Luxemburg. Auch ausländische Airlines müssen nach Ansicht des höchsten EU-Gerichts für den Kohlendioxidausstoß ihrer Flieger in der EU zahlen. Die Einbeziehung des internationalen Flugverkehrs in den europäischen Handel mit Emissionsrechten sei zulässig, schreibt die zuständige Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Juliane Kokott, in ihrem am Donnerstag in Luxemburg veröffentlichten Gutachten (Rechtssache C-366/10). Auch Verbraucher müssen künftig draufzahlen: Nach Brüsseler Schätzungen bis zu 12 Euro pro Ticket.
Wann das endgültige Urteil gesprochen wird, ist noch unklar. Meist folgen die Richter aber den Einschätzungen der Generalanwälte.
Airlines aus China, Indien und den USA hatten heftig dagegen protestiert, in das europäische Handelssystem für Emissionen eingebunden zu werden. Stoßen sie zu viel klimaschädliches CO2 aus, müssen sie nach geltendem EU-Recht ab 2012 zahlen, ebenso wie europäische Airlines. Sonst drohten ihnen „Sanktionen bis hin zur Betriebsuntersagung", sagte Kokott. Die neue Auflage gilt für alle Airlines, die in der EU starten und landen.
Die Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs in den Handel mit Verschmutzungsrechten werfe „keine rechtlichen Bedenken auf", entschied Kokott. Die EU hatte diese Ausweitung 2008 - trotz Widerstands aus Drittstaaten - im Alleingang beschlossen. Die USA reagierten mit einer Gesetzesinitiative, die ihren Airlines die Teilnahme am europäischen Handelssystem verbieten soll. China droht mit Gegenmaßnahmen: Strafabgaben für europäische Airlines oder gar ein Handelsboykott seien denkbar, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel.
Im konkreten Fall wollte der Dachverband der amerikanischen Fluggesellschaften „Air Transport Association of America" (ATA) die Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs vor dem High Court of Justice of England kippen. Das britische Gericht bat daraufhin die Luxemburger Richter um Hilfe bei der Auslegung europäischen Rechts.
„Die Europäische Kommission sollte über das Gesetz ein Moratorium verhängen, um einen drohenden Handelskrieg mit Drittstaaten zu verhindern", sagte der FDP-Europaabgeordnete Holger Krahmer. In der vergangenen Woche haben unter anderem Vertreter aus den USA, Indien, Brasilien, Russland und China eine Protesterklärung abgegeben.
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard hält an ihrer Auflage fest, machte nach dem EuGH-Gutachten aber klar, dass sie auf Kooperation hofft. Ein EU-Diplomat sprach von einer „ernsthaften politischen Herausforderung". Brüssel bemühe sich unter Hochdruck, „Spielräume mit Drittländern auszuloten". Es gebe vor allem eine Möglichkeit, Konfrontation zu vermeiden: Wenn ein Drittstaat ein vergleichbares System aufbaut, könnten Flüge aus dem Land ausgenommen werden.
Deutschland fordert „Wettbewerbsneutralität". Für europäische und deutsche Airlines dürfe es keine Nachteile geben. Laut EuGH-Gutachten wahrt die Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs genau das.
Mit der neuen Klimaschutzauflage will die EU den Ausstoß an Treibhausgasen bis 2020 um fünf Prozent senken, gemessen am Durchschnitt der Jahre 2004 bis 2006. Seither sind die Treibhausgasemissionen der Luftfahrt aber deutlich gestiegen: Seit 1990 haben sie sich EU-weit fast verdoppelt.
Airlines dürfen künftig den Großteil der Emissionen aber gratis ausstoßen: 85 Prozent der Zertifikate bekommen sie 2012 umsonst, danach 82 Prozent. Für den Rest müssen sie an einer Börse Verschmutzungsrechte dazukaufen. „Gesellschaften mit alten, dreckigen Flugzeugen werden draufzahlen müssen", sagte ein Diplomat. (dpa)