Brüssel. In den Schwellenländern wachsen den europäischen Luftfahrtunternehmen mächtige Konkurrenten heran. Besonders die Golf-Airlines Etihad, Emirates und Qatar-Airlines machen der Lufthansa, Air France und anderen EU-Carriern schwer zu schaffen. Im letzten Jahr nahmen 25 Millionen Passagiere einen Direktflug von Europa in die Golfstaaten, die meisten auf dem Weg nach Südostasien. Mit den gleichen Flügen wird auch Fracht zwischen Asien und Europa transportiert.
Die Europäer müssten den globalen Luftverkehr auch in Zukunft mitgestalten, sagt EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc: „Wichtig ist, dass die europäischen Airlines für einen harten, internationalen Wettbewerb gerüstet sind.“
Genau das, klagen die Airlines, sei gegenwärtig nicht der Fall. Die Konkurrenz vom Golf kenne keine Mindestlöhne, keine Gewerkschaften oder Nachtflugverbote. Sie zahle keine Luftverkehrssteuer und deutlich weniger für Kerosin und die Nutzung ihrer heimatlichen Flughäfen. Die Lufthansa hat es geschmerzt, dass ausgerechnet Emirates mit Verlässlichkeit warb, als die eigenen Flugzeuge wegen der Streiks am Boden bleiben mussten. Allerdings verfügen die Airlines vom Golf auch über echte Standortvorteile: die zentrale Lage zwischen Europa, Asien und Ostafrika, die schwache Besiedlung, die einen Flugbetrieb rund um die Uhr möglich macht – ideale Voraussetzungen für ein Drehkreuz im internationalen Luftverkehr.
Werte und Standards schützen
Diese Ausgangsbasis nutzen die Golfstaaten, um den Luftverkehr mit üppigen Kapitalspritzen und Fördermaßnahmen als strategischen Sektor zu etablieren – für eine Zukunft, in der es kein Öl mehr gibt. Das ist nicht verwerflich, aber schon ein Problem für die Europäer. Eine Lösung verspricht sich die Verkehrskommissarin von einem Abkommen zwischen der EU und den Golfstaaten und einer Verschärfung des europäischen Rechts. „Der Zugang zum europäischen Markt sollte so geregelt sein, dass unsere Werte und Standards geschützt werden und Chancen für beide Seiten entstehen“, sagt die Kommissarin.
Die Kommission werde gegen unfaire Praktiken im Wettbewerb wirksamer vorgehen. Neue Instrumente sollen ihr erlauben, wettbewerbsfeindliche Praktiken wie Subventionen oder Preisdumping einfacher festzustellen und wirksamer dagegen vorzugehen.
Entzug der Landerechte
In Brüssel möchte man von Drittstaaten direkte Informationen über die Finanzierung ihrer Airlines einholen und ihnen notfalls Lande- oder Überflugrechte in der EU entziehen. Mit dieser Drohung ausgestattet will die Verkehrskommissarin mit den Golfstaaten verhandeln. In Brüssel will man erreichen, dass auch die Airlines vom Golf Mindeststandards beim Umweltschutz und den Arbeitsbedingungen einhalten.
Die Kommissarin ist zuversichtlich, dass sie den Scheichs substanzielle Konzessionen abtrotzen kann, wenn die Mitgliedstaaten ihr ein starkes Verhandlungsmandat geben. Denn die Strategie der Golfstaaten geht nur auf, wenn sie Zugang zum europäischen Markt haben.
Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft begrüßt, dass die Kommission das Problem im internationalen Wettbewerb erkannt hat. Der Verband bemängelt jedoch, dass Vorschläge, die Ordnungs- und Fiskalpolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten zu überprüfen, fehlen. Der Verband verlangt, dass die EU ihre Mitgliedsstaaten auffordert, „wettbewerbsverzerrende regulative und fiskalische Lasten“ abzubauen. Dazu gehörten zum Beispiel die Luftverkehrssteuer oder die Betriebszeiten an Flughäfen. (tw/ks)