"Eine völlig neue Art der Zusammenarbeit"

Seit Januar sind Sie, Herr Kaiser, neuer CEO der Region "Europe" von DB Schenker. Gleichzeitig verantworten Sie seit 2014 den Landverkehr bei Schenker. Haben Sie Ihr neues Kaiserreich schon im Griff? In der See- und Luftfracht haben wir zufriedenstellende Margen. In der Kontraktlogistik wachsen wir überproportional zum Markt. Der Landverkehr gestaltet sich schwieriger, dort gibt es in Europa nur geringes Volumenwachstum. In vielen Ländern herrscht ein Verdrängungswettbewerb - mit entsprechend niedrigen Margen. Wenn man sich im Landverkehr behaupten will, muss man sich sehr anstrengen und das Netz permanent optimieren. Vor allem, wenn man wie Schenker nur 1,6 Prozent Ebit-Marge im Landtransport macht. Welches Renditeziel müssen Sie denn künftig erfüllen? Es gibt eine Schenker-Mittelfristplanung 2020, die derzeit im Vorstand diskutiert wird. Nach Abstimmung mit dem Aufsichtsrat werden diese Zahlen zu gegebener Zeit kommuniziert. Rüdiger Grube, Chef Ihres Mutterkonzerns DB, soll angeblich vier Prozent vorgeben. Nicht nur angeblich. Rüdiger Grube hat das für die gesamte Schenker-Organisation vorgegeben Für den Landverkehr liegt die Zielvorgabe naturgemäß etwas darunter. Fakt ist, Schenker muss im Landverkehr seine Profitabilität steigern. Wie wollen Sie das Ruder erfolgreich herumreißen? Unsere Strategie ist es, mit möglichst niedrigen Kosten Produkte mit Premiumqualität zu produzieren. Dafür knüpfen wir aus den bislang unabhängig voneinander agierenden Landesgesellschaften ein integriertes paneuropäisches Netz. Da befinden wir uns mitten in der Implementierung. Aufgeschaltet sind bereits vierzehn Länder in Europa von Deutschland ausund eingehend und in den kommenden Monaten folgen Spanien und Südosteuropa sowie weitere Länder in Osteuropa. Und im Herbst, so viel verrate ich, wird Schenker, neben seinen bestehenden Produkten, im schnellen palettisierten Segment ein neues Premiumprodukt einführen - europaweit einheitlich. Klingt gut, aber wie will Schenker effizienter werden? Genau daran hakt es ja bislang in Ihrem Landverkehrsgeschäft. Ganz klar, wir müssen innerhalb unseres Netzes unsere Produkte und Abläufe weiter standardisieren. Dazu harmonisieren wir die Prozesse in den europäischen Landesorganisationen. Die beste Bündelung lässt sich nur mit schlanken Abläufen und über getaktete Verkehre erreichen. Was bedeutet das in der Praxis konkret? Konkretes Beispiel sind unsere Linienverkehre. Wir wickeln diese heute schon weitgehend im Begegnungsverkehr ab. Sprich: Die Lkw haben ihre festen Abfahrts- und Ankunftszeiten. Das läuft komplett getaktet. Dazu braucht es nur noch eine individuelle Disposition im Vor- und Nachlauf, aber nicht mehr für den eigentlichen Linienverkehr. Und genau das werden wir jetzt für alle Verkehre in Europa realisieren. Dafür verknüpfen wir das gesamte grenzüberschreitende europäische Netzwerk noch enger mit den jeweiligen nationalen Netzwerken. Werden Sie sich im Zuge dieses Netzumbaus auch von unrentablen Verkehren trennen? Trennen - das klingt nach Ehescheidung - das ist immer der letzte Schritt. Wir sind aber in der Tat dabei, unrentable Relationen und Produkte zu überarbeiten und sie wieder rentabel zu machen. Im Klartext: Ihre Transportpartner dürfen sich nun auf harte Preisverhandlungen einstellen. Natürlich will sich Schenker optimieren und zu wettbewerbsfähigen Preisen einkaufen. Aber wir werden dabei fair bleiben. Wenn wir unsere Einkaufskonditionen anpassen, kommunizieren wir unseren Frachtführern, warum wir dies planen und wie wir sie optimal in unser neues Konzept einbinden. Apropos neues Konzept: Schenker hat unlängst die Initiative "Drive4Schenker" gestartet. Was ist da Ihr Ziel? Ziel dieser Initiative ist es, dass die gesamte Interaktion zwischen Schenker und Frachtführern in Zukunft komplett elektronisch über eine Internetplattform erfolgt. Das Projekt läuft in zwei Phasen ab. In unserer Datenbank befinden sich aktuell europaweit 25.000 Frachtführer. Davon haben sich bereits mehr als 10.000 bei "Drive4Schenker" registriert und sind von uns autorisiert. Sprich: Sie wurden von uns in punkto Compliance, Qualität, Bonität, Versicherungen, Equipment und vielen anderen Kriterien bewertet. Die Frachtführer, die diesen "Preferred Carrier Prozess" durchlaufen haben, werden nun bei der Auftragsvergabe von uns bevorzugt behandelt. Diese erste Phase ist abgeschlossen. In der zweiten Phase gehen wir das Thema Digitalisierung an. Dazu nur so viel: Es wird der Beginn einer völlig neuen Art der Zusammenarbeit zwischen Schenker und seinen Frachtführern sein. Welche neuen Anforderungen kommen damit auf Ihre Transportpartner zu? Aktuell disponiert Schenker täglich etwas mehr als 20.000 Ladungen. Davon wird ein nicht unerheblicher Teil jeden Tag neu verchartert. Diesen Spot-Anteil werden wir in Zukunft über unsere Internetplattform ausschreiben - mit Ausnahme der Linienverkehre im Stückgutgeschäft. Außerdem wird die Fakturierung künftig über diese Plattform laufen - also der gesamte Prozess. Wir schaffen jetzt aber nicht unsere Disponenten ab. Es geht nur darum, dass diese sich mit ihrer Kernaufgabe und weniger mit Administration befassen. Sie sparen sich dadurch also Kosten. Was bringt die Plattform Ihren Frachtführern? Die Transportpartner, die auf unserer Plattform registriert und von uns autorisiert sind, erhalten so Einblick in die jeweilige Fracht und können ihren Laderaum anbieten. Weiterer Vorteil für sie wird sein, dass wir ihnen künftig proaktiv Ladung vermitteln können, weil wir wissen, wer in welchen Gebieten regelmäßig unterwegs ist. Nach welchen Kriterien erhält dann der Frachtführer von Schenker den Zuschlag? Wir suchen für jeden Transportauftrag die beste Lösung. Und wenn ich von ,bester' Lösung spreche, ist nicht die Größe eines Frachtführers entscheidend. Wir arbeiten mit allen - vom Ein-Mann-Betrieb bis hin zum Groß-Frachtführer, wobei wir schon bemüht sind, größere Frachtführer in unserem Portfolio zu haben. Und was gibt letztlich den Ausschlag: die Qualität oder der Preis? Nur über Qualität lässt sich ein auskömmlicher Preis am Markt erzielen. Werden Sie deshalb in diesem Jahr höhere Frachtpreise von Ihren Auftraggebern verlangen? Das hängt ganz davon ab, wie sich jetzt die Kosten entwickeln. Noch gibt es keine Tarifabschlüsse. Verdi fordert bekanntlich fünf Prozent höhere Entgelte. Und der Dieselpreis dürfte auch wieder steigen. Fest steht nur, dass insbesondere die Stückgutbranche massiv Nachholbedarf bei den Preisen hat. Welche Umsatz- und Mengenziele hat sich Schenker in Europa und Deutschland im Landverkehr gesetzt? Wir erwarten zwei bis drei Prozent Umsatzzuwachs und in gleicher Größenordnung Mengenzuwachs in Europa. In welchen Kundenbranchen sehen Sie da das größte Wachstumspotenzial im Landverkehr? Schenker hat traditionell im Automobil- und Industriesegment eine starke Kompetenz. Da sehen wir nach wie vor sehr gute Wachstumsmöglichkeiten, ebenso in der Konsumgüterindustrie. Das temperaturgeführte Segment ist hingegen noch nicht bei uns im Fokus. Und in welchen Ländern erwarten Sie das stärkste Wachstumspotenzial? Schwierige Frage. Wir haben ja in einigen Ländern Europas, wie in Spanien, einen Marktanteil von zwei bis drei Prozent. Dort ist es natürlich leichter für uns zu wachsen als in den Ländern, in denen wir einen Marktanteil von über 25 Prozent haben, zum Beispiel in Schweden. Was die generelle Marktentwicklung betrifft, entwickelt sich Osteuropa gerade eher verhalten, insbesondere Russland. Südeuropa entwickelt sich hingegen sehr gut, vor allem Spanien, Portugal und Frankreich. Gibt es noch weiße Flecken im Schenker-Netz in Europa? Weiße Flecken gibt es nicht. Schenker ist in 36 Ländern in Europa tätig. Davon erbringen wir in 33 Ländern alle unsere Services in Eigenregie, sprich im eigenen Netz. Nur in Italien, Dänemark und Moldawien greifen wir teilweise auf lokale Dritte für die Flächendeckung zurück. In UK haben wir ja unsere Lücke im Netz soeben über den Aufkauf von Redhead geschlossen. Sind weitere Zukäufe ein Thema? Weitere Akquisitionen in Europa planen wir im Moment nicht. Und bis wann steht Ihr schon lange geplantes Teilladungsnetz in Europa? Wir sind da nach wie vor in der Konzeptionsphase und prüfen, ob wir wirklich ein eigenes Teilladungsnetz benötigen oder ob wir diese Aktivitäten besser in unser Stückgutnetz einspeisen. Das Ergebnis ist noch offen. Klingt ganz danach, dass die Strategie "Governance@Land" im europäischen Landverkehr Ihres Vorgängers Karl Nutzinger vom Tisch ist. Er wollte ja die Teil- und Komplettladungen sowie das Stückgut über zwei separate Netze abbilden. Wir haben zwei voneinander getrennte Netze, aber der Markt entwickelt sich weiter, die Marktmodelle entwickeln sich weiter. Dem können wir uns nicht verschließen, deshalb müssen wir uns auch permanent weiter entwickeln. Governance@ Land war ein internes Strukturprojekt, das abgeschlossen ist. Als dieses Projekt vor vier Jahren gestartet wurde, konnte noch niemand eine Gesamtveränderung des Marktes, wie dann geschehen, voraussehen, zum Beispiel E-Commerce und B2C. Ein B2C-Produkt hat Schenker aber nach wie vor nicht in der Pipeline. Wir sind noch in der Planung. Fest steht bislang nur, dass wir nicht ins Zwei-Mann-Handling einsteigen. Wir werden dieses neue Produkt in unserem bestehenden Stückgut-Netz abbilden. Zu welchen Uhrzeiten wir dann ausliefern, ob am Abend oder an Samstagen - an den entsprechenden Details wird noch gefeilt. Nur so viel: Wir haben aktuell einen Test in Schweden laufen, wo wir den gesamten Prozess elektronisch abbilden - von der Auftragsannahme bis zur Bestätigung, dass die Ware zugestellt wurde. Wenn dieser Test gut läuft, ist es gut vorstellbar, dass wir dieses Produkt europaweit ausrollen. Stichwort "neue Systeme": Schenker soll an einer europaweit einheitlichen TMS-Lösung arbeiten, die bis 2018 alle bisherigen TMS-Lösungen ablösen soll. Ist das so? Wir sind in der Tat gerade dabei, ein neues TMS-System mit europaweit einheitlichen Standards im Landverkehr auszurollen. Das steht aktuell in Deutschland und Österreich an. Folgen werden als Nächstes unter anderem England, Irland, Spanien und Portugal. Ziel sind niedrigere Administrationskosten durch schlankere und effizientere Prozesse und eine bessere Transparenz in der gesamten Transportkette. 2018 dürften wir damit europaweit aber noch nicht durch sein. Geschwindigkeit ist wichtig, aber in diesem Fall zählt die Präzision. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Landverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Ewald Kaiser Ewald Kaiser ist 1962 in Stuttgart geboren und seit Januar 2016 CEO Europe von DB Schenker sowie seit 2014 Vorstand Landverkehr der Schenker AG. In seiner beruflichen Karriere war Kaiser für das deutsche Landverkehrsgeschäft von Kühne + Nagel (KN) verantwortlich sowie Vorstand im Ressort Landverkehr des KN-Konzerns. Zuletzt war der Betriebswirt CEO der M&M Militzer & Münch International Holding. eh Das Unternehmen DB Schenker DB Schenker erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2015 mit 66.327 Mitarbeitern einen Gesamtumsatz von rund 15,5 Milliarden Euro. Insgesamt konnte die Speditionssparte der Deutschen Bahn im vergangenen Jahr ihre Ergebnisse und Marge gegenüber 2014 stark verbessern. So stieg das Ebit in 2015 um 19 Prozent auf 395 Millionen Euro. Allerdings hinkt der europäische Landverkehr von Schenker mit 1,6 Prozent Ebit-Marge (2015) den internen Konzernvorgaben, die vier Prozent Ebit-Marge vorsehen, noch weit hinterher. eh

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