abfertigungszeiten verschlechtert, so Köppen. Diese Abläufe wirken gleich doppelt negativ: Zum einen treibt jede Stunde, die mit Warten verbracht wird, die Personalkosten pro gefahrenem Kilometer in die Höhe, zum anderen verlängern sich so die Schichtzeiten der Fahrer - was den Beruf noch unattraktiver macht und den Personalmangel weiter verstärkt. "Wir müssen die Verlader ins Boot holen", stellt Spediteur Köppen klar. Er plant im kommenden Jahr verstärkt das Thema Abfertigungszeiten beim Kunden anzusprechen. Eine gewisse Gesprächsbereitschaft sei durchaus da, so Köppen. Die Industrie müsse über zusätzliche Rampen und Tore nachdenken - und weniger über penibles Zeitfenster-Management. "Wir haben genug Fahrer, wenn wir die Ineffizienzen beseitigen", fasst Köppen zusammen. Gerade für mittelständische Dienstleister, die neue Ideen schnell und unbürokratisch umsetzen können, böten sich hier Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle. Als Beispiel nennt er das sogenannte "Drop and Swap", bei dem der Kunde fertig beladene Sattelauflieger oder Tankcontainer bereitstellt, die der Fahrer dann nur noch ankoppeln muss. In einigen Industrien gibt es Trailerwechselplätze bereits, das Verfahren erspart den Fahrern Wartezeiten und gibt ihnen mehr Flexibilität. Am wichtigsten sei jedoch, den zeitraubenden Papierkrieg an der Rampe zu beenden, so Köppen. Auch die Verlader sind am Zug 2018 werden sich die Machtverhältnisse auf dem Transportmarkt weiter verschieben: Künftig entscheidet der Fahrer darüber, wer die Transportkapazitäten bekommt. Für ihn sind Ladestellen attraktiv, an denen er schnell bedient wird und wo die Zeitfenster nicht zu eng sind. Seine Rückmeldung wird den Arbeitgeber dazu bewegen, solche Kunden zu bevorzugen. Verlader dagegen, die es Dienstleistern schwer machen, haben im Kampf um Transportkapazitäten das Nachsehen. "Auch Verlader müssen für Fahrer attraktiv bleiben", meint Verbandsvertreter Hover. Hier und da verbreitet sich diese Erkenntnis langsam: Erste Industrieunternehmen werben mit ordentlichen Parkplätzen, sauberen sanitären Anlagen und freiem WLAN-Zugang. Kostenanalyse optimieren Die Transportnachfrage steigt, das Frachtraumangebot sinkt - jeder Kaufmann weiß, was das bedeutet: die Preise werden anziehen. Bei allen Transportunternehmen stehen für 2018 Preisverhandlungen auf der Agenda, und viele werden wohl, falls noch nicht geschehen, höhere Frachtraten durchsetzen. Trotzdem bleiben die Kapazitäten knapp, und das bringt Unternehmer in eine unangenehme Lage: Sie müssen unprofitable Kunden aussortieren. Das klingt banal, doch oft fehlt dazu die Entscheidungsgrundlage. "Gerade kleinere Unternehmen haben ihre Kostenrechnung noch nicht ausreichend im Griff", sagt Michael Werner, auf die Logistikbranche spezialisierter Unternehmensberater aus Bad Münstereifel. Was der Staplerfahrer pro Minute kostet oder welchen Einfluss die Leerkilometer auf die Einsatzkosten haben, wüssten viele Transportunternehmer nicht, so Werner. Der Profi empfiehlt deshalb, im neuen Jahr dringend am betriebswirtschaftlichen Handwerkszeug zu arbeiten und die Kostenrechnung zu verbessern. So könnten den Entscheidern im Tagesgeschäft klare Preisuntergrenzen an die Hand gegeben werden. Gerade um Kunden bewerten und möglicherweise aussortieren zu können, sind genaue Zahlen nötig: Über welche Distanz ging der Transport, wie lange war der Fahrer unterwegs und welcher Umsatz wurde generiert? Diese Wert gilt es aufzurechnen mit den aktuellen Kosten pro Kilometer, Betriebsstunde oder Einsatztag. Dabei sind unter anderem Ausgaben für Treibstoff, Personal, und fixe Fahrzeugkosten zu berücksichtigen. Nach der Erfahrung von Beratern ist das Ergebnis oft ernüchternd: Bei vielen Touren wird nur ein kleiner Umsatz eingefahren oder sogar Verlust gemacht. Gerade bei langjährigen Kunden setzt oft eine Umsatz-Erosion ein, das heißt, man fährt weiter oder länger, obwohl die Erlöse gleich bleiben. In Zeiten knapperer Transportkapazitäten müssen diese Kunden schnell identifiziert werden. Eine weitere Baustelle, an der sich die Arbeit gerade zu Jahresbeginn lohnt, sind die Fuhrpark-Kosten. Ein typischer Mangel: Das rollende Material wird ungünstig finanziert oder man wählt das falsche Finanzierungsinstrument. Es lohnt sich, die Konditionen der Anbieter regelmäßig zu untersuchen und eine gute Mischung aus geleasten, finanzierten und älteren Fahrzeugen zu finden. Daneben sollte der Fuhrpark an das zu erwartende Geschäft angepasst werden. Die PS-starke Zugmaschine ist im Nahverkehr zum Beispiel nicht unbedingt nötig - außer sie dient zur Fahrerbindung. Beim Thema Treibstoff könnte in den kommenden zwölf Monaten ebenfalls wieder Handlungsbedarf bestehen. Einige Rohstoffanalysten, darunter der weltbekannte Experte Pierre Andurand, warnen, dass die Ära des billigen Öls bald vorbei sein könnte. Er rechnet schon im kommenden Jahr mit einem Anstieg der Preise von aktuell rund 60 US-Dollar für das Barrel auf über 80 US-Dollar, langfristig sogar auf über 100 US-Dollar. Goldman Sachs prognostiziert ebenfalls ein Ende des billigen Öls. Experten raten deshalb vorzubauen, zum Beispiel, indem jetzt - wenn die Preise noch niedrig sind - ein größeres Treibstoffkontingent eingekauft wird. Spezialisierung und Nischen-Pflege Mit Kostenmanagement allein werden mittelständische Transportunternehmen ihre Marktposition 2018 allerdings nicht sichern können - schließlich beherrschen die Dickschiffe der Branche diese Disziplin auch. Mittelständler müssen ihr Profil insgesamt schärfen. "Das Massengeschäft machen die Großen. Spezialisieren Sie sich, pflegen Sie Ihre Nischen. Das können beispielsweise sofort durchführbare Sonderfahrten sein", rät Unternehmensberater Werner. Sein Urteil: Das Pfund, mit dem kleinere Speditionen wuchern können, ist ihre Flexibilität im Einsatz eigener Kapazitäten sowie der persönliche Service. Sie sind der "Kümmerer vor Ort", der auch nach 17 Uhr erreichbar ist, wenn es drauf ankommt. Diese Rolle gelte es jetzt für die Zukunft zu sichern, rät Werner Unternehmen. "Pflegen Sie persönliche Kontakte und finden Sie heraus, wohin beim Kunden die Reise in 2018 geht, welche Erwartungen er hat." Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Profitipp "Wir haben schon mehrere Apps selbst entwickelt" 2017 hat uns gezeigt, dass es eine Endlichkeit gibt. Das Produkt Lkw/Fahrer und Transport ist mengenmäßig nicht mehr frei verfügbar. Die Volatilität des Auftragsaufkommens lässt sich mit den vorhanden Ressourcen nicht mehr kombinieren. Die Einkäufer müssen ihre Planung überdenken und besser verteilen, wir müssen an der Vernetzung von Fahrzeugen und Anlieferzeiten arbeiten.Dringender Handlungsbedarf besteht beim Thema Personal: Der Job des Berufskraftfahrers muss wieder attraktiv werden. Wir müssen mehr Präsenz zeigen, mehr ausbilden, den Job in Schulen bekannt machen und nicht nur über die Grenzen schauen, wo es willige Fahrer gibt. Bei unseren Kunden muss es einen Wandel geben. Der Fahrer darf nicht der Depp der Nation sein, den man schlecht behandeln und zum Entladen missbrauchen kann. Viel Energie werden wir im kommenden Jahr auch in das Thema Digitalisierung stecken. Wir müssen die Effizienz der Arbeitsabläufe steigern, die Richtung Industrie 4.0 konsequenter einschlagen. Wir haben schon mehrere Apps selbst entwickelt: Unsere Kunden können über ihr Smartphone Spot-Preise anfragen und Aufträge vergeben. Außerdem haben sie Einblick in Bestände und können Posten einoder ausbuchen. Die Kommunikation mit den Fahrern inklusive Routing läuft ebenfalls über eine eigene App. Wir werden im kommenden Jahr weitere Apps zur Vereinfachung der Prozesse rausbringen. cg Checkliste 2018 - Gemeinsam mit dem Kunden die Situation an der Rampe optimieren: Abfertigungszeiten verkürzen, die Arbeitsbedingungen der Fahrer vor Ort verbessern- Fahrermangel angehen: Ausbildung von Fahrern intensivieren, den Job des Berufskraftfahrers bekannter machen, Rekrutierung über Social-Media-Kanäle verstärken, Internetpräsenz insgesamt verbessern- In die Motivation bestehender Mitarbeiter investieren - nicht nur in höhere Löhne; gemeinsame Aktionen und Wettbewerbe ("Fahrer des Jahres") durchführen, mehr Wertschätzung gegenüber den Fahrern zeigen- Genauere Kennzahlen ermitteln und unprofitable Kunden aussortieren, insbesondere auf den Zeitverbrauch pro Tour achten- Stärken des Mittelstandes herausstellen: Flexibilität und persönliche Ansprechpartner- Intensivierung der Kontakte zu den Kunden: Eruieren Sie frühzeitig den Transportbedarf und neue Bedürfnisse- Digitalisierung vorantreiben: Dem Kunden die Möglichkeit bieten, Transporte online zu buchen, Papierprozesse durch digitale Abläufe ersetzen, Vernetzung mit dem Kunden verstärken cg

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