„Es gab keine Versäumnisse“

Interview „Es gab keine Versäumnisse“ Finanzierungslücken beim Hafenausbau und Unsicherheit bei der Elbvertiefung: Der parteilose Wirtschafts- und Verkehrssenator von Hamburg, Frank Horch, kämpft zurzeit an vielen Fronten. Im VR-Interview sagt er, wo neues Geld herkommen soll und warum der Lang-LKW in Hamburg fahren darf. Vor Kurzem hat der Jade-Weser-Port (JWP) eine Studie veröffentlicht, der ihm eine „hohe Standortattraktivität“ bescheinigt – und das bessere Abschneiden bei vielen Kriterien. Haben Sie eigentlich Angst davor, dass der JWP ein ernsthafter Konkurrent für den Hamburger Hafen wird? Nein. Ich will nicht schlecht über einen angeblichen Wettbewerbshafen reden – davon haben wir viele. Jeder Hafen hat seine Vorzüge und seine besonderen geschäftlichen Beziehungen. Ein Vergleich zwischen Wilhelmshaven und Hamburg ist aber in keiner Weise angebracht, weil Hamburg mit der Metropolregion, seiner Hochschullandschaft und dem 800 Jahre alten Hafen mit einem riesigen gewachsenen Dienstleistungssektor und der qualitativ hochwertigen Vernetzung von Abläufen viele wirtschaftliche Vorteile bietet. Was kann Hamburg besser? In Hamburg können Sie einen Modal Split realisieren wie an keinem anderen Hafen, hier kommen sehr viele harte und weiche Faktoren zusammen. Der Hamburger Hafen, die bremischen Häfen und der Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven entwickeln jeweils ihre Infrastrukturen, um an der globalisierungsbedingten Zunahme des Welthandels dauerhaft teilhaben zu können. Indem jeder Häfen dabei seine Stärken ausbaut, wird ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen für Norddeutschland geschaffen und dem Im- und Export in ganz Deutschland geholfen. Können Sie sich denn eine Zusammenarbeit mit dem JWP vorstellen? Sicher, das alles spricht nicht gegen eine Zusammenarbeit in ausgewählten Bereichen. Über German Ports müssen wir unsere deutschen Stärken noch besser vermarkten, um mehr Verkehre über Deutschland abzuwickeln. Und im Wachstum der Zukunft kann auch Wilhelmshaven seine Rolle spielen. Aber von einer Konkurrenz zwischen Hamburg und Wilhelmshaven zu sprechen, geht mir deutlich zu weit. Der Wettbewerb der deutschen Nordseehäfen ist gerade nicht auf eine ruinöse Verdrängungskonkurrenz ausgerichtet, sondern hat im besten wettbewerblichen Sinn dazu geführt, dass alle Häfen wirtschaftlich erfolgreich sind. So ergibt es sich, dass das Wachstumspotenzial der norddeutschen Häfen um ein Vielfaches größer ist als etwa das größte in Wilhelmshaven überhaupt mögliche Umschlagsvolumen. Der Jade-Weser-Port hat also Zukunft und wird sich entwickeln – aber das kostet Zeit. Wenn Ihnen der JWP keine Sorgen macht, wie sieht das denn mit den Ostseehäfen aus? Da sieht die Sache schon etwas anders aus. Wenn man sich die Warenströme anschaut, die Verkehre nach Danzig oder St. Petersburg und die neuen, großen Schiffe, dann ist die Konkurrenz in den Direktanläufen der Ostseehäfen höher einzustufen als die des JWP. Trotz der bestehenden starken Position des Hamburger Hafens müssen Sie den Standort immer weiterentwickeln. Das müssen wir. Im Bereich Innovation und in der Logistik ist in Hamburg noch Potenzial vorhanden. Die Logistik erlebt stetig sich wandelnde Prozesse und Umbrüche in Schifffahrt, Umschlag und Hinterland. Dies erfordert Innovationen im gesamten Supply-Chain-Management, um im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Was konkret bedeutet Innovation? Wir sind kein Land, wo wir auf Höhe der Produktionskosten wettbewerbsfähig sind. Wenn wir uns etwa mit Schwellenländern vergleichen, haben wir keine Chance. Deswegen müssen wir in allen Bereichen der Wirtschaft den innovativen Geist wecken. Wir wollen mit unserer Clusterstrategie Innovationen über Technologieparks und über die Bündelung von Wissen Hamburg und den Hafen nach vorne bringen. Hamburg hat speziell im Logistiksektor eine vielfältige und professionelle Innovationslandschaft etabliert, gelungene Beispiele sind für mich das Fraunhofer CML, das Hamburger Logistikinstitut und die Kühne Logistics University. Zur Wettbewerbsfähigkeit gehört aber auch die passende Infrastruktur. Nur mit Effizienzverbesserungen wird es natürlich nicht gehen, wir brauchen auch mehr Infrastruktur Der Ausbau und die Unterhaltung müssen gewährleistet werden, um unsere Standortvorteile nicht zu gefährden. Wir wissen allerdings auch, dass solche Projekte viel Geld kosten und wir darüber hinaus vielfach vom Bund abhängig sind. Geld scheint aber zu wenig da zu sein. Sie haben selbst im Senat eingeräumt, dass bis 2018 etwa 444 Millionen Euro fehlen. Es klafft also eine riesige Lücke zwischen dem Projektvolumen des Hafenausbaus und dem zur Verfügung gestellten Geld. Viele der Defizite sind nur theoretisch, da niemand in die Zukunft blicken kann und manches noch nicht feststeht. Gewisse auf dem Papier nicht durchfinanzierte Projekte hängen davon ab, wie die wirtschaftliche Perspektive aussieht. Ein Hafenentwicklungsplan ist eine auf Potenzialen aufgebaute Planung, da ist noch nichts gesichert. Aber da ist doch ein Widerspruch zwischen Ihrem Credo „Wir stellen den Hafen in den Fokus unserer Wirtschaftspolitik“ auf der einen Seite und auf der anderen Seite der unklaren Finanzierung. Überhaupt nicht, denn jahrelang hat der Hafen von einer Theorie gelebt „Hafen finanziert Hafen“. Das war eine unsägliche Vorgehensweise, total unrealistisch. Wir haben Schluss gemacht mit dieser Politik und wollen auch die Stadt an den Lasten beteiligen. Damit haben wir den Hafen wieder ins Zentrum der Wirtschaftspolitik gerückt. Wie wollen Sie denn die Lücke schließen? Die Finanzierung des Hafens wird anspruchsvoll, das ist mir klar, vor allem, weil die HHLA-Milliarde 2015 ausläuft. Deswegen haben wir mit der Regierungsübernahme 100 Millionen in den Hamburger Haushalt eingestellt. Mit dieser Finanzierung und der Unterstützung durch den Bund sind wir in der Lage, den Ausbauplänen gerecht zu werden. Ich kann die Skandalisierung, dass angeblich eine totale Unterfinanzierung herrscht, nicht nachvollziehen. Die 444 Millionen Euro sind eine rein theoretische Zahl. Wenn ich Sie richtig verstehe, bedeutet das, dass viele der geplanten Projekte noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden und eventuell auch den finanziellen Möglichkeiten angepasst werden müssen? Ja. Ganz klar: Es kann zu Streckungen auf der Zeitachse kommen, sogar zu Streichungen. Das ist ein ganz selbstverständlicher Vorgang bei Planungshorizonten bis 2025. Hier wird aber möglicherweise ein Problem dramatisiert, dass sich in dieser Größenordnung gar nicht stellen wird. Wegen der hohen rechtlichen, planerischen und technischen Komplexität vieler Infrastrukturprojekte kommt es häufig zu nicht unerheblichen Verzögerungen. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass viele Projekte am Ende später gekommen sind als erwartet. Das war unter dem Vorgänger-Senat übrigens nicht anders. Als Nächstes steht ja die Elbvertiefung an – ist dafür überhaupt das Geld da? Ja, Hamburg und auch der Bund achten darauf, dass im Wust der vielen Projekte die Elbvertiefung eine herausragende Rolle spielt. Wenn das Gericht ja sagt, dann beginnen wir! Haben Sie eigentlich Angst vor der Entscheidung des Gerichts? Wir haben aufmerksam die Verhandlungen um die Weser verfolgt und haben uns zugegeben auch ein besseres Ergebnis erhofft. Weservertiefung und Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe sind jedoch nicht in jeder Hinsicht vergleichbar und in Hamburg haben wir einen anderen Planfeststellungsbeschluss. Mit unserer umfassenden Vorgehensweise im Planfeststellungsverfahren sind wir mit einer tieferen Gründlichkeit besser aufgestellt. Das stimmt mich soweit optimistisch. Man kann nicht mehr tun, als wir getan haben. Ich würde mir Vorwürfe machen, wenn wir Versäumnisse hätten – aber die gab es nicht. Ich hoffe, dass wir am Ende erfolgreich sind. Haben Sie das Heft noch in der Hand? Nein, wir haben es nicht mehr in der Hand. Das Gericht ist nun am Zug. Wir beobachten das Ganze aufmerksam und haben auch nicht die Absicht, in irgendwelche Verhandlungen zu gehen, mit wem auch immer. Ich kann immer nur das Gleiche sagen: Volkswirtschaftlich ist die Elbvertiefung von herausragender Bedeutung. Das ist kein Fall Hamburg, das muss allen klar sein. Kommt die Elbvertiefung wie geplant? Sie kommt. Die Frage ist nur, wann. Das kann schnell gehen, aber auch lange dauern. Auf einen Zeitpunkt will ich mich deshalb nicht festlegen. Gibt es Möglichkeiten eines Kompromisses? Nein. Man muss diesen Wünschen immer wieder entgegenhalten: Ein Planfeststellungsverfahren ist mehr, als ein paar Sätze hinzuschreiben und zu sagen: So soll es laufen. Es sind umfassende Prozesse, die über fünf, sechs Jahre stattgefunden haben. Man kann jetzt nicht einfach sagen: Einigen wir uns in der Mitte bei einer Anpassung von nur 50 Prozent der Ausbauabsichten. Bei Straßen können Sie ja auch nicht sagen: Ich baue eine Straße nur für 30 km/h Höchstgeschwindigkeit. Eine Veränderung unserer Planungen würde völlig andere Ansätze etwa in der Konzeption und bei den zu erwartenden Auswirkungen des Ausbaus erforderlich machen, die einen kompletten Neustart des Verfahrens und der Berechnungen bedeuten. Das würde jahrelange Verzögerung bedeuten. Und selbst danach wären ja wieder Klagemöglichkeiten eröffnet. Deshalb bringen wir jetzt das Gerichtsverfahren zu Ende. Was ist, wenn die Vertiefung gestoppt wird? Das wäre eine Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Hamburg. Und auch für den Rest Deutschlands. Welche Rolle spielt eigentlich der Lang-LKW für den Wirtschaftsstandort Hamburg? Bei diesem Thema fährt Ihre Landesregierung gegen die offizielle SPD-Meinung eine Sonderrolle – und hat Strecken freigegeben. Ich sehe das pragmatisch. Man kann solche Entscheidungen nicht nach Parteipolitik fällen, sondern muss sie anhand objektiver Kriterien treffen. Aufgrund der Rolle Hamburgs als Drehscheibe im Norden und Transitstrecke Nord-Süd muss ein solcher Versuch auch an einem solchen Knotenpunkt gemessen werden. Diese Position habe ich in der Bürgerschaft und in der SPD so durchgesetzt. Mir ist die Erkenntnis wichtig. Wir würden ein Vorhaben blockieren, ohne das Ergebnis zu kennen. Was glauben Sie denn persönlich: Ist der Lang-LKW gut oder schlecht für die Umwelt? Das kann ich noch nicht sagen, das werden die Ergebnisse zeigen. Wenn wir allerdings die vielfältigen Wege sehen, die wir gehen müssen, ist der Lang-LKW sicher nicht der Königsweg. Aber an bestimmten Stellen, wie etwa im Hamburger Hafen, kann der Lang-LKW ökonomische und ökologische Vorteile ausspielen. Aber ich bin ergebnisoffen und erwarte gespannt die Erkenntnisse aus dem Versuch. Eins muss ich allerdings klarstellen: Ich kann mir den Einsatz nur auf bestimmten Strecken vorstellen und keine Komplettzulassung für das ganze Straßennetz. Wenn Sie mit Ihren Verkehrsministerkollegen aus der SPD diskutieren, werben Sie da für Ihre pragmatische Vorgehensweise? Hier ist vor allem meine Position als parteiloser Senator hilfreich. Man nimmt mir meine von Inhalten getragene Position ab, und ich finde durchaus Zustimmung dafür. Hand aufs Herz: Hilft es Ihnen, dass Sie als SPD alleine ohne die Grünen regieren? In vielen Punkten einer effektiven und zeitgemäßen Wirtschafts- und Verkehrspolitik sind wir im Moment ganz gut unterwegs. Ich bin froh, dass wir nicht dogmatisch vorgehen müssen, sondern ganz pragmatisch – etwa in Sachen Hafenausbau, City-Maut oder Umweltzone. Ökologische und ökonomische Anforderungen in eine Balance zu bringen, gelingt in einer solchen Alleinregierung sicher besser als mit einem Koalitionspartner – welcher Farbe auch immer. ❙❚■ Tobias Rauser Vita Frank Horch wurde am 25. Februar 1948 in Geversdorf bei Cuxhaven geboren und studierte von 1969 bis 1974 Schiffbau in Hamburg. Nach beruflichen Stationen bei der Mützelfeldt-Werft Cuxhaven, Phoenix und Friedrich Krupp/Thyssen Krupp arbeitete er von 2008 bis 2011 als Mitglied der Geschäftsführung bei Blohm + Voss. Im gleichen Zeitraum war Horch auch ehrenamtlicher Präses der Handelskammer Hamburg. Von diesem Amt trat er zurück, um sich im Team von Olaf Scholz (SPD) für den Posten als Wirtschaftssenator in Hamburg zu bewerben. Seit März 2011 ist er im Kabinett Scholz parteiloser Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Horch ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. tr „Ganz klar: Es kann zu Streckungen auf der Zeitachse kommen, sogar zu Streichungen“ Frank Horch Wirtschafts- und Verkehrssenator Hamburg „Wir würden ein Vorhaben blockieren, ohne das Ergebnis zu kennen“ Frank Horch, Wirtschafts- und Verkehrssenator Hamburg

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

BGA: Situation im Großhandel ist schlecht

Luftfracht: DHL Express und Shell kooperieren

Konjunktur: KfW Research senkt Wachstumsprognose

Alle Schlagzeilen

„Es gab keine Versäumnisse“

HASHTAG

#Hamburg

Frachterbrand: Diskussionen um Löschkonzept im Hamburger Hafen

Entführte Seeleute der „Hansa Marburg“ wieder frei

Hamburger Hafen geht das Geld aus

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Area HR Business Partner

WEITERLESEN

NEWSLETTER