Ersatzteile drucken statt senden

Ein Blick in den Eingangsbereich der Schwaiger Firmenzentrale von Group7 zeigt, wohin die Reise bei dem mittelständischen Kontrakt-Logistikunternehmen geht: Nicht Lkw-Bilder prangen hier an den Wänden, stattdessen ziert nur ein einziges Ausstellungsstück den Raum: ein 3-D-Drucker in der Größe eines Mikrowellengeräts. Die Botschaft ist klar: Group7 hat die 3-D-Druck-Technologie im Blick. Während so mancher Transport- und Logistikdienstleister diesen neuen Trend noch fürchtet, weil ihm dadurch in Zukunft Sendungsmengen wegzubrechen drohen, insbesondere in der Ersatzteillogistik, prescht Group7 vor und rüstet sich als eines der ersten mittelständischen Branchenunternehmen für den 3-D-Druck. "Für uns ist 3-D-Druck fester Bestandteil von Logistik 4.0", begründet Günther Jocher, Vorstand des Unternehmens, die Offensive. Start war Anfang 2017 in Schwaig: Mittlerweile hat Group7 alle seine neun Standorte in Deutschland mit 3-D-Dru-Kommt langsam aus der Nische: der 3-D-Druckckern ausgestattet und produziert damit einfache Ersatzteile und Endprodukte für seine Kunden. Unabhängig davon arbeiten die Group7-Logistiker auch mit Wissenschaftlern zusammen, unter anderem mit dem Institut für angewandte Logistik (IAL) der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, und loten mit diesen mögliche Potenziale der Technologie aus. Gleichwohl will der Mittelständler beim Einstieg in den 3-D-Druck nichts überstürzen. "Wir tasten uns langsam an diese Technologie heran und prüfen bei jeder technischen Innovation, ob weitere Produkte und Bauteile additiv gefertigt werden können", betont Jocher. Er ist sich aber sicher, dass sich durch den 3-D-Druck die Aufgabenteilung zwischen Hersteller und Lieferanten komplett neu ordnen wird. Denn durch die neue Technologie lassen sich viele Bau- und Ersatzteile in Einzel- und Serienproduktion dezentral herstellen. Folge davon könnte aber sein, schätzt Jocher, dass der Transport solcher Teile über lange Strecken durch den 3-D-Druck ersetzt werden könnte. Andererseits winken Logistikunternehmen gerade durch die neue Technologie interessante Wachstumspotenziale", ist sich der Vorstand sicher. 30 Prozent Wachstum jährlich bis 2020 Dazu nur einige Zahlen, die Jochers Aussagen stützen: Noch vor zwei Jahren wurden gut zwölf Milliarden Euro mit 3-D-Druckern und Rohmaterialien für die damit gefertigten Produkte weltweit umgesetzt. Bis 2020 könnte dieses Geschäft jedoch jährlich um rund 30 Prozent zulegen, erwartet eine Prognose des Marktforschungsinstituts IDC. Und eben an diesem Wachstumskuchen will Group7 partizipieren und hat dafür seine Geschäftsmodelle weiterentwickelt: Sie reichen mittlerweile vom Transport von Metall in Pulverform bis zu Parallelstrategien für 3-D-Druck und traditioneller Ersatzteillogistik. Außerdem umfasst das Service-Portfolio des Schwaiger Unternehmens Dienstleistungen wie "Ersatzteile auf Abruf", ein Modell, das die Lagerkosten reduzieren soll, sowie "End-of-Runway-Services" im Bereich Aviation Logistics für die schnelle Produktion von zeitkritischen Teilen. "Wir können auch in der Lieferkette bei den Ersatzteilen auf Abruf in einer neuen revolutionären Weise involviert werden, indem wir Teile an unseren Standorten drucken", erklärt Jocher. Und da Group7 Multi-User-Standorte betreibt, fehlt es dem Unternehmen auch nicht an Kundenanfragen. Vor allem Automotive-Unternehmen, Flugzeug- und Maschinenbauer sowie Elektronik- und IT-Hersteller zeigen sich an den neuen Services interessiert. Ihre Produkte bieten jede Menge Potenzial für 3-D-Druck. Wegfall traditioneller Supply Chains Was nicht verwundert, denn die Automobil- und die Luftfahrtindustrie setzt seit vielen Jahren 3-D-Druck für den Prototypenbau ein. Die damit hergestellten Komponenten, die traditionell gefertigte Teile ersetzen, sind genauso sicher und stabil, aber viel leichter. In Flugzeuge verbaut, können solche Bauteile sogar helfen, Kerosin und CO2 einzusparen. Auch in der Medizintechnik hat die additive Fertigung bereits Standards erreicht, die mit klassischen Fertigungsmethoden mithalten können. Selbst Fashion Designer, Architekten, Künstler und Lebensmitteltechniker experimentieren mittlerweile mit den Möglichkeiten des 3-D-Drucks. Schuhe, Textilien und Häuser - alles das wird heute gedruckt. Scheinbar gibt es nichts mehr, was sich nicht auch drucken lässt. Für die Logistik hat das Folgen: "Die größte Veränderung durch den 3-D-Druck ergibt sich mit dem Wegfall der kompletten traditionellen Supply Chain. Denn das nachgefragte Produkt kann direkt beim Kunden gedruckt werden." Darauf verweist Alexander Nehm, Geschäftsführer von Logivest Concept in München, das sich auf die Beratung und Vermarktung rund um Logistik- und Industrieimmobilien in Deutschland spezialisiert hat (siehe Kasten Seite 18). Denn durch den Einsatz des Verfahrens verlagere sich der Produktionsort schrittweise in Richtung des Gebrauchsortes. Mit der Folge, dass sich lange Transportströme verkürzen und die Zwischenlagerung sowie die Pufferung abnehmen. Nehm wörtlich: "Auf der einen Seite brechen durch den 3-D-Druck Logistikdienstleistern also Transportumsätze weg. Andererseits entstehen dadurch neue Geschäftsbereiche, in denen sie sich etablieren können. So können sie ihre Kunden bei der Integration des 3-D-Drucks in bestehende Wertschöpfungsnetze unterstützen oder ihnen dabei helfen, sich auf das Thema ,Digital Warehousing' zu spezialisieren", nennt Nehm Beispiele. Denkbar ist laut dem Logistikexperten sogar, dass der 3-D-Druck dezentralisiert wird. Sprich, an allen globalen Standorten von Logistikdienstleistern wie Group7 könnte ein 3-D-Drucker stehen, der die jeweiligen Ersatzteile rasch produziert. Damit ließe sich die Verfügbarkeit von Ersatzteilen deutlich optimieren - die teure Lagerhaltung würde ebenso wegfallen wie aufwendige Transporte. Und auch die Lieferzeit könnte verkürzt werden, glaubt Nehm. Folgen für Logistikimmobilien Verändert der 3-D-Druck auch Logistikimmobilien und Standortstrukturen? "Noch ist der 3-D-Druck nicht in der Breite angekommen - trotz aller Zukunftsfähigkeit", meint dazu Nehm. Was angesichts der noch relativ langen Druckzeiten nicht verwunderlich sei. "Der Druck eines einfachen Produkts braucht nach wie vor etwa 30 Minuten. Noch ist das additive Herstellungsverfahren derzeit also zu langsam und zu teuer." Mit einerseits der Folge, dass in Deutschland im Jahr 2014 nicht einmal 2000 3-D-Drucker gekauft worden seien. Andererseits sei der punktuelle Einsatz in der Logistik inzwischen keine Seltenheit mehr, betont Nehm, wie das Beispiel Group7 zeige. Vorreiter in Sachen 3-D-Druck ist das Paket- und Expressunternehmen UPS, das sich schon vor zwei Jahren an dem 3-D-Druck-Dienstleister Fast Radius im amerikanischen Louisville beteiligt hat. Mittlerweile errichtete UPS auch in Shenzhen/ China ein 3-D-Druck-Zentrum, und als weiterer 3-D-Druck-Standort ist Köln/ Bonn im Gespräch. Ziel dieser 3-D-Hubs ist es, über die "On Demand Production Platform" des Kooperationspartners Fast Radius die vom Kunden benötigten Teile zu drucken und dann auszuliefern. Und für kleinere Betriebe wie Werkstätten und Sanitärdienstleister könnte eine solche Variante sogar kostengünstiger sein als die Anschaffung eines eigenen Druckers. Neue Synergien Logistik und Produktion "Logistik und Produktion wird es mittels neuer Technologien also ermöglicht, neue Synergien zu bilden und ihr Dienstleistungsspektrum zu erweitern", resümiert Logistikexperte Nehm. Diese Entwicklung spiegele sich auch in den Logistik- und Industrieimmobilien wider: Denn je intelligenter Produktions- und Logistikprozesse werden, umso stärker werden sie ineinandergreifen. Und eine intensivere Verzahnung kann auch ein räumliches Zusammenrücken bedeuten. Nehm ist deshalb überzeugt: "Logistik und Produktion werden künftig unter einem Dach sein - Stichwort Shared Warehouse." Sprich: es werden zunehmend Objekte gefragt sein, die Produktion und Lager verbinden und sich als Allrounder durch eine hohe Flexibilität auszeichnen. Eine Eigenschaft, die gerade mit dem Voranschreiten von Industrie 4.0 noch weiter an Bedeutung gewinnen dürfte. Konkret bedeutet das laut Nehm: "Logistikobjekte werden künftig stärker durch mehrere Unternehmen statt durch einen einzelnen Mieter genutzt, um Unsicherheiten infolge von Industrie 4.0 besser auffangen zu können." Gezielt Pilotprojekte aufsetzen Fazit: Neue Technologien wie der 3-D-Druck bieten ein enormes Potenzial für die Logistikbranche. Sofern die Technologie allerdings in der breiten Masse zum Einsatz kommt, wird das die Arbeitsweise von Dienstleistern, Entwicklern und fast allen Akteuren in diesem Markt verändern. Nehm wörtlich: "Das wird nicht kurzfristig passieren. Das wird noch einige Zeit brauchen." Umso wichtiger sei es, rät der Logistikexperte den Unternehmen, sich über Pilotprojekte das notwendige Know-how zum 3-D-Druck anzueignen, so wie es das mittelständische Logistikunternehmen Group7 erfolgreich tut. "Solche Projekte können einem Dienstleister aufzeigen, wohin die Reise in der Logistik 4.0 geht." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier 3-D-Druck www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten + Fakten Group7 AG in Schwaig Group7 in Schwaig bei München wurde im Jahr 2006 gegründet. Das Speditions- und Logistikunternehmen hat sich auf maßgeschneiderte Kontraktlogistik- und Fulfillment-Leistungen spezialisiert. Group7 beschäftigt mittlerweile nach eigenen Angaben rund 470 Mitarbeiter an neun Standorten in Deutschland, die insgesamt einen Umsatz von rund 96 Millionen Euro erwirtschaften. Im Jahr 2012 zählte das Logistikunternehmen Group7 zu "Bayerns Best 50". Mit diesem Preis werden traditionell Unternehmen vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie geehrt, die in den vergangenen Jahren ein sehr hohes Wachstum realisierten. eh

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