Neuer Trend zum Do-it-yourself

Wenn ein Verlader outgesourcte Logistikdienstleistungen wieder in seinen Betrieb holt, weil die eigenen Mitarbeiter effizienter und kostengünstiger arbeiten, ist dies für den betroffenen Dienstleister ein Ärgernis. Wenn jedoch Kostenvorteile und Effizienzgewinne auf veränderte Rahmenbedingungen zurückzuführen sind, die der Dienstleister nicht zu verantworten hat, ist dies fast schon tragisch. Genau in dieser Situation steckt ein bekanntes Branchenunternehmen in Nordbayern. Vor rund acht Jahren übernahm dieses die Logistik eines süddeutschen Herstellers von Dekorationsartikeln und Showroom-Gegenständen. Jetzt hat dieser einen Konkurrenten mit eigenem Lager in Nähe eines Nordseehafens aufgekauft. Eine gemeinsame Logistik an diesem Standort senkt die operativen Kosten um rund 40 Prozent, ermittelte eine Unternehmensberatung. Vor allem Sortimentsbereinigungen und verkürzte Lieferwege für Fernost-Importe sparen Geld. Der betroffene Logistikdienstleister, dem Hersteller und Unternehmensberatung einwandfreie Arbeit bescheinigen, hat schlicht und einfach Pech gehabt. Insourcing gehört jedoch zum Geschäftsrisiko jedes Betriebs, der Dienstleistungen eines Dritten übernimmt. Er muss jederzeit damit rechnen, dass sein Auftraggeber laufende Verträge nicht verlängert und die Auslagerungen wieder zurück ins eigene Unternehmen holt. Für Bernhard Rieger, Inhaber der Logistikberatung BR Consulting in Röhrmoos bei Dachau, ist der Auftragsverlust der nordbayerischen Spedition kein Einzelfall. "Viele Hersteller stellen einen Kompetenzund Know-how-Verlust durch Outsourcing fest", berichtet er. "Wenn sie den Vertrag mit ihrem Partner verlängern oder dessen Arbeiten neu ausschreiben wollen, können sie deren Qualität laut eigener Aussage nicht fundiert beurteilen." Viele Verlader stören sich laut Rieger auch daran, dass sie innerbetriebliche Prozesse mit dem Dienstleister abstimmen müssen und nicht mehr uneingeschränkt selbst gestalten können. Wenn dann noch geplante Einsparungen nicht eintreten, falle die Entscheidung zum Insourcing leicht. Auch mancher Logistikdienstleister stellt sich auf einen Trend zum Insourcing ein. "In Zeiten der Hochkonjunktur bildet die verladende Wirtschaft gerne Rücklagen für Reinvestitionen", spielt René Sorbello, Leiter Kontraktlogistik von BTG Feldberg & Sohn in Bocholt, auf die aktuell gute Wirtschaftslage an. "Wenn es jedoch nicht mehr rundläuft und der Kostenschuh drückt, setzt der gegenteilige Trend ein." Solche Beobachtungen untermauert auch eine neue, bislang noch nicht veröffentlichte Outsourcing-Studie von Miebach Consulting, Frankfurt/Main, mit konkreten Zahlen. Rund 300 Unternehmen hat die Frankfurter Unternehmensberatung befragt. Etwa 40 Prozent haben demnach in den letzten Jahren ausgelagerte Logistikdienstleistungen wieder in den Betrieb geholt, weitere 25 Prozent planen das für die Zukunft. "Der Markt ist im Umbruch", kommentiert Klaus-Peter Jung, Mitglied der Geschäftsleitung von Miebach Consulting, die Ergebnisse der Studie. 2012 haben in der Vorgängerstudie gerade einmal 26 Prozent der Befragten Insourcing-Maßnahmen bestätigt. Vor allem Bestandsmanagement, Auftragssteuerung, Fakturierung und andere Back-Office-Arbeiten wurden damals in die Unternehmen zurückgeholt. "Heute stehen auch physische Prozesse wie Lagerhaltung, Kommissionierung und sogar Transport zur Disposition", sagt Jung. Fremdvergabe steht zur Disposition Ein Unternehmen, das ausgelagerte Lieferund Distributionsverkehre komplett wieder ingesourct hat, ist bislang nicht bekannt. Wohl aber denken dem Vernehmen nach vor allem mittelständische Betriebe, zum Beispiel aus der Lebensmittel-, Baustoff- und Entsorgungsbranche, darüber nach, ob sie Transportkapazitäten weiterhin mit Frachtführern ausbauen wollen. Manche Unternehmen wollen auch als Folge des wachsenden Fachkräftemangels eigene Fahrer anstellen und locken offenbar mit höheren Löhnen. BMW Leipzig holt Logistik zurück Mit Fachkräftemangel begründet auch mancher Auto- und Maschinenbauer das Insourcing von Kontraktlogistikprojekten. Das vorerst jüngste Beispiel ist das BMW-Werk in Leipzig. Der Autohersteller ließ Verträge mit den Automotive-Logistikunternehmen HQS und SAS, welche Vormontagen von diversen Zulieferteilen durchgeführt haben, zum 1. Mai 2017 auslaufen und übernahm deren Leipziger Mitarbeiter. Zum Insourcing haben sicher auch die erhöhten Löhne, die die IG Metall mit diesen und anderen Kontraktlogistikunternehmen ausgehandelt hat, beigetragen. Der Autokonzern möchte laut eigener Aussage aber auch sein Qualitätsmanagement verbessern, in dem er wieder mehr Prozesse in Eigenregie durchführt. Diesen strategischen Argumenten können Logistikunternehmen wenig entgegensetzen, meint Jung. "Mancher Hersteller will mit Insourcing in erster Linie die Abhängigkeit vom Dienstleister verringern", sagt der Unternehmensberater. Völlig anders ist die Situation, wenn der Hersteller solche Maßnahmen mit den Kosten und der Qualität der ausgelagerten Dienstleistungen begründet. Viel hängt hierbei von den Aufschlägen ab, die der Logistikdienstleister zusätzlich zu den eigentlichen Kosten in Rechnung stellt. Miebach Consulting hat hier eine erstaunliche Bandbreite zwischen acht und 18 Prozent festgestellt (siehe Kasten Seite 27). Aber auch für den Verlader fallen Zusatzkosten an. Und mancher Verlader erzielt nicht die gewünschten Einsparungen, weil er diese Kosten nicht oder zu niedrig kalkuliert. Außer den Ausgaben für Shuttle-Fahrten von und zum Lager des Dienstleisters sowie Qualifizierungsmaßnahmen für dessen Personal nennt Jung in diesem Zusammenhang die Aufwendungen für Mitarbeiter, die die Arbeit des Logistikpartners beaufsichtigen. "Solche Versäumnisse hat der Verlader selbst zu verantworten", räumt der Berater ein. "Der Dienstleister kann jedoch dem Ärger über zu hohe Kosten entgegenwirken, indem er von sich aus Maßnahmen für bessere und kostengünstigere Prozesse vorschlägt." Viele Verlader beschweren sich seiner Erfahrung nach darüber, dass ihre Logistikpartner nach der Einarbeitungsphase kein Interesse an einem regelmäßigen Dialog zeigen. Ähnlich äußert sich Rieger, der außerdem einen Trend zu kurzfristigen Logistikverträgen ausgemacht hat. "Viele Verlader wollen die Laufzeiten von fünf auf drei Jahre verkürzen", beobachtet der Logistikberater. Ein Dienstleister kann jedoch gegensteuern, indem er für längere Vertragsfristen Kosteneinsparungen und Prozessmodernisierungen in Aussicht stellt. "Eine weitere Option ist die Übernahme von zusätzlichen Dienstleistungen wie Konfektionierung und Qualitätsmanagement inklusive Integration in die eigene IT", sagt Rieger. Mit solchen Maßnahmen kann der Dienstleister Kosten und Aufwand eines möglichen Insourcings so weit in die Höhe treiben, dass der Verlader kein Interesse hieran hat. Kontraktlogistikdienstleister wie BLG Logistics, Group 7 und Loxxess haben mit solchen Strategien Erfolg gehabt. Sie versprechen eine permanente Optimierung der Logistik mit neuen Technologien wie RFID, verbesserten Prozessen und eigener IT. Zudem werben sie mit weiteren Services wie Warenkonfektionierungen, Endgerätereparaturen oder Debitorenmanagement. "Wir bieten Kundenservice und Logistik aus einer Hand", sagt Loxxess-Geschäftsführer Claus-Peter Amberger. Für Unternehmensberater Rieger müssen Logistikverbesserungen jedoch auch messbar sein. "Der Logistikdienstleister sollte vor Vertragsabschluss Investitionen in Lagertechnologie, Fahrzeugequipment und weiteren Dienstleistungen genau kalkulieren und bei den Vertragsverhandlungen Fristen für mögliche Prozessverbesserungen und Kostensenkungen nennen", mahnt er. Allerdings darf er nicht immer mit Resonanz rechnen. Wiederholt hat der Marktkenner erlebt, dass ein Verlader kein Interesse an weiteren Logistikoptimierungen zeigt, weil er sich auf andere Projekte im Betrieb konzentrieren muss und keine Ressourcen für die Unterstützung des Outsourcingpartners bereitstellen kann. Mancher erfahrene Logistiker sieht sich trotzdem gut gegen Insourcing gewappnet. "Der Dienstleister muss von vornherein durch die Bündelung von Transporten und Prozessen Kostenvorteile erzeugen, die der Verlader allein nicht darstellen kann", sagt BTG-Logistiker Sorbello. Genau dies hat der eingangs erwähnte Logistikdienstleister aus Nordbayern getan, indem er in "Multi User"-Lagern mehrere Verlader betreut und alle Lager- und Transportservices anbietet. Wetten, dass die jetzt frei werdende Lagerfläche schnell Nachmieter findet? Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Kontraktlogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung "Ich schließe eine Ausweitung unserer Betriebsflotte nicht aus" Genau 72 ziehende und 135 gezogene Einheiten setzen die Badenhop Fleischwerke, Verden, im Werkverkehr ein. Mit schätzungsweise doppelt so vielen Einheiten arbeiten die Frachtführer, die zwei Drittel der Transporte übernehmen.Das muss aber nicht so bleiben."Für die nächsten Jahre schließe ich eine Ausweitung unserer Betriebsflotte nicht aus", sagt Lüder Meyer, Logistikleiter des niedersächsischen Lebensmittelherstellers.Meyer begründet diese Überlegungen unter anderem mit dem wachsenden Fahrermangel im Markt sowie der geplanten Novellierung des Fahrpersonalgesetzes, das seiner Einschätzung nach den Einsatz von externen Transportpartnern erschwert, "Wir können mit unserem Logistikkonzept problemlos zusätzliche Werkverkehre realisieren", sagt Meyer. Die Frachtführer fahren ausschließlich während der üblichen Geschäftszeiten überwiegend mit konventionellem Equipment. Die eigenen Fahrer hingegen sind auch am Abend und am Wochenende unterwegs und fahren auch Silo-, Tank- und andere Spezialzüge. Sie müssen also Meyer zufolge flexibler sein. Und eine solche Eigenschaft ist vermutlich auch ein höheres Gehalt wert. bot Tipp Wie Dienstleister Insourcing vorbeugen können - Stellen Sie dem Verlader Einsparungen und Prozessbeschleunigungen für möglichst lange Laufzeiten (fünf Jahre) in Aussicht und nennen Sie dafür möglichst konkrete Zeitpunkte. Fragen Sie Ihren Partner vor Vertragsabschluss, ob er mögliche Zusatzkosten (wie Shuttle-Fahrten, Mitarbeiterqualifizierung) berücksichtigt hat.- Halten Sie während der Vertragslaufzeit persönlichen Kontakt auf Geschäftsführerebene: Bei Unstimmigkeiten können Sie sofort intervenieren. Informieren Sie umgekehrt den Partner regelmäßig über Prozessverbesserungen und Einsparungen. Ermitteln Sie, ob während der Vertragslaufzeit weitere Optimierungen möglich sind. Prüfen Sie zusätzliche Services, die für den Kunden interessant sein können.- Reagieren Sie professionell, wenn der Verlader sich trotzdem für ein Insourcing entscheidet, und lassen Sie einen gemeinsamen Plan für den Rückverlagerungsprozess ausarbeiten. Ermitteln Sie auch, welche besonderen Kosten hierbei anfallen. bot