Fahrzeuglärm

Fahrzeuglärm Den Lärm aussperren Auf LKW-Hersteller und Reifenproduzenten kommen neue europäische Vorgaben zu, die den Fahrzeuglärm weiter senken sollen. Noch nicht alle Hausaufgaben sind gemacht. Es kommt darauf an – so lautet die korrekte Antwort auf die Frage, was denn nun am LKW den Lärm verursacht. Motor- und Getriebegeräusch oder Reifenabrollgeräusch – es sind viele Komponenten, die alle zusammen das wahrnehmbare Fahrzeuggeräusch ausmachen. Allerdings sind sie je nach Geschwindigkeit unterschiedlich stark am Gesamtgeräuschpegel beteiligt. Das muss man wissen, wenn man mit Akustikern über die Messung von Verkehrslärm spricht. Grob gesagt: Im innerstädtischen Verkehr bei Geschwindigkeiten bis 50 Kilometer pro Stunde sind es beim LKW vor allem die Motorgeräusche, die ins Gewicht fallen. Auf der Autobahn werden die Abrollgeräusche des Reifens zur Hauptlärmquelle. Wie der Verkehrslärm auf der Straße reduziert werden kann, wird unter anderem in einem Projekt der Bundesanstalt für Straßenwesen erforscht. Dort läuft noch bis Ende Juni zusammen mit 16 Kooperationspartnern aus Industrie und Forschung das Projekt „Leiser Verkehr 3“ – ein Folgeprojekt aus zwei vorangegangenen Lärmprojekten – in dem die Kooperationspartner Erkenntnisse zu Lärmentstehung und -minderung sammeln. Koordiniert wird das Lärmprojekt von Ulrike Stöckert, die bei der Bast das Referat Oberflächeneigenschaften leitet. Löchrige Straßen machen viel Lärm Das größte Potenzial zur Lärmreduzierung auf Bundesautobahnen sieht die Lärmexpertin im offenporigen Asphalt, der seit zehn Jahren zur Verfügung steht. „Auf der Autobahn kommt die größte Geräuschemission vom Rollgeräusch der Reifen“, erklärt Stöckert. Der offenporige Asphalt könne diese Geräusche um etwa die Hälfte reduzieren. Allerdings ist er in der Herstellung um 30 Prozent teurer als herkömmlicher Asphalt und besitzt wegen der höheren Witterungsanfälligkeit mit acht bis zehn Jahren auch eine deutlich geringere Lebensdauer. Auf Autobahnen wird er mittlerweilen standardmäßig bei Neubauten oder Sanierungen verbaut. „Weil dieser Asphalt gegen Verformungskräfte nicht so widerstandsfähig ist, eignet er sich allerdings nicht für den städtischen Bereich“, erklärt Stöckert. Wegen der vielen Anfahr- und Bremsvorgänge wirken hier andere Kräfte auf den Belag. Dort kommt eine andere lärmoptimierte Mischung zum Einsatz, die etwas widerstandsfähiger ist. Vor allem wo Lärmschutzwände oder andere Maßnahmen nicht möglich sind, sei der Straßenbelag ein geeignetes Mittel zur Lärmreduzierung. In vielen Städten, die wegen knapper Kassen Sanierungsarbeiten gerne hinauszögerten, liege das eigentliche Lärmproblem im schlechten Zustand der Fahrbahnen. „Straßen mit Schlaglöchern sind von Haus aus viel lauter als ein neuer Belag – die Städte müssen vor allem an die grundsätzlich Erhaltung ran“, mahnt Stöckert. Aufgrund einer europäischen Regelung mussten größere Städte mit mehr als 250.000 Einwohnern genaue Daten zum Lärmaufkommen sammeln und bis Juli 2008 entsprechende Lärmaktionspläne erstellen. Das betrifft regelmäßig den Güter- und Lieferverkehr. „Beim Lärmschutz ist auch die öffentliche Hand gefragt“, fordert Florian Eck, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Für Lärmschutzwände und offenporige Fahrbahnbeläge müssten die nötigen Finanzmittel zur Verfügung stehen. Dies, so Eck, sei auf kommunaler Ebene wegen klammer Kassen häufig nicht der Fall. Die Lärmaktionspläne der Städte erschöpften sich daher meist in „LKW-Führungskonzepten“ oder Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Stadt Hamburg hat die zweite Stufe ihres Lärmaktionsplans 2013 vorgelegt. Darin wird als Maßnahme auch die Entwicklung eines LKW-Führungskonzeptes formuliert, das den LKW-Verkehr mit Quelle oder Ziel Hamburg auf den kürzesten Routen zum Ziel führt. Wegen der großen Bedeutung des Hafens für die Stadt waren die Befürchtungen groß. Aber offenbar kann das Güterkraftverkehrsgewerbe mit den Vorgaben ganz gut leben. Frank Wylezol, Geschäftsführer des Verbands Straßengüterverkehr und Logistik Hamburg (VSH), sieht keine eingreifenden Maßnahmen, die den Schwerverkehr stark beinträchtigen. Die Hafenzufahrt sei nach wie vor gewährleistet. Es gebe auch keine Tendenzen, daran etwas zu ändern. „Viel größere Sorgen bereitet uns der schlechte bauliche Zustand der Brücken“, erklärt Wylezol. So soll zur Schonung der Brücke auf der Haupthafenroute in Richtung Westen ab 1. März im Bereich der Argentinienbrücke ein Überholverbot für LKW gelten. Zudem wird die Höchstgeschwindigkeit für LKW in diesem Bereich auf 30 km/h beschränkt. Endlich eine geänderte Messmethode Laut einer neuen EU-Vorgabe müssen auch die Fahrzeughersteller noch mal nachlegen, was die Lärmreduzierung betrifft. Zwar hat sich der „Vorbeifahrgeräuschpegel“ eines LKW seit den 1980er-Jahren herstellerseitig bereits um 8 dB (A) verringert. Als Faustregel gilt: Sinkt der Schalldruckpegel um 10 Dezibel, halbiert sich der wahrgenommene Lärm. Dennoch soll es noch leiser werden: Für schwere LKW über 12 Tonnen und mehr als 250 KW Leistung muss der Geräuschpegel in drei Stufen bis 2026 nochmals um 3 Dezibel sinken (siehe Tabelle). Wie so häufig, hat sich die Brüsseler EU-Kommission auch bei der „Verordnung über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen“ nicht mit Ruhm bekleckert. Ende Dezember 2011 hatte die EU-Kommission ihre Pläne auf den Tisch gelegt. Im EU-Parlament durfte sich der Umweltausschuss damit befassen. Dass als Berichterstatter ausgerechnet der Tscheche Miroslav Ouzký von der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten ernannt wurde, sollte sich als äußerst unglücklich herausstellen. Denn Ouzyký, der privat einen leistungsstarken Porsche fährt, forderte in seinen Vorschlägen höhere Dezibelwerte für Sportwagen als heute. Diese Passage hatte er eins zu eins aus einer Stellungnahme übernommen, die Porsche an ihn geschickt hatte. Zahlreiche Ausnahmen möglich Letztlich hat das Parlament den Vorschlag der Kommission aufgeweicht, musste bei den Kompromissverhandlungen mit den EU-Mitgliedsländern aber wieder Zugeständnisse machen. Ergebnis: Ein Gesetzes-Stückwerk mit vielen, wenig aussagekräftigen Zahlen, die zahlreiche Ausnahmen ermöglichen. Auf dem Papier sollen leichte Nutzfahrzeuge in drei Schritten und spätestens in zwölf Jahren zwischen sechs und sieben Dezibel leiser werden. Bei schweren LKW mit mehr als zwölf Tonnen zulässigem Gesamtgewicht sollen die Werte laut Kompromiss-Tabelle je nach Leistungsklasse um ein bis vier Dezibel fallen. Für die europäische Umweltorganisation Transport & Environment ist das viel zu wenig, für den zuständigen FDP-Umweltpolitiker im Europaparlament, Holger Krahmer, hingegen eine begrüßenswerte Entscheidung. „Bei der Festlegung der Grenzwerte müssen auch Grenzen des physikalisch Machbaren berücksichtigt werden“, begründet er. Das Parlament wird die Verordnung voraussichtlich im April endgültig verabschieden. Es werden dann die Abgeordneten sein, die eine etwas ehrgeizigere Lärmreduzierung im Straßenverkehr ausgebremst haben. Wichtigste Neuerung für LKW-Hersteller ist die neue Methode zur Messung des Vorbeifahrgeräuschs nach der Norm ECE R51, auf die die EU-Verordnung verweist. Die Messung mit beladenem LKW soll den Verhältnissen bei modernen Fahrzeugen besser gerecht werden (siehe Interview). Florian Eck betont, dass ein durchschlagender Erfolg nur dann zu erwarten sei, wenn es internationale Regelungen gebe. Dies sei insbesondere im Schienengüterverkehr und beim Luftverkehr offensichtlich. „Mit der neuen EU-Verordnung gibt es nun auch einen aktualisierten europäischen Ansatz für Kraftfahrzeuge“ , sagt Eck. ❙❚■ Dietmar Winkler Die Serie Kampf gegen den Krach Wenn es laut wird, gehen Bürger auf die Barrikaden. Verkehr muss daher leiser werden. VR 6: Wie die Bahn das Flüstern lernt VR 7: So werden Autobahn und Städte leiser VR 8: Politikum Fluglärm – Streit um Flughafenkonzept Interview „Wir müssen noch einiges an Arbeit leisten“ Warum drei Dezibel Unterschied anspruchsvoll sind, erklärt Stefan Heuer, Leiter der Abteilung Noise, Vibration & Harshness bei MAN. Was bedeutet die neue EU-Norm aus Sicht des LKW-Herstellers MAN? Stefan Heuer: Außer den Grenzwerten beinhaltet die neue Norm eine grundlegend geänderte Messprozedur für die Geräuschmessung beim LKW. Die Randbedingungen für die „Beschleunigte Vorbeifahrt“ bei der Messung bilden nach neuer Norm realistisch das Fahrverhalten im innerstädtischen Bereich ab. Die derzeit noch gültige Vorgängernorm wird den Verhältnissen beim modernen LKW nicht mehr gut gerecht: Dort wird ohne Beladung gemessen, die Fahrzeuge sind heute stärker motorisiert und erreichen relativ schnell die Abregeldrehzahl – so fährt kein LKW-Fahrer. Deshalb begrüßen wir die neue Norm. Wird die Messung also strenger? Ja. Mit den Grenzwerten der ersten Phase ab 2016 kommt es zu einer moderaten Verschärfung. Eine wichtige Neuerung bei der neuen Messung: Wir fahren mit 75 Prozent der maximalen Beladung, dadurch ist der Motor stärker gefordert. Es gelten also andere Messbedingungen: Ein alter Grenzwert von 80 dB(A) ist nicht vergleichbar mit 80 dB(A) nach neuem Messverfahren! Für schwere LKW über 12 Tonnen und mehr als 250 KW Leistung geht der Grenzwert sogar zunächst einmal von 80 auf 82 dB(A) hoch. Das mag auf den ersten Blick verwundern – nach der neuen Messprozedur wird es jedoch schwieriger, diesen Wert zu erreichen. Welche Geräusche werden von der Messung erfasst? Sowohl die alte als auch neue Norm erfassen immer das gesamte Fahrzeug. Mit dem Fahrzyklus, der den typischen innerstädtischen Lieferverkehr abbildet, ist das Geräusch des Motors meist der dominante Anteil. Die Reifen und Fahrbahngeräusche werden erst bei höheren Geschwindigkeiten, etwa bei Fahrten auf der Autobahn, zur lautesten Geräuschkomponente. Wie anspruchsvoll sind die vorgegebenen Grenzwerte? Die Norm gibt neue Grenzwerte in drei Phasen vor: Die erste Phase gilt voraussichtlich ab 01. Juli 2016 und ist aus heutiger Sicht eine moderate Verschärfung. Die Stufe zwei senkt den Grenzwert beim LKW dann zusätzlich um 1-2 Dezibel, je nach LKW-Typ, und in der letzten Stufe kommt eine Reduzierung um insgesamt 3 Dezibel. 3 Dezibel sind gleichbedeutend mit einer Reduzierung des Schalldrucks um die Hälfte. Das ist schon anspruchsvoll. Wird es schwer sein, die Grenzwerte zu erreichen? Ich würde sagen, es ist eine Herausforderung, den Grenzwert mit vertretbarem Aufwand zu schaffen. Um die Vorgaben auch unter Kosten- und Gewichtsaspekten zu lösen, müssen wir noch einiges an Arbeit leisten. Das steht in den Lastenheften für künftige Fahrzeuggenerationen. Wo setzen Sie an? Unser Wunsch ist es immer, direkt an der Quelle, insbesondere also am Motor, anzugreifen. Man muss die Motorstruktur so optimieren, dass sie weniger Geräusche abstrahlt, die Nebenaggregate leiser machen und die Einspritzung so gestalten, dass sie akustisch günstig ist. Bei den heutigen Common-Rail-Motoren ist das beispielsweise mit ein oder mehreren Voreinspritzungen und hohen Einspritzdrücken möglich. Aber: Alleine mit motorischen Maßnehmen wird es nicht gehen. Wir werden auch die Dämmung noch weiter verbessern und intensivieren müssen. diwi Gesetzliche Vorgaben für LKW-REifen Reifenlabel berücksichtigt neue Grenzwerte Aktuell bestimmen fünf Regelungen die Eigenschaften von LKW-Reifen: UN-ECE R54 – Luftreifen für LKW/Anhänger UN-ECE R109 – runderneuerte Luftreifen für LKW/Anhänger UN-ECE R117 – Reifenzertifikation (auf UN-Ebene) (EG) Nr.: 661/2009 – Reifenzertifikation (auf EU-Ebene) EU-VO 1222/2009 – Reifenlabel (plus EU-VO 228/2011; zur Ergänzung von 1222/2009) Zum Thema Geräuschemission sind gemäß R117 folgende Grenzwerte als Mindestanforderungen für LKW-Reifen vorgeschrieben (in der Regelung Reifen der Kategorie C3): Normaler Reifen = Grenzwert 76 dB(A) M- und S-Reifen = Grenzwert 78 dB(A) Spezialreifen = Grenzwert 79 dB(A) Diese Werte sind die Basis für die Grenzwerte, die dem EU-Reifenlabel zugrunde liegen, das am 1. November 2012 eingeführt wurde. Die Einstufung im EU-Reifenlabel berücksichtigt bereits künftig geltende Grenzwerte gemäß Verordnung (EG) Nr. 661/2009, die zwischen 2012 und 2020 in Kraft treten: Drei schwarze Wellen kennzeichnen die schlechteste Leistung. Der Reifen erzeugt Rollgeräusche, die unter dem derzeitigen Grenzwert (gemäß Richtlinie 2001/43/EG) liegen, aber den künftig geltenden Grenzwert überschreiten. Zwei schwarze Wellen: Der Geräuschpegel des Reifens entspricht dem künftigen Grenzwert oder unterschreitet diesen. Eine schwarze Welle: Der Reifen-Geräuschpegel unterschreitet den künftigen Grenzwert um mindestens drei Dezibel. diwi neue Lärmgrenzwerte für Kraftfahrzeuge Derzeit gültige Werte (1) Werte, die bis 2026 erreicht werden müssen(2) Laut dem letzten Entwurf der „Verordnung über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen“ im Straßenverkehr sollen die Lärmgrenzwerte von PKW und LKW in drei Schritten zwischen 2016 und 2026 sinken. Die Tabelle vergleicht die heute gültigen Grenzwerte mit den Zielwerten für 2026. diwi Fahrzeugtyp (zGG) Motorleistung Höchstwert in Dezibel dB(A) Fahrzeugtyp (zGG) Motorleistung Höchstwert in Dezibel dB(A) bis 2 t 76 bis 2,5 t 69 ab 2 t bis 3,5 t 77 ab 2,5 t bis 3,5 t 71 ab 3,5 t unter 75 kW 77 ab 3,5 t bis 12 t bis 135 kW 74 75 bis 150 kW 78 ab 135 kW 75 ab 150 kW 80 ab 12 t bis 150 kW 76 150 bis 250 kW 77 ab 250 kW 79 (1) siehe Amtsblatt der Europäischen Union vom 15.06.2007 Seite L155/51, (2) siehe 2011/0409 (COD) „Text as approved by Coreper on 15th November 2013“, Seite 67 Quelle: EU-Kommission Mit offenporigen Belägen lässt sich der Lärm auf Autobahnen halbieren Umweltorganisationen kritisieren die Brüsseler Pläne als viel zu lasch Die Geräuschentwicklung beim LKW muss noch einmal um drei Dezibel sinken

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