Eine Erfolgsgeschichte

Als zum 1. Juli 1990 die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der seinerzeitigen DDR in Kraft trat, schwankten Prognosen und Stimmung auch zwischen Euphorie und Untergangsvisionen. Wir erinnern uns: Bei der Währungsunion, vom seinerzeitigen Referatsleiter im Finanzministerium, Thilo Sarrazin, in angeblich nur vier Tagen ausgearbeitet, wurden Sparguthaben über der Grenze von 6000 Ostmark zum Kurs 2:1 umgerechnet. Darunterliegende Guthaben wurden, je nach Altersklasse der Guthabeninhaber, im Kurs 1:1 getauscht; Schulden wurden halbiert. Grundlage der neuen Wirtschaftsunion war das bis dahin in der Bundesrepublik Deutschland bestehende System: Die sozialistische Planwirtschaft musste auf die in fast allen Bereichen liberale und soziale Marktwirtschaft umgestellt werden. Planwirtschaft pur In einem Sektor, nämlich der Verkehrswirtschaft, war es freilich umgekehrt: Der Straßengütertransport war zu Zeiten der DDR kaum reguliert und reglementiert. Zwar wurde auch in der DDR zwischen gewerblichem Güterverkehr und Werkverkehr differenziert, wobei der Werkverkehr in das öffentliche Transportgeschehen eingebunden war und von sogenannten Transportbüros auch bei Transporten für Dritte eingesetzt werden konnte. Demgegenüber stand im Westen die seinerzeit bereits antiquierte westdeutsche Verkehrsmarktordnung mit ihren drei "Säulen" Konzessionierung, Kontingentierung und Tarifzwang. Für die westdeutschen Verbände gab es damals viel Aufklärungsarbeit: Bei vielen Beratungsgesprächen und zahlreichen Seminaren, die der BWV (damals noch ohne das "Logistik-L") 1990 in der damaligen DDR und dann in den neuen Bundesländern abhielt, traf man auf bisweilen ungläubiges Erstaunen: "Das soll freie Marktwirtschaft sein? Das ist doch Planwirtschaft pur." Keine Preisbildungsfreiheit, kein freier Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt, weil die Kontingente für Güterfernverkehrskonzessionen erschöpft waren, kein Einsatz von gemieteten und geleasten Fahrzeugen und von Leiharbeitnehmern im Werkverkehr? So hatte man sich den Kapitalismus nicht vorgestellt. Ab dem 3. Oktober war dies dann aber die gesamtdeutsche Rechtswirklichkeit. Als in Brüssel die Liberalisierung der Verkehrsmärkte beschlossen, der europäische Binnenmarkt 1992 verwirklicht und seinerzeit die Kabotage in kleinen, homöopathischen Dosen erstmals zugelassen wurde, begann auch die Öffnung der deutschen Verkehrsmarktordnung: Ab 1994 herrschte Preisfreiheit im Straßengüterverkehr, nicht zuletzt wegen eines vom BWV bis zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorangetriebenen Rechtsstreits gegen das deutsche Tarifbildungsverfahren. Die Konzessionskontingente wurden schrittweise angehoben. Marktwirtschaft erst ab Juli 1998 Zum 1. Juli 1998 wurde das Kontingentierungssystem aufgegeben; der Marktzugang hing nur noch von der Erfüllung der subjektiven Kriterien Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Fachkunde ab. Erst ab diesem Moment herrschte in Ost wie West Marktwirtschaft. Und dies hat dem Güterkraftverkehr, hat der deutschen Wirtschaft insgesamt gut getan. Deutschland verfügt heute über einen hochentwickelten Logistiksektor und eine im internationalen Vergleich gute Infrastruktur. Bei den Straßen ist allerdings festzustellen, dass hier der Osten Deutschlands zwischenzeitlich vielerorts besser dasteht als der Westen: Dort haben die Investitionen in den Erhalt (vom Ausbau ganz zu schweigen) nicht mit den dringenden Erfordernissen schritthalten können; viele Straßen im Westen der Republik befinden sich in einem desaströsen Zustand. Lkw können manche Straßenabschnitte und etliche wichtige Autobahnbrücken überhaupt nicht mehr befahren, weil hier über Jahre, teilweise über Jahrzehnte nicht ausreichend in den Erhalt investiert worden ist. Wer gute Straßen und vorbildliche Infrastruktur sehen will, muss sich in die neuen Bundesländer begeben. Auch wenn es länger gedauert haben mag als ursprünglich angekündigt: Die blühenden Landschaften, die Bundeskanzler Kohl seinerzeit prognostiziert hatte, sind im Osten vielerorts Wirklichkeit geworden. Auch hier zeigt sich, dass die jetzt 25 Jahre alte Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, dass die am 3. Oktober 2015 ein Vierteljahrhundert andauernde deutsche Einheit in fast jeder Hinsicht eine Erfolgsgeschichte war. Manch einer wird sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Wir sollten also auch mit und wegen Griechenland nicht die Hoffnung verlieren. Kulturschock 1990 wurde die auf planwirtschaftlichen Grundlagen beruhende westdeutsche Verkehrsmarktordnung auf die neuen Bundesländer ausgedehnt, die in DDR-Zeiten kaum Reglementierungen des Straßengüterverkehrs gekannt hatten.

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