Euro-Leasing-Interview in voller Länge

Herr Künne, Herr Middendorf, wie war es für Sie, mitten in einem Pandemiejahr ganz neue Aufgaben zu übernehmen? Künne: Natürlich wünscht man sich beim Einstieg in ein neues Unternehmen ein stabileres Umfeld. Gleichzeitig hat uns die Corona-Situation dazu veranlasst, vieles auf den Prüfstand zu stellen. Das, was die gesamte mittelständische Transportwirtschaft und damit auch wir aus diesem Jahr mitnehmen ist daher: Krisenfest werden und krisenfest bleiben. Und über Monate auch im eingeschränkten Modus zu bestehen. Da haben viele, auch wir, Lehrgeld bezahlt und wir werden diese Erfahrungen für die Zukunft nutzen. Middendorf: Bei unseren Kunden hat sich im ersten Lockdown schnell herausgestellt, dass flexible Mobilität mehr denn je das Gebot der Stunde war. Wie hat sich Corona auf Ihr Vermietgeschäft ausgewirkt? Künne: Im Gegensatz zum Pkw-Geschäft ist die Auslastung im Lkw-Bereich erstaunlich stabil geblieben, wobei wir allerdings unseren Fuhrparkbestand etwas reduziert haben, um die Auslastung einigermaßen konstant zu halten. Auf die Flottenvergrößerung, die üblicherweise durch Zusatzgeschäft im Frühjahr erfolgt, wurde also verzichtet. Im Trailer-Bereich gab es wiederum den gegenteiligen Effekt: Bei Kühlaufliegern stieg die Nachfrage extrem an, so dass diese zeitweise vergriffen waren. Wie haben Sie insbesondere Langzeit-Mietkunden, die von Stillstand betroffen waren, konkret unterstützt? Künne: Wer eine vertraglich vereinbarte Early-Out-Option hatte, konnte Fahrzeuge ganz regulär vorzeitig zurückgeben. Wir sind unseren Kunden aber auch über Zahlungsmoratorien oder Stundungen entgegengekommen. Da hat es sich bewährt, eng an den Kunden dran zu sein und dann auch unkompliziert eine Lösung zu finden. Wir mussten aber zu keinem Zeitpunkt Risiken eingehen, die uns anschließend auf die Füße gefallen sind. Alle Vereinbarungen wurden eingehalten und als im Sommer das Transportgeschäft wieder anzog, hat sich die Situation wieder vollkommen normalisiert. Wie teilt sich das Geschäft zwischen den Säulen Miete, Leasing und Finanzierung aktuell auf? Sehen Sie die Miete als Gewinner in der Krise? Middendorf: Als Gewinner in der Krise würde ich die Miete nicht bezeichnen, vielmehr sehen wir schon seit einigen Jahren einen Markttrend zu einem beweglicheren Finanzierungsmix in der Flotte: Von Finanzierung hin zu Leasing und jetzt vom Leasing hin zu noch flexibleren Modellen wie eben Miete. Die meisten Kunden wollen zehn bis 15 Prozent ihrer Flotte flexibel halten und davon profitiert natürlich die Miete. Corona hat sich als Digitalisierungstreiber entpuppt – mit welchen digitalen Services wollen Sie Ihre Mietkunden künftig unterstützen? Middendorf: Wir sehen aktuell in allen Bereichen der Wirtschaft eine stark durch die Pandemie katalysierte Digitalisierung. Wir als Euro-Leasing haben jedoch unsere Digitalisierungsaktivitäten im Pkw- und Lkw-Bereich schon vor der Krise forciert. Aktuell arbeiten wir insbesondere an den Themen digitale Registrierung und digitale Anfrage bei der Vermietung. Und natürlich versuchen wir Synergien innerhalb unseres Konzerns zu heben. Volkswagen Financial Services beispielsweise, nutzt im Pkw-Bereich bereits als Partner die Verifizierungs-Plattform Verimi. Damit könnten auch wir perspektivisch nicht nur die Kundenlegitimation, sondern zusätzlich noch die Überprüfung von Führerscheinen realisieren. Aber auch intern hat dieses Jahr natürlich einen regelrechten Digitalisierungsschub für uns bedeutet: Mehr als 80 Prozent unserer administrativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen unsere Kunden mittlerweile vom Homeoffice aus. Künne: Insbesondere das Lkw-Geschäft ist noch sehr analog und von persönlichen Abschlüssen geprägt. Sowohl bei der Antragsstrecke als auch der Rückgabe mussten wir bei Ausbruch der Pandemie digitale Workarounds erstellen, weil es anders einfach nicht ging. Ziel ist es jetzt, diese Erfahrungen dafür zu nutzen, wirklich online-fähig zu werden. Gerade das Thema Rückgabe, bei dem es regelmäßig zu Diskussionen kommt, kann durch Digitalisierung und damit Standardisierung nur besser werden. Denkbar ist zum Beispiel ein Scannen des Lkw, um die Schadensaufnahme zu vereinfachen. Ein flächendeckender Einsatz solcher Technologien setzt natürlich eine gewisse Größe voraus. Auf unserem Weg zur Digitalisierung kann uns die Zusammenarbeit mit MAN, die wir jetzt vertiefen, sicherlich nur nutzen. Mit RIO4Rental können Mietkunden sich bei der konzerneigenen Digital- und Telematikplattform RIO andocken. Wie viel Prozent Ihrer Kunden nutzen das aktuell? Künne: Die Nachfrage hält sich momentan noch in Grenzen. Eine sinnvolle Nutzung der Plattform setzt aber nun mal auch die Digitalisierung der kompletten Prozesskette unserer Kunden voraus, und die ist bei vielen leider nicht sonderlich ausgeprägt. Telematikdaten, die in die analoge Welt überführt werden müssen, ergeben hier wenig Sinn. Anders gesagt: Die technischen Möglichkeiten haben wir seit Jahren, die Vernetzung der administrativen Prozesse dahinter fehlen aber noch. Durch die Verschmelzung mit der Euromobil Autovermietung können Kunden vom Kleinwagen bis zum 40-Tonner alles aus einer Hand mieten. Wird das von Speditionskunden angenommen? Künne: Natürlich haben Großspeditionen auch einen gewissen Pkw-Flottenbestand, die sind aber meistens geleast, etwa über die VW FS. Für die kurzfristigen Bedarfe unter zwölf Monaten können Kunden natürlich auch Autos mieten. Für die Lkw- und Pkw-Miete haben wir aber bisher noch keine kombinierten Angebote. Was ist mit Elektromobilität – welche Fahrzeuge kann man mieten? Middendorf: Wir haben im Bereich der leichten Nutzfahrzeuge seit dem Sommer die ersten MAN E-TGE in der Flotte. Im Nutzfahrzeugbereich bremst das Infrastruktur- und vor allem das Reichweitenthema die Nachfrage noch etwas aus. Wir gehen aber davon aus, dass gerade im Last-Mile-Bereich im nächsten Jahr die Nachfrage steigen wird, spätestens wenn verschärfte Umweltauflagen in den Städten kommen. Im Zulauf ist der E-TGM, der erste vollelektrische Verteiler-Lkw von MAN. Künne: Zum Start werden wir den E-TGM sicherlich erst einmal in Kleinserie anbieten – etwa für Unternehmen, die in die Elektromobilität hereinschnuppern wollen. Die derzeit mögliche Reichweite muss schließlich zum individuellen Einsatzzweck passen, die eigene Ladeinfrastruktur geplant werden. Die Miete wird solchen Unternehmen dabei helfen, herauszufinden, ob und wie eine Flotte langfristig am besten aufgestellt sein wird. In den nächsten Jahren werden wir hier sicher mehr Dynamik sehen – allein schon, weil der Gesetzgeber eine emissionsärmere Zustellung forcieren wird. Reden wir über Ihre Vertriebsstrategie - Euro-Leasing und MAN Truck & Bus rücken in der Lkw-Vermietung künftig noch näher zusammen. Was versprechen Sie sich davon? Künne: Wir forcieren damit einen einheitlichen Gesamtauftritt. Das geht schon damit los, dass aus der Marke Euro-Leasing MAN Rental wird. Sämtliche Vertragsabschlüsse laufen künftig über den MAN-Verkäufer, wir werden also perspektivisch nur noch einen dezimierten eigenständigen Vertrieb im Lkw Segment haben, der den direkten Kundenkontakt pflegt. Wir werden integrierte Prozesse haben, alle Finanzierungsformen und die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zur Wiedervermarktung als Gebraucht-Lkw werden aus einem Guss angeboten. Der Lkw-Markt ist stark von Abhängigkeiten geprägt: Wenn drei oder vier Jahre alte Gebrauchtfahrzeuge weit unter Preis verkauft werden, dann hat das Auswirkungen auf das Neugeschäft. Wenn neue Lkw wiederum mit hohen Rabatten verkauft werden, hat das Auswirkungen auf die Gebrauchtfahrzeugpreise. Wenn man diese Abhängigkeiten in der Gesamtprozesskette steuern und Synergien erzielen kann, ist man klar im Vorteil. Wir übernehmen Neufahrzeuge und führen Sie in den Gebraucht-Lkw-Pool von MAN zurück. Und was hat der Kunde davon? Künne: Der Kunde wird letztendlich bei der Fahrzeugauswahl und -konfiguration bei MAN die Finanzierungsform wählen: Kauf, Leasing oder Rental. Bei Finanzierung und Leasing wird dies bereits schon so gehandhabt – nun kommt als dritter Baustein die Miete hinzu. Die Kunden werden von erheblichen Prozessverschlankungen profitieren, da sie künftig nur noch einen Ansprechpartner haben. Sie können künftig bei jedem MAN-Verkäufer auch ihre kurzfristigen Bedarfe decken. Welchen Zeitplan haben Sie sich vorgenommen? Middendorf: Wir werden im Januar mit dem Rollout von MAN Rental starten. Zu Beginn wird das Produkt exklusiv in sieben MAN Standorten angeboten. Ab dem 1. Juli wird die Vermietung an allen Standorten von MAN deutschlandweit möglich sein. Ist das jetzt das endgültige Ende der Traditionsmarke Euro-Leasing? Künne: Als Marke für die Lkw-Vermietung ja. Als Unternehmen bleibt die Euro-Leasing aber natürlich bestehen und wird auch das Trailergeschäft weiterbetreiben. Was bedeutet das für das bestehende Depot-Netzwerk von Euro-Leasing, gibt es Standortbereinigungen? Middendorf: Wir schlagen durch die Zusammenarbeit mit MAN einen Wachstumspfad ein, nicht das Gegenteil. Unseren Depots und der gesamten Infrastruktur kommt dabei eine besondere Rolle zu. Am Ende sind wir diejenigen, die für MAN die gesamte Infrastruktur physisch und digital zur Verfügung stellen und auch die Bestandsbetreuung übernehmen. Als Hersteller-Vermietgesellschaft gehen wir den Weg der Markenkontinuität aber konsequent mit. Das bedeutet, dass im Bereich der Lkw-Vermietung aus der Euro-Leasing MAN Rental wird. Künne: Es wird keine Standortbereinigung oder -zusammenlegungen geben, das Netzwerk soll in Zukunft eher größer werden. Und der Kunde weiß nun auf einen Blick: Wo MAN drin ist, steht jetzt auch MAN drauf. Werden Sie auch am Portfolio etwas ändern? Künne: Wir werden unser Portfolio in den nächsten zwei, drei Jahren merklich umkrempeln. Momentan ist unser Flottenmix sehr einseitig, zu 90 Prozent vermieten wir Lkw für den Fernverkehr. Wir werden in Spezial- und Baufahrzeuge einsteigen, wir werden mehr Kühlfahrzeuge ins Angebot aufnehmen. MAN Rental soll möglichst alle Bedarfe der Kunden abdecken. Die verbesserten Strukturen, die wir dafür geschaffen haben, sind sprichwörtlich ein Pfund und das werden wir auch auf die Straße bringen. Den Marktführer in der Vermietung, Charterway, haben wir bislang in Ruhe gelassen. Das wird sich nun ändern. Wie sehen Sie sich generell im Wettbewerb aufgestellt, zuletzt standen die Zeichen auf Marktkonzentration. Künne: Dass sich große herstellerunabhängige Vermieter wie Pema und Tip zusammentun, damit müssen wir leben. Was wir aber selbst in der Hand haben, ist unsere eigene Stärke auszuspielen. Dabei haben wir zugegebenermaßen etwas Nachholbedarf. Das mag in einem großen Konzern wie Volkswagen schon fast Tradition haben: Wir kommen vielleicht etwas später, aber dann entsprechend stark. 2021 ist Transport Logistic Jahr. Was stellen Sie in den Messefokus? Middendorf: Wir hoffen natürlich sehr, dass wir mit einem Messestand vor Ort dabei sein können. Kunden werden uns aber - ob digital oder physisch vor Ort - gemeinsam mit MAN unter dem MAN-Rental-Logo antreffen. Künne: Wir werden vor allem in den Fokus rücken, was Miete im Lkw-Bereich bedeutet: Flexibilität und Risikominimierung durch ein Full-Service-Angebot mit transparenter Kostenkalkulation.

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