Finger weg vom Handy

Obwohl Dietmar Krusch am Steuer nur über Freisprechanlage telefoniert, gesteht der Geschäftsführer von FKT Transport in Langenhagen: "Ich bin nicht in der Lage zu sagen, wo ich mich befinde, wenn ich aufgelegt habe." Und noch viel stärker lenkt das Smartphone-Display vom Verkehr ab. Deshalb muss in den 15 firmeneigenen Lkw kein Trucker während der Fahrt zum Handy greifen. "Wir sind zum Beispiel über FleetBoard jederzeit mit unseren Fahrern verbunden und über Truckgate an das Slot-Buchungsverfahren des Hamburger Hafens angeschlossen", erklärt Krusch. Eine konkrete Regelung, wann Telematik und Speditionssoftware-Apps bei der Fahrt zum Einsatz kommen dürfen, gibt es bei FKT allerdings nicht. Die Zippel Group mit Hauptsitz in Hamburg und einer Flotte von 200 Lkw hat hingegen klare Anweisungen, wie und wann mit Handy, Laptop und Telematik umgegangen werden soll. Dazu gehört ein striktes Verbot, die Geräte während der Fahrt zu bedienen. "Ob Privat- oder Firmengerät - die Nutzung führt bei uns zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall auch zu anderen arbeitsrechtlichen Maßnahmen", so Geschäftsführer Axel Plaß. Soweit möglich, werde dies von den Fahrmeistern kontrolliert. Die niederländische Drei-Komponenten-Lösung SafeDrive-Pod, mit der beim Fahren nur Telefonate und Navigationsbefehle über das Handy möglich sind, stößt deshalb auf Interesse. Dabei wird ein kleiner Sender (Pod) im Lkw über Bluetooth mit einer App auf dem Fahrer-Handy verbunden. Der Fuhrparkmanager kann über den Server auf ein Reporting-System zugreifen. Benjamin Behrens, Fahrmeister bei Zippel, begrüßt die "intelligente Lösung". Und sein Kollege Paul Ulfert, Disponent, ergänzt: "Ein Lkw mit 40 Tonnen und 16,5 Metern Länge benötigt 100 Prozent der Aufmerksamkeit seines Lenkers. Mit so einer App erhalten wir die Sicherheit, dass das Handy als Ablenkungs- und Unfallursache ausscheidet." Vorlesefunktion und Head-up-Display Europaweit nutzen laut Hersteller rund 10.000 Trucker den SafeDrivePod. Deutsche Lkw-Kunden gibt es bislang nicht, aber Dachser prüft nach Auskunft von Produktionsmanagement-Leiter Thomas Schmalz aktuell "im Rahmen der Modernisierung unserer Bordsysteme" alle am Markt angebotenen Innovationen. "Dachser wird dem Fahrer ein Smart Device zur Verfügung stellen, das ihn in seinem Arbeitsablauf unterstützt und sich auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren lässt", erklärt er. Dabei denken die Kemptener auch an Vorlesefunktionen oder Head-up-Displays. Das Unternehmen wolle sich auch Privatgeräten annehmen. Als Herausforderung sieht Schmalz einheitliche Schnittstellen mit der Bordelektronik der verschiedenen Lkw, um externe Systeme wie Smartphones und Handhelds problemlos koppeln zu können. Deutschlandweit bereiten Transportunternehmen ihre Kraftfahrer in regelmäßigen Sicherheitsschulungen auf den richtigen Umgang mit Tablets, Smartphones und Telematiksystemen vor. "In den letzten Jahren hat Rhenus die Trainings immer weiter verstärkt und den Fortschritt technischer Geräte in die Unterweisungen vollständig integriert", berichtet Sascha Hähnke, Mitglied der Geschäftsleitung des Logistikdienstleisters aus Holzwickede. Alles sei so konfiguriert, dass lediglich Funktionen wie Navigation, Anrufe und/ oder Speditionssoftware-Apps bereitstehen. Zusätzlich werden den Kraftfahrern Unfallvideos vorgeführt, um auf die Gefahren von Unaufmerksamkeit am Steuer hinzuweisen. Fuhrparkmanager und Disponenten befürworten Smartphone-Blocker, fordern aber weitere Regelungen. "Gerade bei der aktuellen Verkehrsdichte und der anspruchsvollen Infrastruktur in Ballungsgebieten sollte dies sowie Freisprecheinrichtungen vom Gesetzgeber Pflicht für alle Verkehrsteilnehmer werden", sagt Richard Küppers, Betriebsleiter bei Emons Transporte in Köln. Zwar gebe es harte Strafen, "jedoch viel zu wenige Kontrollen und dadurch zu wenig Abschreckung". Die Polizei in Sachsen filmt aus einem fahrenden Bus heraus und hält Lkw bei Regelverstößen sofort an. "Anzeige, Bußgeld und Punkte in Flensburg schrecken ab", weiß Martin Hottinger, Leiter Autobahnpolizei und Verkehrsunfalldienst Bautzen. Bei Smartphone-Blockern ist er skeptisch: "Elektronik kann man manipulieren." Ja, das sei möglich, räumt Paul Hendriks, Inhaber von SafeDrivePod in Oosterbeek, ein - "aber nachweisbar". Denn der Unternehmer habe über das Dashboard Zugriff auf alle Daten. Umstrittenes Reporting Dieses Reporting-System bietet Zündstoff (siehe Interview unten). "Es gibt sicherlich keinen Beruf, der dezidierter überwacht werden kann als der des Kraftfahrers", meint Adalbert Wandt, Präsident beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Zu klären sei, ob die Geräte in der Pause senden und bedient werden dürfen. "Ist es dann noch eine Pause? Die Zeit soll ja zur Erholung dienen", gibt er zu bedenken. Aufklärungsarbeit zur Handy-Nutzung betreibt der BGL derzeit nicht; es sei keine Verbandsaufgabe, "mit dem erhobenen Zeigefinger einzugreifen". Im Tagesgeschäft haben Smartphone-Blocker weitere Nachteile, weil die Prozesse erschwert werden und der Fahrer Informationen, wie etwa eine Änderung seiner Tour, möglicherweise nicht sofort bemerkt. "Darüber hinaus ist die zeitliche Begrenzung der Blocker sehr kurz", bemängelt Hähnke von Rhenus. Der Touchscreen wird beim SafeDrivePod 20 Sekunden, nachdem das Fahrzeug zum Halt kommt, entsperrt. Die Lkw-Version des SafeDrivePod kostet 165 Euro. Christian Göllner, Geschäftsführer bei der Göllner Spedition in Nienburg/Weser mit circa 80 Fahrzeugen und 95 Fahrern, fragt, "wer denn diese technischen Innovationen am Ende des Tages bezahlt". Er findet es "einfach unglaublich", dass zusätzliche Apps eingesetzt werden sollen: "Das Handy am Steuer ist per Gesetz verboten!" Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Telematik" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Handynutzung am Steuer Was ist erlaubt?Die Pflichten des Fahrzeugführenden hinsichtlich der Nutzung elektronischer Geräte ist in Paragraf 23 I a der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt. Demnach darf der Fahrer ein Smartphone bei laufendem Motor nur bedienen, wenn es weder aufgenommen noch gehalten wird. Erlaubt ist, das Gerät per Sprachsteuerung und Vorlesefunktion zu nutzen. Eine Bedienung ist ferner erlaubt, wenn nur "eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen" erfolgt. Die gleichen Regeln gelten übrigens auch für Tablets und Navigationsgeräte. kk/mh

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